opfarôn, offarôn sw.v. II, seit dem Abr
in zahlreichen Gl. und in MH, O, N, Npg: ‚op-
fern, dienen, verrichten, eine Arbeit ausführen,
(substantiviert) Dienst; aras ponere, delibare,
facere, fungi, holocaustum offerre, hostiam da-
re, immolare, libare, munera reddere, obsequi,
offerre, officium [= opfarôn], sacrificare, ser-
vitium [= opfarôn], turificari‘ 〈Var.: -pp-,
-pph-, -ph(h)-, -bf-, -bph-〉. Die beiden Verben
gehen auf unterschiedliche lat. Entlehnungs-
vorlagen zurück. Ahd. opfarôn setzt, wie die
älteste Bed. ‚eine Arbeit ausführen‘ deutlich
zeigt, lat. operārī ‚werktätig sein, arbeiten, be-
schäftigt sein, einer Beschäftigung obliegen,
ein Opfer verrichten, opfern, der Gottheit die-
nen, bearbeiten, ausarbeiten, verfassen, üben,
ausüben, wirken‘ fort. Ahd. offarôn beruht da-
gegen auf lat. offerre ‚entgegentragen, -brin-
gen, darstellen, (vorsätzlich) zeigen, entgegen-
treten, sich zeigen, sich sehen lassen, er-
scheinen, begegnen, stoßen auf, seine Notdurft
verrichten, kacken, entgegenstellen, aussetzen,
preisgeben, sich weihen, (sich) anbieten, an-
tragen, darbringen, erweisen, zufügen, antun,
Gott schenken, heiligen, weihen, opfern, her-
beiführen, mit sich führen‘. Dabei stammt of-
farôn aus der gallorom.-rhein. Kirchensprache,
opfarôn dagegen aus der süddt. Kirchenspra-
che. Das Überlieferungsgebiet beider Verben
ist in ältester Zeit räumlich verschieden. Wäh-
rend offarôn sich vom rhein. Gebiet bis zum
frk. Isidor findet, ist opfarôn im Südrhein-
frk., Alem. und Bair. bezeugt. Im Bair. erschei-
nen vereinzelt im 9. Jh. Schreibungen mit -ff-,
ebenso wie auch in Hss. aus dem 11.–13. Jh.
Während die späten bair. Lautungen mit -ff-
aus dem Frk. stammen, gibt es für die frühen
Schreibungen keine allgemein akzeptierte Deu-
tung. Entweder haben im frühen Bair. die bei-
den Verben opfarôn und offarôn nebeneinan-
der bestanden, oder die Lautungen sind das Re-
sultat einer Verschiebung von einfachem *-p-
ohne Längung vs. einer Verschiebung von ge-
längtem *-pp- (vgl. dazu das Nebeneinander
von Wortformen wie ahd. kupfar : koffar ‚Kup-
fer‘ [s. kupfar, koffar]; vgl. Müller-Frings
1966–68: 2, 344–346; dagegen ist die Annah-
me von G. Must, IF 93 [1988], 225–236, dass
der Unterschied zwischen -ff- und -pf- auf ei-
nem Unterschied lat. offerre : obferre beruht,
lautlich und morphologisch unwahrscheinlich).
– Mhd. opfern, offern sw.v. (auch oppern) ‚ein
Opfer, als Opfer darbringen, opfern‘, nhd. op-
fern ‚in einer kultischen Handlung jmdn./etw.
einer Gottheit darbringen, hingeben, zugunsten
eines andern / einer Sache etw. Wertvolles hin-
geben, sein Leben für jmdn., etw. hingeben,
ganz einsetzen‘. Die Form mit -ff- ist dagegen
im Nhd. nur noch dialektal vorhanden: lothr.
offern ‚opfern, Opfergeld geben‘, rhein. offern
‚opfern‘.
Ahd. Wb. 7, 98 ff.; Splett, Ahd. Wb. 1, 686; Köbler, Wb.
d. ahd. Spr. 843. 845; Schützeichel⁷ 244. 245; Starck-
Wells 450. 452; Schützeichel, Glossenwortschatz 7, 187.
202; Seebold, ChWdW8 227. 427. 504; ders., ChWdW9
638. 1098; Graff 1, 182 f.; Lexer 2, 158; 3, Nachtr. 335;
Diefenbach, Gl. lat.-germ. 287 (immolare). 326 (libare).
394 (offerre). 506 (sacrificare); Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb.
169 (dare). 318 (immolare). 447 (offerre). 499 (ponere).
559 (reddere). 582 (sacrificare). 682 (turificari); Dt. Wb.
13, 1293 ff.; Kluge²¹ 523; Kluge²⁵ s. v. opfern; Pfeifer,
Et. Wb.² 951. – Follmann, Wb. d. dt.-lothr. Mdaa. 1, 391;
Müller, Rhein. Wb. 6, 357. – G. Müller, PBB 82 (Halle,
1960), 150–162; Müller-Frings 1966–68: 1, 105–107; 2,
340–346; Splett 1976: 217; DRW 10, 325 f.
Lat. operārī ist auch die Basis für as. oppra-
ian sw.v. ‚opfern‘ (belegt ist lediglich 1.sg.ind.
präs. oppraiu) (vgl. auch oppar n. ‚Opfer‘ und
opparfano m. ‚Stola‘), mndd. opperen (neben
op[p]ern) sw.v. ‚als kirchliche Spende geben,
die Opfer darbringen‘; vgl. auch afries. opper-
(in oppermon m. ‚Küster, Handlanger [bei Bau-
arbeiten]‘).
Von lat. offerre stammen des Weiteren: mndd.
offeren (neben offern) sw.v. ‚als kirchliche
Spende geben, (Opfer) darbringen, hingeben‘;
andfrk. offeron sw.v. ‚opfern, ein Opfer brin-
gen, als Opfer anbieten‘, frühmndl. offeren (ne-
ben of[f]ren, [mit proklitischer Präp.] tofferne)
sw.v. ‚opfern, anbieten‘, mndl. offeren sw.v.
‚dss.‘, nndl. offeren sw.v. ‚opfern, schenken‘;
afries. offeria, offaria, offria sw.v. ‚opfern, das
kirchliche Opfergeld bezahlen‘, nwestfries. of-
ferje sw.v. ‚opfern, aufopfern‘, saterfries. of-
ferje sw.v. ‚opfern‘; ae. offrian sw.v. ‚ein Opfer
darbringen, opfern‘, me. (semantisch teils neu
beeinflusst von afrz. of[f]rir) offren (neben off-
re, offri[n], offer[e][n], hoffer, offir[e], offur,
ofre[n], [frühme.] offrie[n], offrian, ofrien, of-
ri[n]) sw.v. ‚als Opfer anbieten, opfern, geben,
anbieten‘, ne. offer sw.v. ‚anbieten, bieten, zei-
gen, andienen, offerieren‘; vgl. auch as. offar
m./n. ‚Opfergabe‘, ebenfalls in den Komp. of-
farmann m. ‚Kirchendiener‘ und offarmelu n.
‚Hostienmehl‘ (das in vielen Wörterbüchern an-
geführte Verb as. offrōn ist offenbar nicht be-
zeugt, obwohl es wegen der mndd. Form sicher
vorauszusetzen ist).
Die nordgerm. sw. Verben aisl., nisl., fär. offra
‚opfern‘, nnorw. ofre ‚dss.‘, ält. ndän. ofræ, of-
feræ, ndän. ofre ‚dss.‘, aschwed., nschwed. off-
ra ‚dss.‘ gehen im Isl., Fär. und Norw. wohl auf
das Engl., im Dän. und Schwed. dagegen wahr-
scheinlich auf das Ndd. zurück (Fischer 1909:
54).
Das Verb verdrängt das ererbte germ. Wort für
‚opfern‘, s. *bluozan, pluozan.
Tiefenbach, As. Handwb. 296. 298; Wadstein, Kl. as.
Spr.denkm. 212; Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 2, 1,
1130 f. 1152; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. 3, 229; ONW
s. v. offeron; VMNW s. v. offeren; Verwijs-Verdam, Mndl.
wb. 5, 33 ff.; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 467; Vries, Ndls.
et. wb. 480; Et. wb. Ndl. Ke-R 447; Boutkan, OFris. et.
dict. 298 f.; Hofmann-Popkema, Afries. Wb. 361. 372;
Richthofen, Afries. Wb. 957. 969; Fryske wb. 15, 174;
Dijkstra, Friesch Wb. 2, 245; Kramer, Seelter Wb. 158;
Holthausen, Ae. et. Wb. 240; Bosworth-Toller, AS Dict.
739 f.; Suppl. 662; eMED s. v. offren v.; Klein, Compr.
et. dict. of the Engl. lang. 2, 1077; eOED s. v. offer v.;
Vries, Anord. et. Wb.² 417; Jóhannesson, Isl. et. Wb.
1102; Fritzner, Ordb. o. d. g. norske sprog 2, 872; Holt-
hausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 214; Magnússon, Ísl.
Orðsb. 685; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 1, 787 f.;
Nielsen, Dansk et. ordb. 310; Ordb. o. d. danske sprog
15, 349 ff.; NOB s. v. ofre; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 2,
725; Svenska akad. ordb. s. v. offra. – W. Braune, PBB
43 (1918), 391 f.; J. Knobloch, Orbis 9 (1960), 427.
Lat. operārī (> italien. operare ‚bewirken, tun,
vollbringen‘, afrz. obrer, ovrer, uvrer, mfrz.,
nfrz. ouvrer ‚arbeiten, ausführen, tun‘, prov.,
span., port. obrar ‚tun, handeln‘) ist von lat.
opus n. ‚Werk, Arbeit‘ (s. uoben) abgeleitet.
Lat. offerre (> sard. offerrere, italien. offrire,
afrz. of[f]rir, nfrz. offrir ‚schenken, anbieten‘)
ist ein Präfixverb aus ob- ‚gegen … hin, nach
… hin, nach … zu, nach‘ und ferre ‚tragen,
bringen‘ (s. beran).
Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. 1, 483 ff.; 2, 217 f.; Ernout-
Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 227 ff. 465 f.; de Vaan, Et. dict. of
Lat. 213 f. 432; Thes. ling. lat. 9, 2, 499 ff. 689 ff.; Nier-
meyer, Med. Lat. lex.² 2, 958. 963; Du Cange² 6, 32 f. 46;
Körting, Lat.-rom. Wb.³ Nr. 6672. 6704; Meyer-Lübke,
Rom. et. Wb.³ Nr. 6043. 6071; Wartburg, Frz. et. Wb. 7,
331 ff. 365 ff.
S. opfar.
RS