nuosc m. a-/i-St., seit dem 10. Jh. in Gl.:
‚Rinne, Wasserrinne; canalis, fistula [aquae-
ductus de plumbo]‘ 〈Var.: -ui-; -sch(-), -sk〉.
〈-ui-〉 für -uo- in Gl. 1,416,50 (Clm. 22201,
12. Jh.) ist sicheres Umlautzeichen für den im
Mhd. vorhandenen Umlaut von -uo- zu -üe-;
vgl. Braune-Reiffenstein 2004: § 40 Anm. 3. –
Mhd. nuosch st.m., pl. nüesch ‚Rinne, Röhre,
Trog, Wassertrog für das Vieh‘, nhd. mdartl.
schweiz. nüesch m. ‚Rinne, kleine Kanne, in
der man den Schafen in den Alpen Salz
verabreicht‘, schwäb. nusch, nuscht (mit un-
etymologischem -t) m. ‚Rinne, Ausgussrinne in
der Küche‘, vorarlb. nüesch ‚hölzerner Trog
zum Füttern des Viehs‘, bair. nuesch, nuescht,
luesch (mit Wechsel zwischen n und l auf-
grund der phonetischen Ähnlichkeit), uesch
(mit Aphärese des anl. n-) m. ‚Rinne, Gerinne,
Kanal, Trog‘, kärnt. nuosch und uosch m. ‚Rin-
ne, Mühlgerinne‘, tirol. nuesch und uesch m./f.
‚Rinne, Röhre, (Wasser-)Trog für das Vieh,
Dachrinne‘.
Ahd. Wb. 6, 1423; Splett, Ahd. Wb. 1, 1227; Köbler, Wb.
d. ahd. Spr. 837; Schützeichel⁷ 242; Starck-Wells 446;
Schützeichel, Glossenwortschatz 7, 148 f.; Bergmann-
Stricker, Katalog Nr. 681; Graff 2, 1107; Lexer 2, 121;
3, Nachtr. 333; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 94 (canale).
237 (fistula); Dt. Wb. 13, 1008 f. – Schweiz. Id. 4, 836;
Fischer, Schwäb. Wb. 4, 2087 f. (Nusch¹); 6, 2 Nachtr.
2699; Jutz, Vorarlberg. Wb. 2, 566; Schmeller, Bayer.
Wb.² 1, 1766; Lexer, Kärnt. Wb. 200; Schöpf, Tirol. Id.
475. 781; Schatz, Wb. d. tirol. Mdaa. 2, 456 f.
Das ahd. Subst. setzt eine vorahd. Weiterbil-
dung mit Suffix *-ska- (vgl. Krahe-Meid 1969:
3, § 147) zu dem im Ahd. nicht bezeugten
Simplex urgerm. *nōu̯- fort (mit lautgesetzli-
chem Verlust des u̯ zwischen Langvokal und
Konsonant; vgl. Braune-Reiffenstein 2004: § 110
Anm. 1), das als m. a-St. sonst nur im Nord-
germ. vorhanden ist: nisl. veraltet nór n. ‚Zu-
lauf‘, auch in dem verdeutlichenden Komp. nó-
trog m. ‚kleines Gefäß aus Holz, Fressnapf‘,
nnorw. (bm./nn.) nu m. ‚Wassertrog‘, (bm.) nø-
la m./f. ‚großer Wassertrog‘, nschwed. dial. no
m. ‚aus einem Baumstamm gehauener Was-
sertrog‘. Neben der ahd. ska-Bildung steht im
Ndl. und Ndd. noch eine denominale sta-Ab-
leitung westgerm. *nōu̯-sta- (vgl. Krahe-Meid
1969: 3, § 127), deren Grundbed. ursprünglich
‚Trog-Stand‘ war (vgl. Hill 2003: 155): mndd.
nōst(e) ‚Viehtränke, Wassertrog‘; mndl. noest,
oest, oust m. ‚Wassertrog‘; afries. nost m. ‚Was-
sertrog‘, nnordfries. noost m. ‚Wassertrog‘.
Nicht hierher gehören die zuletzt von Kroonen,
Et. dict. of Pgm. 391 angeschlossenen, homo-
phonen Wörter aisl. nór m. ‚Schiff, Boot‘ und
ae. nōwend m. ‚Schiffer‘: Zwar ist eine seman-
tische Entwicklung von ‚Schwimmer‘ > ‚Schiff‘
> ‚dem Bug eines Schiffes ähnliches Behält-
nis, Trog‘ denkbar, wegen der auch in den ande-
ren idg. Sprachen durchgängigen Bezeugung der
Bed. ‚Schiff‘ jedoch unwahrscheinlich (zur An-
nahme der Grundbed. ‚Schwimmer‘ s. nacho).
Auch ein Anschluss dieser Wortsippe an das Verb ur-
germ. *χnō-i̯a- ‚aushöhlen, kratzen, schaben‘ (s. nuoen)
entfällt trotz der nahestehenden Bedeutung. Grund ist das
fehlende h im Anlaut der nisl. Belege.
Fick 3 (Germ.)⁴ 288 f.; Kroonen, Et. dict. of Pgm. 391;
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 2, 1, 1112; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. 3, 197; Verwijs-Verdam, Mndl. wb.
4, 2487; Hofmann-Popkema, Afries. Wb. 358; Richt-
hofen, Afries. Wb. 956; Sjölin, Et. Handwb. d. Festlnord-
fries. 140; Holthausen, Ae. et. Wb. 229; Bosworth-Tol-
ler, AS Dict. 706; Vries, Anord. et. Wb.² 411; Jóhan-
nesson, Isl. et. Wb. 684; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awest-
nord. 211; Magnússon, Ísl. Orðsb. 673; Falk-Torp,
Norw.-dän. et. Wb. 1, 786; Torp, Nynorsk et. ordb. 463;
NOB s. v. nu; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 1, 701.
Trennt man die Wz. urgerm. *nōu̯- ‚Trog, Ge-
fäß‘ von dem im Germ. homophonen *nōu̯-a-
‚Schiff‘, hat dieses Subst. nur in mkymr. noe f.
‚große Vase‘ und mbret. neau f. ‚dss.‘ (beide ā-
St.) eine Entsprechung. Sowohl der mkymr. als
auch der mbret. Vokalismus setzen eine Wz.
mit urkelt. *ā voraus. Die kelt. Belege gehen so
zusammen mit den germ. auf eine Wz. uridg.
*neh₂u̯- ‚Gefäß, Trog‘ zurück, die sich aufgrund
des fehlenden s-mobile nicht an die homophone
Wz. uridg. *neh₂u̯- ‚Schiff‘ anschließt (s. nacho).
Denkbar wäre auch, dass es sich bei den kelt. Entspre-
chungen um ein Lehnwort aus dem Germ. in vorein-
zelsprachlicher Zeit handelt. Dann wäre für die germ.
Wz. auch eine Vorform *neh₃u̯- möglich.
Walde-Pokorny 2, 315; Pokorny 755; NIL 515 ff.; Dict.
of Welsh 3, 2592; Deshayes, Dict. ét. du bret. 536.
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