nôtweg m. a-St., seit dem 9. Jh. in Gl.:
‚Durchgang, schmaler Durchlass; canalis, per-
vius‘ (mhd. nôtwec st.m. ‚engerer Weg‘, nhd.
mdartl. schweiz. nōtweg m. ‚rechtlich gesicher-
ter Zugang zu einem Grundstück durch fremdes
Eigentum‘ [Schweiz. Id. 15, 837], rhein. notweg
m. ‚brachliegende Ein- und Ausfahrtsstelle zwi-
schen zwei Äckern‘ [Müller, Rhein. Wb. 6, 249],
pfälz. notweg m. ‚schmaler, als Notbehelf die-
nender Weg, Zugang zu einem Grundstück
durch fremdes Eigentum‘ [Christmann, Pfälz.
Wb. 5, 169], westf. nōdweg m. ‚Weg für den
Leichenzug und Kirchgänger‘ [Woeste, Wb. d.
westf. Mda. 186]; mndd. nōtwech m. ‚Fahrweg
zur Kirche, insbes. für den Leichenzug‘; mndl.
notwech m. ‚Zugang zu einem Grundstück
durch fremdes Eigentum‘). Determinativkomp.
mit subst. VG und HG. S. nôt, weg. – nôtwegida
f. ō-St., im Abr (1,265,37 [Kb, Ra]): ‚Gewalt-
tätigkeit; violentia‘. Ableitungskomp. S. nôt, we-
gan, -ida. – nôtwerc n. a-St., Gl. 2,314,18 (in 2
Hss., beide Anfang des 9. Jh.s, alem.[-frk.]): ‚er-
zwungener Dienst, Frondienst; angaria‘ (mhd.
nôtwerc st.n. ‚angariae‘, ält. nhd. notwerk n.
‚ein Werk, wozu die Not zwingt, durch Not
gebotene sonntägliche Feldarbeit‘ [Dt. Wb. 13,
961], nhd. mdartl. schweiz. nōtwerch m. ‚not-
wendige, dringliche Arbeit‘ [Schweiz. Id. 16,
1235], schwäb. notwerk n. ‚durch die Not gebo-
tenes Werk‘ [Fischer, Schwäb. Wb. 6, 2 Nach-
tr. 2696]). Determinativkomp. mit subst. VG
und HG. S. nôt, werc. – nôtzog m. a- oder i-St.,
seit dem 12. Jh. in Gl. (alle SH): ‚Gewalttätig-
keit, Folter; tormentum‘ (mhd. nôtzoc st.m., nôt-
zoge st.f. ‚gewaltsame Entführung, Notzucht‘,
frühnhd. notzog m. ‚Notzucht‘ [Dt. Wb. 13, 962],
schwäb. †notzog m. ‚Notzucht‘ [Fischer, Schwäb.
Wb. 4, 2077]; mndd. nōttoch f. ‚Notzucht, Ver-
gewaltigung‘). Während es sich bei ahd. nôtzog
wohl um eine Vokabelübersetzung von lat.
tormentum n. ‚ein Marterwerkzeug, Folter‘ han-
delt, ist das Wort in der Bed. ‚Vergewaltigung,
Notzucht‘ aus dem sw. Verb nôtzogôn (s. d.)
rückgebildet (vgl. Wissmann 1932: 57). Vgl.
auch DRW 10, 17 f. – nôtzogôn sw.v. II, Gl. 1,
572, 64 (wohl 12. Jh., bair.). 64/65 (in 2 Hss.,
2. Hälfte des 12. und 1. Hälfte des 13. Jh.s, bei-
de bair.) und Gl. in St. Mihiel, Ms. 25 (wohl
11. Jh., alem.), Npg: ‚vergewaltigen; devirgina-
re, vi opprimere‘, substantiviert im Part.Prät.
diu ginôtzogôta ‚die Bestrafte, der Gewalt ange-
tan wurde; synagoga‘ (mhd. nôtzogen sw.v. ‚ge-
walttätig behandeln, notzüchtigen‘, frühnhd. not-
zogen sw.v. ‚vergewaltigen‘ [Dt. Wb. 13, 962],
nhd. mdartl. schwäb. †notzogen sw.v. ‚notzüch-
tigen‘ [Fischer, Schwäb. Wb. 4, 2077]; mndd.
nōttōgen, nōttȫgen sw.v. ‚notzüchtigen, verge-
waltigen‘). – ginôtzogôn Gl. 1,572,62 (in 5 Hss.,
10. Jh. bis 3. Viertel des 11. Jh.s, alle bair.). 63
(12. Jh.): ‚vergewaltigen; devirginare‘ (mhd. ge-
nôtzogen ‚gewalttätig behandeln, notzüchtigen‘).
– Ahd. Wb. 6, 1389 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 677. 678.
1077. 1080. 1105. 1191. 1192; Köbler, Wb. d. ahd.
Spr. 426. 835; Schützeichel⁷ 241; Starck-Wells
445; Schützeichel, Glossenwortschatz 7, 135.
MK