nîd m. a-St., im Abr (1,138,38. 201,26.
238,2. 269,39 [Kb]), in der Sam (1,220,14) und
weiteren Gl., seit Anfang des 9. Jh.s auch in li-
terarischen Denkmälern: MF, MH, H, LB, WK,
O, RB, FB, NBo, NMC, Nps, Npg, WH, BGB
II/III und JB: ‚feindselige Gesinnung, Miss-
gunst, Hass, Bosheit, Neid; aemulatio, creduli-
tas [verwechselt mit crudelitas], discidium, in-
iquitas, invidentia, invidia, (ira), livor, nequi-
tia, odium, rancor, zelus‘, ânu nîd ‚ganz und gar
nicht von Abneigung getrieben; nulla prorsus
invidia titillatus‘ 〈Var.: -i-, -ii-; -dh-, -th-〉. Das
Wort begegnet auch als VG oder HG in zwei-
gliedrigen m. PN (u. a. Nithbald [a. 748], Hart-
nit [a. 1043]) und als Kurzform Nitho (11. Jh.)
mit dem Fortsetzer des individualisierenden Suf-
fixes urgerm. *-an-. – Mhd. nît, -d- st.m. ‚feind-
selige Gesinnung, Groll, Eifersucht, Missgunst,
Eifer, Heftigkeit‘, auch personifiziert her Nît
‚Herr Neid‘, âne / sunder nît ‚nicht auf etw. nei-
disch sein, meinetwegen, gerne‘, in der syno-
nymen Paarformel nît unde haz oder haz un-
de nît ‚Hass und Feindseligkeit‘, nhd. Neid m.
‚Missgunst, Übelwollen‘.
Ahd. Wb. 6, 1227 ff.; Splett, Ahd. Wb. 1, 667; Köbler, Wb.
d. ahd. Spr. 821; Schützeichel⁷ 237; Starck-Wells 438;
Schützeichel, Glossenwortschatz 7, 91; Bergmann-Stri-
cker, Katalog Nr. 253. 895; Seebold, ChWdW8 222. 425;
ders., ChWdW9 622. 1096; Graff 2, 1031 f.; Lexer 2,
86 f.; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 201 (emulatio). 307
(inuidia). 334 (liuor). 393 (odium); Götz, Lat.-ahd.-nhd.
Wb. 20 (aemulatio). 338 (iniquitas). 378 (livor). 446
(odium). 666 (s. v. titillare). 723 (zelus); Dt. Wb. 13,
550 ff.; Kluge²¹ 506; Kluge²⁵ s. v. Neid; Pfeifer, Et. Wb.²
916. – Förstemann [1900–16] 1966–68: 1, 610. 956–958;
Bach 1952 ff.: 1, §§ 96, 1. 200. – Röhrich 2003: 2, 1087;
Friedrich 2006: 311.
Dem ahd. a-St. entsprechen in den anderen
germ. Sprachen: as. nīth m. ‚Kampfeslust, An-
griff, Feindseligkeit, Hass, Neid‘, mndd. nīt
‚Feindschaft, Feindseligkeit, Gehässigkeit, Neid,
Eifersucht‘; andfrk. nīth m. ‚Feindschaft, Hass‘,
mndl. nijt, nijd ‚Zorn, Hass, Groll, Kampfes-
lust, Bösartigkeit, Neid‘, nndl. nijd ‚Neid, Wut,
Feindschaft‘; afries. nīth, nīt, nīd m. ‚Hass,
Feindschaft‘, nwestfries. niid ‚Neid‘; ae. nīþ
m. ‚Streit, Feindschaft, Angriff, Krieg, Neid,
Hass‘, me. nīth, nithe, nyth ‚Feindschaft, Bos-
heit, Groll, Neid‘; aisl. níð n. ‚Schmähung, Ver-
höhnung‘, nisl. níð ‚Verleumdung, Beleidi-
gung‘, ndän. nid ‚Hass, Feindschaft, Missgunst,
Neid‘, nnorw. nid ‚Hohn, Spott, Neid, Hass‘;
got. neiþ ‚Neid‘ n. a-St.: < urgerm. *nei̯þa- oder
*nīþa- m./n. ‚Neid, Hass, Feindseligkeit‘.
Der run. Beleg PN niþijo (Schildfesselbeschlag 2 von Il-
lerup Ådal, ca. 200 n. Chr.) kann eine Ableitung zu *nīþ-
jan- ‚verhöhnen, hassen, neiden‘ sein, aber auch zu +niþ-
ja- ‚verwandt‘ gehören (got. niþjis ‚Verwandter‘, aisl.
niðr ‚Abkömmling‘); vgl. M. Stoklund, DS 80 (1985),
13 f.; Grünzweig 2004: 72–74.
Nschwed. nit ‚starker Eifer‘ ist Lehnwort aus mndd. nīt
‚Feindschaft, Feindseligkeit, Gehässigkeit, Neid, Eifer-
sucht‘ (vgl. Törnqvist 1977: 74). Auch ndän. nid ‚Hass,
Missgunst, Neid‘ ist in seiner Bedeutung vom Dt. beein-
flusst (vgl. Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 1, 765).
Fick 3 (Germ.)⁴ 297 f.; Tiefenbach, As. Handwb. 291;
Sehrt, Wb. z. Hel.² 410; Berr, Et. Gl. to Hel. 297; Wad-
stein, Kl. as. Spr.denkm. 211; Lasch-Borchling, Mndd.
Handwb. 2, 1, 1103; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. 3, 189;
ONW s. v. nīth; VMNW s. v. nijt; Verwijs-Verdam, Mndl.
wb. 4, 2445 ff.; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 459; Vries,
Ndls. et. wb. 471 f.; Et. wb. Ndl. Ke-R 424; Boutkan,
OFris. et. dict. 287 f.; Hofmann-Popkema, Afries. Wb.
354; Richthofen, Afries. Wb. 955; Fryske wb. 14, 149;
Dijkstra, Friesch Wb. 2, 196; Holthausen, Ae. et. Wb.
237; Bosworth-Toller, AS Dict. 722; Suppl. 653; eMED
s. v. nīth; Klein, Compr. et. dict. of the Engl. lang. 2, 1049
(s. v. nithing); eOED s. v. nithe n.; Vries, Anord. et. Wb.²
409; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 695; Fritzner, Ordb. o. d.
g. norske sprog 2, 817 f.; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awest-
nord. 209; Magnússon, Ísl. Orðsb. 666; Falk-Torp,
Norw.-dän. et. Wb. 1, 765; Nielsen, Dansk et. ordb. 301;
Ordb. o. d. danske sprog 14, 1227; Bjorvand, Våre arve-
ord 663; Bjorvand, Våre arveord² 806; Torp, Nynorsk
et. ordb. 457; NOB s. v. nid; Hellquist, Svensk et. ordb.³
1, 696 f. 699; Svenska akad. ordb. s. vv. nid subst., nit
subst.³; Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 374; Lehmann, Gothic
Et. Dict. N-15.
Die urgerm. Form ist entweder als vollstufi-
ges *nei̯þa- < uridg. *néi̯(H)-to- oder schwund-
stufiges *nīþa- < *níH-to- anzusetzen. Sichere
außergerm. Entsprechungen finden sich nur im
Kelt.: air. níth m. u-St. ‚Kampf, Schlacht,
Kampfeslust, Eifer, Zorn‘. Unklar bleibt die Zu-
ordnung von keltib. neito, da aus dem Kontext
nicht hervorgeht, ob es sich um eine Nominal-
form handelt (vgl. Wodtko, Wb. d. keltib. In-
schr. 273 f.). Wörter, die hierher gehören kön-
nen, sind aber hispan. GN Neto(n) < *neito(n)
und nach Ziegler 1994: 114 das VG in Ogam
PN NET(T)A-, sowie air. nía m. t-St. < ur-
kelt. *nēt, gen. *nētos < vorurkelt. *nei̯H-t- (zu
dessen Paradigma vgl. Irslinger 2002: 52 f. und
zum fehlenden Laryngalreflex in der Vollstufe
dies. 2002: 119). Eine unabhängige Bildung zur
selben Wurzel ist kymr. nwyd m./f. ‚Leiden-
schaft, Temperament‘, das eine vollstufige Bil-
dung mit dem Suff. *-to- oder *-tu- fortsetzt.
Da der u-St. in air. níth sekundär sein kann (vgl.
de Bernardo Stempel 1999: 288 Anm. 31 mit Pa-
rallelen), liegt der Ansatz einer gemeinsamen
Vorform für das kelt. Wort und urgerm. *nīþa-,
uridg. *níH-to-, nahe. Nach Casaretto 2004:
457 weist das durchgängig belegte *þ im Germ.
auf betonte, vollstufige Wz., *néi̯H-to-. Doch
kann bereits uridg. oder vorurgerm. der Akzent
auf die Wurzelsilbe infolge einer Substantivie-
rung einer tó-Bildung verschoben worden sein.
Dabei ist davon auszugehen, dass das uridg.
Verb ähnliche Kollokationen wie nhd. füh-
ren mit ‚Kampf, Schlacht, Streit‘ bildete und
die substantivierte tó-Ableitung ‚das Geführ-
te‘ im Germ. zu ‚der geführte Streit, Eifersucht,
Hass‘ bzw. ‚die ausgetragene Feindschaft, d. h.
Kampf, Schlacht‘ im Kelt. spezialisiert wurde.
Da das Got. neutr. Genus zeigt und dieses auch
für das Air. angenommen werden kann (mit
nicht ganz sicherer Beleglage; vgl. Irslinger
2002: 119), war wahrscheinlich auch die uridg.
und urgerm. Form ein Neutrum. Wohl in Ana-
logie zum Synonym ‚Hass‘ (s. haz) ist das Wort
im Westgerm. zu den Mask. übergetreten.
Die zugrunde liegende Wz. uridg. *nei̯H- ‚füh-
ren, leiten‘ ist verbal nur im Indoiran. und Heth.
bezeugt: ai. náyati ‚führt‘, jav. naiieiti ‚leitet,
führt‘ und heth. nēanzi ‚sie lenken, richten,
schicken‘. Eine verwandte Bildung zur selben
Wz. findet sich womöglich noch in toch. AB
n͂yātse, n͂ātse ‚Gefahr, Plage, Not‘; vgl. J. Hil-
marsson, TIES 5 (1991), 137–139. Wegen der
abweichenden Semantik rechnet Adams, Dict.
of Toch. B² 291 mit einer anderen Stammbil-
dung: < vorurtoch. *niH-eh₂-ti̯o-.
Nicht nötig ist die Annahme eines Substratwortes, die
wegen der geographischen Beschränkung der Dental-
stämme auf das Germ. und Kelt. erwogen wurde, so z. B.
Boutkan, OFris. et. dict. 287 f.; Et. wb. Ndl. Ke-R 424.
Wegen des Stimmtons des Dentals ist eine Verbindung
mit got. naiteins ‚Lästerung‘, ga-naitjan ‚lästern, schmä-
hen‘, ahd. neizen (s. d.), ai. níd(a)- ‚Tadel, Schmähung,
Spott‘, níndati ‚tadelt‘, jav. (aor.) nāist ‚schmähte‘, arm.
(aor.) anēc ‚verfluchte‘, lit. níedu ‚verabscheue‘ sowie
gr. ὄνειδος n. ‚Vorwurf, Tadel, Schmähung, Schmach‘
nicht möglich, Wörter, die zu einer Wz. uridg. *h₃nei̯d-
‚schmähen‘ (LIV² 303) gehören. Auch lat. niteō ‚glän-
ze‘ bleibt fern. Die Wz. hat keinen Laryngal und weicht
semantisch ab.
Rein hypothetisch bleibt der Versuch einer häufigeren
Korrelation vorurgerm. *t ~ sonst idg. *d bei Bjorvand,
Våre arveord² 806; Udolph 1994: 52 f. Demgegenüber
rechnet Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 194 f. mit unterschied-
lichen Dentalerweiterungen *-d- neben *-t- zu einer Wz.
uridg. *nei̯- ‚erregt sein‘, die jedoch sonst nicht belegt ist.
Walde-Pokorny 2, 336; Pokorny 760; LIV² 450 f.; Hol-
der, Acelt. Spr. 3, 750; Wodtko, Wb. d. keltib. Inschr.
273–275; Hessens Ir. Lex. 2, 152; Vendryes, Lex. ét. de
l’irl. anc. N-17; Dict. of Irish N-48 f.; Dict. of Welsh 3,
2600; Adams, Dict. of Toch. B² 291.
UG