olbenta
Band VI, Spalte 1158
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olbenta f. n-St., seit dem 10. Jh. in Gl.
und in MF, T, OT: ‚Kamel(stute); camela, ca-
melusVar.: (h)ul-; -lp-, -lv-, -lw-; -in-, -an-;
-t- (neben olbent m., olbento m. [s. dd.]). Das
Wort ist nach mehrheitlicher Ansicht (so auch
s. v. helfant²) mit semantischer Verschiebung
aus einer vulg.lat. Form lat. elephās, elephāns
(-antis) m. ‚Elefant‘ entlehnt und an das Tierbe-
zeichnungen bildende Suff. urgerm. *-nđ- (Kra-
he-Meid 1969: 3, § 129, 1) angeglichen wor-
den. Diese Annahme bereitet jedoch Schwie-
rigkeiten (s.u.). – Mhd. olbente, olbende sw.m./
f. (neben olbent st.m.) ‚Kamel‘ (auch in ol-
bentier st.n. ‚Kamel‘).

Ahd. Wb. 7, 77 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 685; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 844; Schützeichel⁷ 245; Starck-Wells
450; Schützeichel, Glossenwortschatz 7, 193 f.; Seebold,
ChWdW9 637; Graff 1, 244; Lexer 2, 151; 3, Nachtr. 334;
Diefenbach, Gl. lat.-germ. 92 (camelus); Götz, Lat.-ahd.-
nhd. Wb. 84 (camelus); Dt. Wb. 3, 403; Kluge²¹ 162 (s. v.
Elefant); Pfeifer, Et. Wb.² 275 (s. v. Elefant). – Palander
1899: 100–102; RGA² 7, 141 f.

In den anderen germ. Sprachen entsprechen: as.
olvundio m. ‚Kamel‘, mndd. olvant (neben ol-
vent, olvat, olvet, olevant [olyfant]) n./m. ‚Ka-
mel‘; andfrk. olvent m. ‚Kamel‘ (nur in der Ver-
bindung olvendes hār ‚Haar des Kamels‘, das
im ONW s. v. olventshār wohl zu Unrecht als
Komp. aufgefasst wird), mndl. olfen- (in olfen-
dier ‚Kamel‘, das aus olficieren emendiert ist);
ae. olfende f. ‚Kamel‘ (neben olfend m., olfende
m. ‚dss.‘; daneben ist im Merc. noch eine Form
olband[a] belegt, die in der Regel als Wieder-
gabe von vorae. *ƀ in intersonorer Position ge-
deutet wird [kritisch dazu K. Dietz, Anglia 123
(2006), 499]), me. olfend (neben olvende, ol-
fent, olvente, olvont) ‚dss.‘; aisl. ulfaldi m. ‚Ka-
mel‘ (mit unklarem [volksetymologischen ?]
-l- statt zu erwartendem -n-; vgl. Noreen [1923]
1970: § 254 Anm.; eine Assimilation ist dage-
gen auszuschließen, da eine Folge ll sonst
mehrfach zu ln dissimiliert wird und für eine
Vorform *ulfandi kein Grund für eine Assimi-
lation besteht [Noreen, a. a. O. § 254]), nisl. úl-
faldi ‚dss.‘, aschwed. ulvalde m. ‚Kamel, Ele-
fant‘; got. ulbandus* m. (?) ‚Kamel‘.
Die Wörter weisen auf zwei Vorformen, näm-
lich erstens ostgerm. *ulƀandu- und westgerm.
*ulbandian-. Das -haltige Suffix ergibt die
westgerm. Formen mit -ent/d- und ist im As.
unmittelbar bezeugt.

Tiefenbach, As. Handwb. 297; Sehrt, Wb. z. Hel.² 426;
Berr, Et. Gl. to Hel. 308; Lasch-Borchling, Mndd. Hand-
wb. 2, 1, 1146; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. 3, 226 f.;
ONW s. v. olventshār; Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 5, 75;
Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 155 (s. v. elpenbeen); Vries,
Ndls. et. wb. 156 (s. v. elpenbeen); Et. wb. Ndl. Ke-R 450
(s. v. olifant); Holthausen, Ae. et. Wb. 241; Bosworth-
Toller, AS Dict. 744; Suppl. 665; eMED s. v. olfend n.;
eOED s. v. †olfend n.; Vries, Anord. et. Wb.² 632; Jóhan-
nesson, Isl. et. Wb. 1214; Fritzner, Ordb. o. d. g. norske
sprog 3, 763; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 325;
Magnússon, Ísl. Orðsb. 1083; Falk-Torp, Norw.-dän. et.
Wb. 1, 186 (s. v. elefant); Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 515;
Lehmann, Gothic Et. Dict. U-20. – Uhlenbeck 1900: 156;
Grienberger 1900: 225; Jordan 1903: 130–132; M.-L.
Rotsaert, in Rousseau 1991: 206–210; Feulner 2000:
272–274; Casaretto 2004: 203; Durkin 2014: 109.

Die Herkunft des germ. Wortes bleibt unsicher.
Mehrheitlich wird eine Entlehnung aus einer
nicht bezeugten vulg.lat. Form *olipant- bzw.
*olifant- zu klass. lat. elephās, elephāns m.
‚Elefant‘ angenommen (der früher hierherge-
stellte Name Olopantes [CIL 1398] wird heute
als Verschreibung für Diophantes [häufig be-
legt] aufgefasst; vgl. Solin 2003: 1, 44); das lat.
Wort selbst ist aus gr. ἐλέφᾱς (-αντος) m.
‚Elfenbein, Elefant‘ (bereits in gr. myk. [nom.
sg.] e-re-pa /elephans/ ‚Elfenbein‘, [gen.sg.]
e-re-pa-to, [instr.sg.] e-re-pa-te, [akk.sg.] e-re-
pa-ta) entlehnt. Die Entwicklung von klass.
lat. -ph- > vulg.lat. -p- ist dabei unproblema-
tisch, wie der Wandel von lat. amphora f. ‚Am-
phora, Krug‘ zeigt (s. eimbar). Ob eine vulg.lat.
Form mit o- wegen afrz., mfrz. olifant, aprov.
olifan ‚Elefant‘ (daraus entlehnt in mndl., nndl.
olifant ,Elefant, Elfenbein‘, me. olifant ‚Ele-
fant‘, kymr. oliffant, oleffant ‚Elefant‘, bret.
olifant ‚dss.‘, korn. oliphant ‚dss.‘, katal. olifant
‚Elefant‘) anzusetzen ist, ist offen, da das Alter
des o-Anlauts im Rom. unklar ist (s. helfant²);
von Wartburg, Frz. et. Wb. 3, 213 wird das o-
als spät eingestuft („Vermutlich spielt dabei
irgend ein orientalischer einfluss mit“; vgl.
auch die ait. Formen allifante, liofante, leofante
‚Elefant‘). Es ist somit durchaus fraglich, ob
eine vulg.lat. Form mit o- bereits für diese frühe
Zeit anzunehmen ist; falls dies nicht der Fall ist,
können die germ. Wörter nicht aus dem Lat.
entlehnt sein. Dazu kommt, dass die Bed. der
germ. Wörter von der des lat. Wortes abweicht.
Die Bedeutung ‚Kamel‘ ist – wie auch die slaw.
Lehnwörter zeigen (s.u.) – alt. Da diese Bed. für
lat. elephās, elephāns ebenso wenig bezeugt
ist wie für dessen rom. Fortsetzer, ist die Bed.
‚Kamel‘ erst im Got. aufgekommen (die An-
nahme, dass das Vergleichsmoment ‚großes
Tier‘ gewesen ist, ist nicht beweisbar [vgl. W.
S. Allen, FS Uhlenbeck 1998: 495–501]). In
diesem Fall wäre das Wort in den anderen
germ. Sprachen aus dem Got. entlehnt, wobei
aber die Suffigierung mit *-an- im Westgerm.
unmotiviert ist. Insgesamt scheint daher eine
Entlehnung aus lat. elephās, elephāns kaum
wahrscheinlich. Aus diesem Grund nimmt dann
auch Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 155 eine nicht
direkte Entlehnung des lat. Wortes, also über ei-
ne unbekannte Vermittlersprache, an, wofür es
aber ebenfalls keine Hinweise gibt.
Dagegen wurden die germ. Wörter von J. Puh-
vel, FS Čop 1993: 187–190 (vgl. auch Puhvel
1984 ff.: 3, 425 f.; V. Blažek, in Huld u. a. 2001:
153) mit heth. huwalpant-, das zur Bez. einer
körperlichen Abnormität dient, vielleicht ‚mit
einem Buckel versehen‘, kluw. hulpanzinai-
ma/i- ‚geprägt‘ (dazu wohl auch huwalpana-
tiār- mit unbekannter Bed. und unklarer En-
dung) verbunden (ob als Erbwort oder als Lehn-
wort aus dem Anat. bleibt unklar). Die anat.
Formen lassen sich lautlich auf *h₂bh- zu-
rückführen; im Germ. hätte sich daraus aber
*ulƀ- ergeben. Bei einer etymologischen Ver-
bindung müsste man daher im Germ. mit ei-
ner sonst in dieser Lautfolge nicht vorkom-
menden Resyllabifizierung rechnen. Auch bei
einer Entlehnung aus dem Anat. wäre wohl
kaum *ulƀ- als Resultat zu erwarten, sondern
eher **χual-.
Nicht weiterführend ist die Annahme, dass gr.
ἐλέφᾱς und die Gruppe um got. ulbandus* mit-
einander verwandt und aus der Grundspra-
che ererbt sind (so u. a. P. Kretschmer, AÖAW
88 [1951], 307–325; ders., AÖAW 89 [1952],
191–193 [Annahme eines Paradigmas *lébh :
*bhánt-]; Gamkrelidze-Ivanov 1995: 2, 443
[Vorform *lebhonth-]), da das gr. Wort sicher
entlehnt ist wie das ebenfalls hierher gehöri-
ge Wort heth. lahpa- c. ‚Elfenbein‘ nicht laut-
gesetzlich angebunden werden kann. Es han-
delt sich somit insgesamt um eine Lehnwort-
gruppe.
Falls somit got. ulbandus und Verwandte über-
haupt zu gr. ἐλέφᾱς gehören, ist mit Mallory
1997: 177 zu vermuten, dass die Wörter durch
Lehnbeziehungen miteinander verbunden sind.
Wie diese Lehnbeziehungen geartet sind, lässt
sich jedoch nicht mehr ausmachen.
Aus dem Germ. (wohl aus dem Got. [nicht mög-
lich ist eine Entlehnungsrichtung vom Slaw.
ins Germ., wie B. Jülg, ZVSp 4 (1855), 207–
210] annimmt) wurde das Wort mit volksety-
mologischer Umgestaltung in slaw. velь- ‚groß‘
und blǫditi ‚umherirren‘ als urslaw. *velьbǫdъ
m. ‚Kamel‘ entlehnt, fortgesetzt in aksl. velь-
bǫdъ, velьblǫdъ, aruss. velbludъ, velbudъ, velь-
bludъ, verьbludъ, russ. verbljúd, ukrain. ver-
bljúd, poln. wielbłąd, wielbrąd, atschech. vel-
blúd, tschech. velbloud (daraus entlehnt in
osorb. wjelbłud), slowen. velblòd (sämtlich mit
der Bed. ‚Kamel‘).
In das Balt. gelangte das Wort über slaw. Ver-
mittlung, und zwar lit. velbliúdas ‚Kamel‘ aus
dem Russ. und apreuß. weloblundis ‚Maultier‘
(EV 437) aus dem Poln. (die Bed.übertragung
erklärt sich wohl über eine Grundbed. ‚Last-
tier‘).
Das von Gamkrelidze-Ivanov 1995: 2, 443 an-
geführte Wort toch. *alpi- ‚Kamel‘ existiert
nicht.

Frisk, Gr. et. Wb. 1, 493 f.; Chantraine, Dict. ét. gr.² 322;
Beekes, Et. dict. of Gr. 1, 409 f.; Aura Jorro-Adrados
1985 ff.: 1, 240; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. 1, 389; Er-
nout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 194; Thes. ling. lat. 5, 2,
354 ff.; Et. slov. jaz. staroslov. 17, 1042 f.; Snoj, Slov. et.
slov.² 811; Vasmer, Russ. et. Wb. 1, 184; ders., Ėt. slov.
russ. jaz. 1, 293; Schuster-Šewc, Hist.-et. Wb. d. Sorb.
1611; Fraenkel, Lit. et. Wb. 2, 1217; Trautmann, Apreuß.
Spr.denkm. 459; Mažiulis, Apreuß. et. Wb.² 940; Fried-
rich-Kammenhuber, Heth. Wb. 3, 2, 810; Kronasser, Etym.
d. heth. Spr. 184. 187; Tischler, Heth. et. Gl. 1, 327; 2,
14 f.; CHD L-N 12f.; Melchert, Luv. lex. 72. 80. – Ki-
parsky 1934: 213; W. Euler, ZVSp 98 (1985), 89 f.; Ne-
werkla 2011: 113 f.; Pronk-Tiethoff 2013: 147 f.

RS

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