pappula f. ōn-St., seit dem 9. Jh. in zahl-
reichen Gl.: ‚Malve; althaea, asinima, diade-
ma, malva, malva hortensis‘ (Malva silvestris
L.), wênagiu pappula ‚Rosspappel; malva,
siccidorum‘, wildiu pappula ‚Eibisch; malva
agrestis, molaca [= malachē]‘, wênagiu pap-
pula ‚Malve; malva, siccidorum‘ 〈Var.: b-; -e-,
-o-; -p-, -bb-; -ila, -ile, -ala, -el(l)a-, -el(e),
-ulla〉. Das Wort ist aus nachklass. lat. pap-
pulus m./f. ‚Blüte der Distel‘ entlehnt (s. u.; dort
auch zum Benennungsmotiv). – Mhd. papele,
papel, auch pappel, bappel, popel, poppele
sw.f. ‚Malve‘, frühnhd. pappel f. zur Bez. ver-
schiedener Malvenarten. Aufgrund von Homo-
nymie mit der Baumbezeichnung Pappel (s.
papilboum) wurde das Wort hochspr. aufgege-
ben, ist aber dialektal noch erhalten. Außer der
Malve werden mit dem Wort mitunter auch
andere Pflanzen mit auffallend farbiger Blüte
bezeichnet: schweiz. pappelen f. für verschie-
dene Malvenarten, chǟs-pappelen f. ‚Malve‘ (Be-
nennungsmotiv sind hier die plattgedrückten
Früchte, die der Form nach einem Handkäse äh-
neln; vgl. Marzell [1943–79] 2000: 3, 38), els.
bapplen pl. ‚niedere Malve‘, bad. pappel f.
‚Malve, Pestwurz‘, schwäb. pappel f. ‚verschie-
dene Malvenarten, Huflattich, Gamander-Eh-
renpreis‘, bair. pappel ‚Betonien-Rose, Pfingst-
rose‘, bair.-öster. pappel, pabel f. ‚Malve,
Pfingstrose, Eibisch, Trollblume‘, tirol. pàppel
f. ‚Malve, Betonien-Rose‘, pfälz. pappel f. ‚See-
rose, Feigwurz, Scharbockskraut‘, nassau. pap-
pel f. ‚Sumpfhahnenfuß‘, südhess. käse-pappel
f. ‚Malve‘, hess.-nassau. pappel f.? ‚Sumpfdot-
terblume‘, thür. pappel f. ‚Löwenzahn, Pfingst-
rose‘, osächs. pappel f. ‚Malve, Trollblume, Sa-
menkrone vom Löwenzahn‘, märk. pappel f.
‚Wilde Malve, Weg-Malve‘, schles. pappel f.
‚Malve, Pfingstrose‘, siebenbürg.-sächs. pap-
pel f. ‚Käsepappel‘, meckl. pöppel f. ‚Ross-,
Käsepappel‘ (Malva silvestris L., Malva vulga-
ris L.), als KVG z. B. in rhein. pappel-blume f.
‚Sumpfdotterblume‘, pappel-mütze f. ‚Eisenhut‘.
Ahd. Wb. 7, 204 ff.; Splett, Ahd. Wb. 1, 697; Köbler, Wb.
d. ahd. Spr. 854; Schützeichel⁷ 248; Starck-Wells 457.
XLV; Schützeichel, Glossenwortschatz 7, 236 ff.; See-
bold, ChWdW9 644. 1084; Graff 3, 321; Lexer 2, 203;
Frühnhd. Wb. 2, 1947 f.; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 21
(alcea). 180 (diadema). 344 (malache). 345 (malua); Dt.
Wb. 1, 1120 (Bappel); 13, 1443 (Pappel¹); Kluge²¹ 530
(Pappel¹); Kluge²⁵ s. v. Pappel²; Pfeifer, Et. Wb.² 968
(Pappel¹). – Heyne 1899–1908: 3, 227 f. (aus Stängeln
der Malve gewonnene Gespinstfasern wurden zu Klei-
dung verarbeitet, aus den Blüten wurde weinrote Farbe
hergestellt); Marzell, a. a. O. 3, 32–50; Sauerhoff 2001:
394–396. – Schweiz. Id. 4, 1415 f.; Martin-Lienhart, Wb.
d. els. Mdaa. 2, 67; Ochs, Bad. Wb. 1, 116 (Pappel¹);
Fischer, Schwäb. Wb. 1, 627 (Pappel²); 6, 2 Nachtr. 1589;
Schmeller, Bayer. Wb.² 1, 399; Kranzmayer, Wb. d. bair.
Mdaa. in Österr. 2, 289 ff. (Pappel²); Schöpf, Tirol. Id.
487; Schatz, Wb. d. tirol. Mdaa. 1, 47; Müller, Rhein. Wb.
6, 507; 9, 1367; Christmann, Pfälz. Wb. 1, 565; Kehrein,
Volksspr. u. Wb. von Nassau 302; Maurer-Mulch, Süd-
hess. Wb. 3, 1164; Berthold, Hessen-nassau. Volkswb. 2,
546 (Pappel²); Spangenberg, Thür. Wb. 4, 1001 f. (Pap-
pel²); Frings-Große, Wb. d. obersächs. Mdaa. 3, 336
(Pappel²); Bretschneider, Brandenb.-berlin. Wb. 3, 522
(Pappel²); Mitzka, Schles. Wb. 2, 965; Schullerus, Sie-
benbürg.-sächs. Wb. 8, 242; Wossidlo-Teuchert, Meckl.
Wb. 5, 541 f. (Pöppel²).
Nachklass. lat. pappulus m./f. (mit typischer
mlat. Genusvarianz m./f.; vgl. Stotz 1996–2004:
4, 8 § 7) erscheint sonst nur im Ndd. und Ndl.
als: as. pappila, pappula f. ō-St. ‚Malve, Ross-
pappel‘, mndd. poppele f. ‚Wilde Malve‘; früh-
mndl. pappele f. ‚Malve‘, mndl., nndl. pappel f.
‚dss.‘. Aus dem Frühnhd. ist nschwed. pappel
‚Malve‘ (um 1640) entlehnt. Bei nachklass. lat.
pappulus m. ‚Blüte der Distel‘ handelt es sich
um eine Diminutivbildung zu klass. lat. pappus
m. ‚Samenkrone, Kreuzwurz‘ mit Bedeutungs-
verengung von ‚Samenkrone‘ zu ‚Distel‘ auf-
grund der auffälligen Samenkrone der Distel.
Die Verwendung des Lehnwortes zur Bez. der
Malva silvestris erklärt sich jedoch nicht aus
der Form, sondern aus der lila Farbe der Blüte,
die sowohl für die wilden Disteln als auch die
Malva silvestris charakteristisch ist. Zur Be-
stimmung von ahd. pappula als Malva silves-
tris s. B. Schlerath, Kratylos 33 (1988), 124.
Das Benennungsmotiv, nämlich die gemeinsa-
me Farbe der Blüte, findet sich beispielswei-
se auch im nhd. dial. Wort Dotter, das nicht
nur den gelb blühenden Leindotter bezeich-
net, sondern auch den gelben Löwenzahn und
die gelbe Trollblume. In den nhd. Dialekten
ist dagegen die Form der Blüte Ausgangspunkt
für die Übertragung auf andere Pflanzen (so
z. B. bei hess.-nassau. pappel ‚Sumpfdotter-
blume‘).
Mit der Annahme der gemeinsamen Blütenfarbe von
Distel und Malve als Benennungsmotiv entfällt das Ge-
genargument von Marzell, a. a. O. 3, 34, dass die Blüten
der Malve keine Samenkrone bilden.
Unwahrscheinlich ist die Herleitung der Subst. aus dem
erst mhd. belegten pappe, peppe st.f. ‚Kinderspeise,
Brei‘ (so Marzell, a. a. O. 3, 34), da der genaue morpholo-
gische Zusammenhang unklar bliebe: Das Suffix -ula bil-
det normalerweise nur deverbale Nomina instrumenti
und Nomina actionis (vgl. Krahe-Meid 1969: 3, § 87, 2.
3). In Frage käme nur eine Diminutivbildung, die wört-
lich ‚Breichen‘ bedeuten würde. Die Benennung einer
Blume als ‚Breichen‘ bleibt trotz ihrer Verwendung für
die Zubereitung von Breiumschlägen ohne Parallelen.
Auch die Annahme einer Adjektivbildung mit dem pro-
duktiven Suffix urgerm. *-ala- (so Siewert 1986: 93) ist
unwahrscheinlich, da die Malve zwar zur Zubereitung
von Brei gebraucht wurde, selbst aber nicht breiig ist.
Tiefenbach, As. Handwb. 303; Wadstein, Kl. as. Spr.-
denkm. 213; Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 2, 2, 1626
(poppele¹); VMNW s. v. pappele; Verwijs-Verdam, Mndl.
wb. 6, 122; Svenska akad. ordb. s. v. pappel.
Lat. pappus m. ‚alter Mann, Großvater, Samen-
krone, Kreuzwurz‘ ist aus gr. πάππος m. ‚Vor-
fahre, Großvater; Bart, Bartflaum, Samenkro-
ne‘, einem sekundären m. o-St. zum kinder-
sprachlichen Lallwort πάππα ‚Vater‘, entlehnt.
Für weitere idg. Anschlüsse s. bâbes, pfaffo.
Mit der Bed. ‚Bart, Bartflaum‘ liegt eine meto-
nymische Übertragung des Hauptmerkmals ei-
nes älteren Mannes vor. Ausgehend von ‚Bart‘
wird das Subst. aufgrund der perzeptuellen Si-
milarität auch zur Bez. der Samenkrone ver-
wendet (vgl. z. B. lat. barba ‚Bart‘ und ‚silber-
blättrige Wollblume‘).
Lat. pappus ist innerhalb des Rom. nur in mfrz.,
nfrz. pappe m. ‚Samenkrone, Distelblüte‘ fort-
gesetzt.
Walde-Pokorny 2, 4; Pokorny 789; Frisk, Gr. et. Wb. 2,
471 f.; Chantraine, Dict. ét. gr.² 825; Beekes, Et. dict. of
Gr. 2, 1150; Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 480; Thes. ling.
lat. 10, 1, 256 f.; Wartburg, Frz. et. Wb. 7, 589.
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