nest¹ n. a-St., im Voc (3,6,61), Abr (1,
208,32 [Kb, Ra]) und weiteren Gl., Nps, Npw:
‚Nest; cubile, nidulus, nidus‘. – Mhd. nest st.n.
‚Nest, Lager, Schlupfwinkel von Tieren, Woh-
nung‘, nhd. Nest n. ‚aus Zweigen, Gräsern,
Moos u. Ä. meist rund geformte Brut-/Wohn-
stätte von Vögeln, Insekten und kleineren Säu-
getieren, Heim, Bett, kleines, abgelegenes
Dorf, Schlupfwinkel, Haartracht, bei der das
geflochtene Haar auf dem Kopf aufgesteckt ist‘,
in zahlreichen Wendungen wie sein Nest bauen
‚sich eine eigene Wohnung einrichten‘, sich ins
gemachte Nest setzen ‚günstig einheiraten‘.
Ahd. Wb. 6, 1186; Splett, Ahd. Wb. 1, 665; Köbler, Wb.
d. ahd. Spr. 819; Schützeichel⁷ 236; Starck-Wells 436
(nest¹); Schützeichel, Glossenwortschatz 7, 64 (nest¹);
Bergmann-Stricker, Katalog Nr. 253. 254. 298 (I); See-
bold, ChWdW8 221. 425. 467; ders., ChWdW9 619.
1096; Graff 2, 1103; Lexer 2, 58; 3, Nachtr. 330; Die-
fenbach, Gl. lat.-germ. 380 (nidus); Götz, Lat.-ahd.-nhd.
Wb. 428 (nidus); Dt. Wb. 13, 621 ff.; Kluge²¹ 508; Klu-
ge²⁵ s. v. Nest; Pfeifer, Et. Wb.² 919 f. – Braune-Reiffen-
stein 2004: § 31 Anm. 1. – Röhrich 2003: 2, 1088–1090.
Ahd. nest hat nur im Westgerm. Entspre-
chungen: mndd. nest n. ‚Nest‘; andfrk. in dem
ON Dōt-nest m., frühmndl., mndl., nndl. nest
m. ‚Vogelnest, Behausung, Nest im Allgemei-
nen‘; nwestfries. nēst ‚Nest‘; ae. nest n. ‚Nest,
Brut‘, me., ne. nest ‚Vogelnest, Tiernest‘: < ur-
germ. *nista- ‚Nest‘. Daneben belegen ae. neste
n. ‚Nest‘ und mndl. neste m. ‚dss.‘ einen se-
kundären n-St., der über das Mndl. auch ins
Aschwed. als næste ‚Nest‘ (nschwed. näste
‚Vogelnest, Tiernest‘) übernommen wurde.
Entlehnungsgrundlage kann nicht das Mndd. gewesen
sein (so Törnqvist 1977: 74), da dort nur der a-St. bezeugt
ist und das Wort folglich als aschwed. *næst entlehnt
worden wäre.
Fick 3 (Germ.)⁴ 297; Kroonen, Et. dict. of Pgm. 391;
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 2, 1, 1093; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. 3, 178; ONW s. v. nest; VMNW s. v.
nest; Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 4, 2358 ff.; Franck, Et.
wb. d. ndl. taal² 456; Suppl. 115; Vries, Ndls. et. wb. 468;
Et. wb. Ndl. Ke-R 416; Fryske wb. 14, 132 f.; Dijkstra,
Friesch Wb. 2, 195; Holthausen, Ae. et. Wb. 234; Bos-
worth-Toller, AS Dict. 716; Suppl. 2, 48; eMED s. v. nest
n.; Klein, Compr. et. dict. of the Engl. lang. 2, 493 f.;
eOED s. v. nest n.; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 1, 719;
Svenska akad. ordb. s. v. näste.
Urgerm. *nista- ist Fortsetzer des Komp. uridg.
*ni-sd-ó- ‚das (auf den Ast oder Boden) Nie-
dergesetzte‘, das aus dem Adv. *ni (s. nidar)
und der schwundstufigen Wz. des Verbs uridg.
*sed- ‚sitzen‘ (s. sizzen) zusammengesetzt ist.
Zum Kompositionstyp s. ast. Das Komp. uridg.
*ni-sd-ó- erscheint in ai. nīḍá- m./n. ‚Ruhe-
platz, Lager, Vogelnest‘, lat. nīdus m. ‚Nest‘,
arm. nist m. ‚Sitz, Position, Aufenthalt, Wohn-
sitz‘, mir. net m./f. ‚Nest‘, mkymr. nyth m./f.
‚dss.‘, mbret. nez m. ‚Vogelnest, Sitz‘, nbret.
neizh m. ‚dss.‘ und akorn. neid m. ‚dss.‘.
Umstritten ist, ob es sich bei arm. nist um einen direk-
ten Fortsetzer des uridg. Komp. *ni-sd-ó- oder um eine
deverbale Bildung zu dem primären Verb arm. nstim
‚sitzen, sich aufhalten‘ handelt (Martirosyan, Et. dict. of
Arm. 505 f.). Die Bevorzugung der deverbalen Bildung
auf der Grundlage der fehlenden Bedeutung ‚Nest‘ für
das arm. Subst. (so Olsen 1999: 17 Fn. 30) kann nicht ge-
halten werden, denn zum einen findet die im Fall der
direkten Fortsetzung des uridg. Komp. anzunehmende
Bedeutungsentwicklung von ‚Nest‘ zu ‚Sitz, Wohnsitz‘
im Ai. eine semantische Parallele. Zum anderen ist we-
gen der späten Bezeugung des Arm. eine frühere nicht
überlieferte Bedeutung ‚Nest‘ für das arm. Subst. nicht
ausgeschlossen.
Schwierig ist dagegen der Anschluss der slaw.
Subst. aksl. gnězdo n. ‚Nest‘, tschech. hnízdo n.
‚dss.‘, bulg. gnezdó n. ‚dss.‘, serb., kroat. gnijèz-
do n. ‚dss.‘, poln. gniazdo n. ‚dss.‘ und russ.
gnezdó n. ‚dss.‘: Der unetym. Anlaut gn- weist
auf eine Metathese urslaw. *nai̯gzda- > *gnai̯z-
da-, wobei das mittlere *-g- als Gutturalein-
schub analog zu lett. ligzda ‚Nest‘ aufgefasst
wurde. Frühurslaw. *nai̯-zd-a- erklärt sich dann
entweder als eine Art Vddhi-Ableitung ohne
Bed.veränderung zu uridg. *ni-sd-ó- oder zeigt
im VG eine sonst freilich schwach (aber gerade
im Balt.-Slaw.) belegte alternative Lokativform
uridg. *n-ói̯ neben mehrfach bezeugtem *n-éi̯
der Pkl. uridg. *n-í (vgl. lit. naivà, neivà f.
‚schwere Krankheit, Siechtum‘, lett. niẽva f.
‚Schmähung, Verachtung‘; LIPP 2, 561).
Gänzlich unwahrscheinlich ist wegen der all-
gemein slaw. Verbreitung und des Wurzelvo-
kalismus die Annahme einer Entlehnung der
auf einen gn-Anlaut weisenden slaw. Wörter
aus dem mhd. Kollektivum geniste n. ‚Nest‘.
Fern bleiben lit. lìzdas m. ‚Vogelnest, Brut,
Hecke‘ und lett. ligzda ‚Nest‘, da der Anlaut l
nicht aus einem uridg. *ni-sd-ó- stammt und
auch keine Einkreuzung eines semantisch na-
hestehenden Wortes für diese lautlichen Ab-
weichungen ursächlich sein kann.
Walde-Pokorny 2, 335 f.; Pokorny 887; LIV² 559 ff.; NIL
591; LIPP 2, 561; Mayrhofer, KEWA 2, 171 f.; ders.,
EWAia 2, 49 f.; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. 2, 167 ff.;
Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 441; de Vaan, Et. dict. of
Lat. 408 f.; Körting, Lat.-rom. Wb.³ Nr. 6533; Meyer-
Lübke, Rom. et. Wb.³ Nr. 5913; Wartburg, Frz. et. Wb. 7,
119 ff.; Hübschmann, Arm. Gr. 478; Martirosyan, Et.
dict. of Arm. 505 f.; Trautmann, Balt.-Slav. Wb. 199 f.;
Trubačëv, Ėt. slov. slav. jaz. 6, 171 f.; Derksen, Et. dict.
of Slav. 169; Et. slov. jaz. staroslov. 183; Bezlaj, Et. slov.
slov. jez. 1, 152; Snoj, Slov. et. slov.² 177; Vasmer, Russ.
et. Wb. 1, 280; ders., Ėt. slov. russ. jaz. 1, 420; Schuster-
Šewc, Hist.-et. Wb. d. Sorb. 295 f.; Derksen, Et. dict. of
Balt. 290 f.; Fraenkel, Lit. et. Wb. 1, 383; Smoczyński,
Słow. et. jęz. lit. 361 f.; ALEW 1, 598 f.; Mühlenbach-
Endzelin, Lett.-dt. Wb. 2, 484; Karulis, Latv. et. vārd. 1,
534; Trautmann, Apreuß. Spr.denkm. 371; Mažiulis,
Apreuß. et. Wb.² 555 f.; Fick 2 (Kelt.)⁴ 194; Holder, Acelt.
Spr. 1, 750; Matasović, Et. dict. of Proto-Celt. 292;
Hessens Ir. Lex. 2, 150; Vendryes, Lex. ét. de l’irl. anc.
N-12; Dict. of Irish N-39; Dict. of Welsh 3, 2604 f.;
Deshayes, Dict. ét. du bret. 534. – Brückner [1927] 1993:
146 f.; Volm 1962: 17; I. Balles, HS 112 (1999), 140;
Skok 1971–74: 1, 576; Machek 1997: 172; Bańkowski
2000: 1, 443; Müller 2007: 26; Orel 2011: 1, 238; Rejzek
2015: 226.
MK/LS