ôst(a)ra
Band VI, Spalte 1225
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ôst(a)raAWB f. n-St., in B, GB und seit Abr
in Gl.: ‚Ostern, Osterfest, (im Pl. auch) Oster-
lamm; dies azymorum, paschaVar.: oo-,
ho-. Das Wort kann, wenn es im Pl. steht, mit
Verbalformen im Sg. und Pl. konstruiert wer-
den. – Mhd. oster st./sw.f. ‚Ostern, Osterfest,
Frühling‘, nhd. Ostern n. ‚Fest der christlichen
Kirche, mit dem die Auferstehung Christi ge-
feiert wird‘. Die nhd. Form ist ein aus der mhd.
Zeitbestimmung ze ôstern erstarrter Dat.Pl.

Ahd. Wb. 7, 132 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 691; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 848; Schützeichel⁷ 246; Starck-Wells
453 f.; Schützeichel, Glossenwortschatz 7, 214. 217; See-
bold, ChWdW8 228. 427. 504; ders., ChWdW9 639 f.
1099; Graff 1, 501 f.; Lexer 2, 176; Diefenbach, Gl. lat.-
germ. 415 (pascha); Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 467 (pa-
scha); Dt. Wb. 13, 1371 ff.; Kluge²¹ 526; Kluge²⁵ s. v.
Ostern; Pfeifer, Et. Wb.² 958 f. – Braune-Reiffenstein
2004: § 221 Anm. 5. – HDA 6, 1311–1316. 1341–1352;
LMA 6, 1518–1520; RGA² 22, 334–338.

In den anderen germ. Sprachen entsprechen:
mndd. ōsteren (oesteren, ouͤsteren), ōstern
(oestern, oistern, ostirn) ‚das christliche Oster-
fest am Sonntag nach dem ersten Frühjahrs-
vollmond, Ostersonntag, Osterwoche, Woche
nach Ostern, das jüdische Passahfest am 14.
Nissan‘; ae. ēastre f. ‚Ostern‘ (zu den dialek-
talen [Flexions-]Formen vgl. Brunner 1965:
§§ 276 Anm. 5. 278 Anm. 3; eOED s. v. Easter
n.¹), me. ēster(n) (neben ester, estre[n], as-
ter[n], yestre) ‚Ostern, Ostersonntag, das jüdi-
sche Passahfest‘, ne. Easter ‚Ostern, Osterfest‘:
< urgerm. *astrōn-.
Bei Beda (De Temporum Ratione 15, 9) wird
der Name des Osterfestes auf eine heidni-
sche Göttin Ēostre zurückgeführt: Eostur-mo-
nath, qui nunc paschalis mensis interpretatur,
quondam a dea illorum quae Eostre vocaba-
tur, et cui in illo festa celebrabant, nomen
habuit, a cujus nomine nunc paschale tem-
pus cognominant, consueto antiquae observa-
tionis vocabulo gaudia novae solemnitatis vo-
cantes ‚der Eostur-monath, der heute den zu
Ostern gehörigen Monat bezeichnet, hatte sei-
nen Namen nach einer ihrer Göttinnen, wel-
che Eostre genannt wurde, zu deren Ehren
Feste in diesem Monat gefeiert wurden. Jetzt
benennen sie die zu Ostern gehörige Zeit mit
ihrem Namen, womit die Freuden der neuen
Feierlichkeit mit dem gewohnten Wort der
alten Ehrerbietung angerufen werden‘. Da es
für eine solche Göttin in der germ. Über-
lieferung jedoch sonst keine Hinweise gibt,
bleibt die Aussagekraft umstritten. Entweder
gibt Beda eine reine volksetym. Erklärung des
Wortes ‚Ostern‘, so dass der GN eine Erfin-
dung Bedas wäre (so etwa schon Weinhold
1869: 52: „Die angelsächsische Eostre sieht
nach einer Erfindung Bedas aus“), oder Beda
bewahrt hier eine Altertümlichkeit (so etwa
eOED s. v. Easter n.¹: „This explanation is not
confirmed by any other source, and the god-
dess has been suspected by some scholars to
be an invention of Bede’s. However, it seems
unlikely that Bede would have invented a fic-
titious pagan festival in order to account for a
Christian one“).
Warum das Osterfest offenbar vom Engl. aus-
gehend (unter Verbreitung mit der ags. Mis-
sion) mit diesem Wort bezeichnet wurde, ist
unklar (sonst finden sich im Germ. Kontinu-
anten von entlehntem vulg.lat. pascua ‚Os-
tern‘; vgl. dazu u. a. Müller-Frings 1966–68: 2,
361–364). In der Hauptsache wurden folgende
drei Interpretationen vorgeschlagen:
1. Falls tatsächlich mit dem ae. GN Ēostre zu
rechnen ist, kann ein nach ihr benanntes vor-
christliches Fest im April auf das christliche
Auferstehungsfest übertragen worden sein (vgl.
u. a. A. Kuhn, ZVSp 3 [1854], 449–452; Grimm
[1875–78] 1968: 1, 241).
2. Dagegen nimmt J. Knobloch (Sprache 5
[1959], 27–45; ders. 1986: 49–77) an, dass das
Wort für Ostern ein gallofrk. Bed.lehnwort
nach mlat. albae (paschalis) ‚Ostern‘, eigtl. ‚ös-
terliches Morgenlicht‘ sei, das seit dem 5. Jh.
bezeugt ist (vgl. auch kirchenlat. hebdomada in
albis ‚Osterwoche‘); die Bed. ‚Morgenlicht,
Morgenröte‘ sei im Germ. mit einem zu ‚Osten‘
gehörenden Wort wiedergegeben.
3. Schließlich geht die Annahme eines Bezugs
zu germ. Wasserweihen, für die es im Aisl. den
Ausdruck ausa vatni ‚mit Wasser begießen‘
gibt, auf S. Gutenbrunner, FS Baetke 1966:
122–129 (gefolgt von Udolph 2011) zurück. Da
während des Osterfests die meisten christlichen
Taufen vollzogen wurden, sei das Fest nach der
Wasserbegießung, natürlich in christlicher Um-
deutung, benannt. Jedoch bleibt hier einerseits
unsicher, wie alt der Brauch des ausa vatni ist
(vgl. RGA² 25, 34), andererseits gehören die
zur Stütze angeführten Namen wie MatronenN
(Deae) Austriahenae und PN Austrigildes nicht
zu diesem Etymon, sondern zu ‚Osten‘ (vgl.
RGA² 22, 344; Neumann 2008: 261). Schließ-
lich ist die Übernahme der Bez. der heidnischen
Wasserbegießung für die Taufe, die Udolph
2011: 114 annimmt („Es war kein Problem für
die germanischen Täuflinge, den alten Termi-
nus vatni ausa auf die neue Taufform zu über-
tragen“), unsicher; denn im Aisl., wo der Ter-
minus vatni ausa ausschließlich belegt ist, wird
für die christliche Taufe eben nicht vatni ausa,
sondern das Wort skíra benutzt.

Fick 3 (Germ.)⁴ 6 f.; Kroonen, Et. dict. of Pgm. 43;
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 2, 1, 1202; Holthau-
sen, Ae. et. Wb. 87; Bosworth-Toller, AS Dict. 235;
Suppl. 174; eMED s. v. ēster(n) n.; Klein, Compr. et. dict.
of the Engl. lang. 1, 495; eOED s. v. Easter n.¹. – H.
Thoma, PBB 73 (1951), 242 f.; Müller-Frings 1966–68:
2, 364 f.; Lühr 1982: 470  f. Anm. 2; Green 1998: 351–
353; RGA² 22, 331–334; Udolph 2011 passim; Ringe-
Taylor 2014: 515.

Nach den Interpretationen 1. und 2. gehört ur-
germ. *astrōn- etym. zu urgerm. *asta(-)/ē/ō
adv., adj. ‚osten‘ (s. ôst; dort auch zur weiteren
Etym.), uridg. *h₂es(-s)-to-. Urgerm. *astrōn-
geht somit auf uridg. *h₂es-(s)-t-reh₂-n-
zurück (ähnlich NIL 359: „*h₂as-tr-on-“; un-
zutreffend sind Rekonstrukte wie Kroonen, Et.
dict. of Pgm. 43: „*h₂eus-reh₂-“, bei denen ur-
germ. *-t- auf die Lautentwicklung uridg. *-sr-
> vorurgerm. *-str- zurückgeführt wird).
Nach der 3. Interpretation stammt das Wort von
der Verbalwz. uridg. *h₂es- ‚schöpfen‘, die im
Germ. u. a. in aisl. ausa st.v. ‚gießen, schöpfen‘
fortgesetzt ist (vgl. dazu und weiteren Anbin-
dungen LIV² 275 f.; Kroonen, Et. dict. of Pgm.
43; Seebold, Germ. st. Verben 85).
Semantisch mit 1. und 2. vergleichbar ist die
Bez. für ‚Ostern‘ in ndsorb. jatšy, kaschub. ja-
stry, polab. gôstráy, wenn (gegen u. a. F. Hin-
ze, ZSl 9 [1964], 690; ders., ZSl 19 [1974],
353 f.) diese Wörter keine Lehnwörter aus dem
Germ. während der ags. Mission in Deutsch-
land sind, sondern (mit Schuster-Šewc, Hist.-et.
Wb. d. Sorb. 435) auf einheimischem Wort-
material der Bed. ‚hell‘ beruhen (etwa in ka-
schub. jastroch ‚weiß- und schwarzgefleckter
Ochse‘); dies bleibt aber unsicher.

Walde-Pokorny 1, 27; Pokorny 87; NIL 359; Schuster-
Šewc, Hist.-et. Wb. d. Sorb. 435 f.; Olesch, Thes. ling.
drav.-polab. 1, 340 f.

RS

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