noh² konjunkt., neg., ab dem 8. Jh. in
Gl. und in den literarischen Denkmälern: ‚und
nicht, aber nicht, auch nicht; ne, nec, neque,
non, quin‘, noh sâr ‚nicht einmal; saltim‘, noh
… noh ‚weder … noch; nec … nec, neque …
neque‘, neweder … noh ‚dss.‘, niene … noh
‚dss.‘ 〈Var.: -a-; -ch〉. – Mhd. noch ‚noch, und/
auch nicht‘, (de-, ne-)weder / noch… noch ‚we-
der … noch‘, nhd. noch konjunkt. ‚und nicht,
auch nicht, und auch nicht‘, meist in der Ver-
bindung weder … noch.
Ahd. Wb. 6, 1325 ff.; Splett, Ahd. Wb. 1, 667. 694; Köb-
ler, Wb. d. ahd. Spr. 830 f.; Schützeichel⁷ 239; Starck-
Wells 443; Schützeichel, Glossenwortschatz 7, 118 ff.;
Seebold, ChWdW8 224. 426. 503; ders., ChWdW9 628.
1097; Graff 2, 980 ff.; Lexer 2, 98; Diefenbach, Gl. lat.-
germ. 377 (nec). 377 (neque).; Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb.
424 (ne). 427 (neque); Dt. Wb. 13, 872 ff.; Kluge²¹ 513;
Kluge²⁵ s. v. noch²; Pfeifer, Et. Wb.² 928.
In den anderen germ. Sprachen entsprechen die
gleichbedeutenden Konjunkt.: as. noh, mndd.
noch, nochte; andfrk. no(c)h, nog(h), frühmndl.
noch, mndl. noch(te), nndl. noch konjunkt.
‚noch, und nicht‘ (mit willkürlich festgeleg-
ter Schreibung zur Unterscheidung von nog
adv. ‚noch‘; s. noh¹); afries. noch(te), nach ‚und
nicht‘, nwestfries. noch, saterfries. noch; got.
nih ‚und nicht, auch nicht‘.
Das ahd. Wort ist eine Zusammenrückung, als
deren Grundlage mehrere Syntagmen in Frage
kommen:
1. urgerm. *né + *χu̯e < uridg. *né + *ku̯e ‚und
nicht‘; in diesem Falle wäre die Konjunkt. mit
ahd. nih- in nihein (s. d.) und got. nih (mit ana-
logisch restituiertem -i- statt vor -h zu erwar-
tendem <ai>) etym. identisch, der Vokalismus
müsste als eine Art Schwächung im Nebenton
erklärt werden (s. u.); 2. ahd. n (s. d.) + ouh
(s. d.) < urgerm. *né + *au̯χu̯e < uridg. *né +
*h₂(e)u + *ku̯e ‚und auch nicht‘, wobei hier
ebenfalls wieder mit Schwächung im Nebenton
zu rechnen wäre; 3. das Wort ist etym. identisch
mit noh¹ (s. d.) < urgerm. *nu + *χu̯e < uridg.
*nu + *ku̯e ‚und jetzt‘; in diesem Falle müss-
te mit einer semantischen Verschiebung vom
Adv. zur Konjunkt. gerechnet werden: Nach R.
Lühr, MSS 34 (1976), 81 könne diese Entwick-
lung an einigen Stellen im Ahd. noch nach-
vollzogen werden, wenn man „Verblassung des
zeitlichen Elements […] nach vorher negiertem
Satz die Phrase ‚bis jetzt nicht‘ die Bedeutung
‚und nicht‘“ annimmt, und dann weiter damit
rechnet, „daß noh ohne ni steht, wenn einem
negierten Satz ein weiterer negierter Satz an-
geschlossen wird, der sich auf das Verbum fi-
nitum des ersten Satzes bezieht.“ Zusammen-
gefasst wird hier also mit einer Entwicklung
noh … ni ‚und jetzt nicht‘ > noh … ni ‚bis jetzt
nicht‘ > noh (… ni) ‚und nicht‘ > noh ‚we-
der‘ gerechnet. Eine sichere Entscheidung zwi-
schen den drei Vorschlägen ist dennoch nicht
zu treffen, ein Zusammenfall von Wörtern un-
terschiedlicher Etym. ist nicht auszuschließen.
Fick 3 (Germ.)⁴ 114; Tiefenbach, As. Handwb. 293 (noh²);
Sehrt, Wb. z. Hel.² 417; Berr, Et. Gl. to Hel. 295; Lasch-
Borchling, Mndd. Handwb. 2, 1, 1105 f. (noch²). 1107;
Schiller-Lübben, Mndd. Wb. 3, 191; ONW s. v. noh²;
VMNW s. vv. noch², nochte; Verwijs-Verdam, Mndl. wb.
4, 2459 ff.; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 461; Vries, Ndls.
et. wb. 474; Et. wb. Ndl. Ke-R 428; Boutkan, OFris. et.
dict. 273; Hofmann-Popkema, Afries. Wb. 355 (noch¹);
Richthofen, Afries. Wb. 940. 945. 954; Fryske wb. 14,
247 ff. (noch²); Dijkstra, Friesch Wb. 2, 202; Fort,
Saterfries. Wb. 139; Kramer, Seelter Wb. 153; Feist, Vgl.
Wb. d. got. Spr. 375; Lehmann, Gothic Et. Dict. N-18.
Dieselbe Fügung wie oben unter 1., uridg. *né
+ *ku̯e, wird auch in anderen idg. Sprach-
zweigen fortgesetzt; so noch im Anat. als heth.
nekku (Fragepkl.) ‚doch, nicht‘; im It. als lat.
neque ‚und nicht‘, neque … neque ‚weder …
noch‘, apokopiert nec, nec … nec (in dersel-
ben Bed. fortgesetzt in den rom. Sprachen als
vegliot., italien. nè, log. nen, engad. ne, friaul.
ni, afrz. ne, ni, nfrz. ni, prov. ne, ni, katal., span.
ni, port. nem, rum. nicĭ), osk. NEP, nep (auch in
prohibitiver Verwendung); im Kelt. als air.
nách, nach ‚(und) nicht‘ (beim Imper. und zur
Einleitung negierter untergeordneter Sätze) und
in keltib. nekue … nekue … nekue ‚weder …
noch … noch‘.
In älterer Literatur bisweilen angeführtes ai. ná
ca ist trotz seiner an sich trivialen Struktur zu-
mindest nicht im RV, sondern erst als episch-
klass. ai. naca ‚und nicht‘ nachweisbar.
Walde-Pokorny 2, 340; Pokorny 757; LIPP 2, 538; Mayr-
hofer, KEWA 2, 120; ders., EWAia 2, 1; Untermann, Wb.
d. Osk.-Umbr. 494 f.; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. 2,
152; Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 432 f.; de Vaan, Et.
dict. of Lat. 403; Körting, Lat.-rom. Wb.³ Nr. 6487;
Meyer-Lübke, Rom. et. Wb.³ Nr. 5868; Fick 2 (Kelt.)⁴
190; Matasović, Et. dict. of Proto-Celt. 287; Wodtko,
Wb. d. keltib. Inschr. 275; Hessens Ir. Lex. 2, 141;
Vendryes, Lex. ét. de l’irl. anc. N-14; Kavanagh-Wodtko,
Lex. OIr. Gl. 678 (nách¹). 679 (nách³); Dict. of Irish N-
5 ff. (nach²–nach⁶); Tischler, Heth. et. Gl. 2, 307. 325 f.;
Kloekhorst, Et. dict. of Hitt. 601 f.; CHD L-N 432.
HB