perala, perla f. ō(n)-St., seit der 2. Hälf-
te des 9. Jh.s in Gl. und in NBo: ‚Perle, Edel-
stein; baca, berillus [= beryllus], calculus, con-
cha, dragma [= drachma], gemma nivea, lapil-
lus, margarita, unia‘ 〈Var.: b-; -ula, -ela, -ola;
-e〉. Das Wort ist aus mlat. perula ‚kleine Birne,
Perle‘ entlehnt (s. u.). – Mhd. berle, perle st.f.
‚Perle‘, sprw. swer berlîn schüttet für diu swîn
diu mugen niht lange reine sîn ‚wenn irgendwer
Perlen vor die Schweine wirft, so bleiben die
nicht lange rein‘ (nach Mt. 7, 6 neque mittatis
margaritas vestras ante porcos), frühnhd. perle
f., häufiger dimin. perlein n. ‚Perle‘, übertr.
‚Auge auf einem Würfel, Weintraube‘, nhd.
Perle f. ‚glänzendes, von Perlmuscheln um
einen eingedrungenen Fremdkörper gebildetes
Kügelchen aus kohlensaurem Kalk, das als
Schmuck verwendet wird, perlenförmiges Ge-
bilde aus Glas, Holz, Kunststoff usw., Juwel‘,
Perlen vor die Säue werfen ‚Edles, Schönes
jmdm. bieten, der es nicht zu würdigen weiß‘.
Ahd. Wb. 7, 218 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 1228; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 855; Schützeichel⁷ 249; Starck-Wells
458; Schützeichel, Glossenwortschatz 7, 244 f.; Seebold,
ChWdW9 644. 1099; Graff 3, 347; Lexer 1, 194; 3, Nach-
tr. 64; Frühnhd. Wb. 3, 1511 ff.; Diefenbach, Gl. lat.-
germ. 72 (berillus). 349 (margarita). 627 (unio); Götz,
Lat.-ahd.-nhd. Wb. 286 (s. v. gemma). 687 (unio); Dt.
Wb. 13, 1547 ff.; Kluge²¹ 538; Kluge²⁵ s. v. Perle; Pfeifer,
Et. Wb.² 990. – Röhrich 2003: 2, 1148–1150; Friedrich
2006: 117. – Hirt 1921: 201; Lüschen 1979: 289 f.; LM
6, 1891 f.; RGA² 22, 564–587.
Das mlat. Subst. ist auch in as. perula f. ‚Perle‘,
mndd. parle, perle ‚Perle, Gerstenkorn am Au-
ge‘ und nwestfries. pearel m./f. ‚Perle‘ ent-
lehnt. Über frz. Vermittlung gelangt mlat. pe-
rula ins Ndl. und Engl.: frühmndl., mndl. perle
f. ‚Perle‘, nndl. parel, paarl, perel f. ‚Perle‘,
übertr. ‚hübsche Frau‘; me. prl(e) ‚Perle, et-
was Wertvolles, Pupille, Linse‘, ne. pearl ‚Pu-
pille, Linse, Perle, eine wertvolle Sache, eine
schöne Person‘.
Aus dem Mndd. stammen die nordgerm. Lehn-
wörter: nisl. perla ‚Perle, kleine Glaskugel,
Schmuck‘, ndän. perle ‚dss.‘, nnorw. (nn.)
perla m./f. ‚Perle, Glaskugel‘, (bm.) perle m./
f. ‚dss.‘, nschwed. pärla f. ‚Perle, Schmuck-
stück‘.
Tiefenbach, As. Handwb. 305; Wadstein, Kl. as. Spr.-
denkm. 213; Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 2, 1,
1395 f.; VMNW s. v. perle; Verwijs-Verdam, Mndl. wb.
6, 279 f.; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 490; Vries, Ndls. et.
wb. 506 f.; Et. wb. Ndl. Ke-R 500 f.; Fryske wb. 16, 233;
Dijkstra, Friesch Wb. 2, 345; eMED s. v. prl(e) n.²;
Klein, Compr. et. dict. of the Engl. lang. 2, 1144; eOED
s. v. pearl n.¹; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 1113; Fritzner,
Ordb. o. d. g. norske sprog 2, 935; Magnússon, Ísl.
Orðsb. 707; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 2, 821 f.;
Nielsen, Dansk et. ordb. 322; Ordb. o. d. danske sprog
16, 684; Torp, Nynorsk et. ordb. 486; NOB s. vv. (nn.)
perla, (bm.) perle; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 2, 805;
Svenska akad. ordb. s. v. pärla.
Mlat. perula f. ‚kleine Birne, Perle, das Weiße
im Auge‘ ist eine mlat. Diminutivbildung mit
dem Suff. -ulo- zu dem Subst. lat. pirum ‚Bir-
ne‘; zur Lautung mit e anstelle von i vgl. Stotz
1996–2004: 3, 7 § 28, 4. Der Gebrauch des
Wortes zur Bez. der Perle geht auf die bir-
nenförmige Gestalt der Schmuckperlen zurück,
die bereits Plin. nat. 9, 113 folgendermaßen be-
schreibt: elenchos appellant fastigata longitu-
dine alabastrorum figura in pleniorem orbem
desinentes. „(Die Muscheln) nennt man elen-
chi, die, wie die in der Länge spitz zulaufende
Gestalt der birnenförmigen Salbenfläschchen,
in einem volleren Kreis enden.“ (vgl. GP 14,
1685). Das f. Genus erklärt sich dabei aus
analogischem Einfluss des deutlich häufigeren
Begriffs lat. margarīta f. ‚Perle‘. Zur Etymo-
logie von lat. pirum s. bira. Mlat. perula f. ist in
der Bed. ‚Perle‘ auch in den rom. Sprachen gut
bezeugt: frz. perle f. ‚Kugel aus weißem Sil-
ber, Austernperle, Perle‘, italien. perla f. ‚Perle,
Glaskugel‘, katal. perla f. ‚Perle‘, span. perla f.
‚dss.‘, port. perola f. ‚dss.‘.
Die u. a. von Et. wb. Ndl. Ke-R 500 f. und Wart-
burg, Frz. et. Wb. 8, 253 ff. vorgeschlagene
Herleitung von mlat. perula aus perna f. ‚Hin-
terkeule, Hinterschinken, Muscheln‘ ist sowohl
lautlich als auch semantisch unwahrscheinlich:
Das bei einer Ableitung von perna zu erwar-
tende *pernula hätte in Analogie zu lat. sphae-
rula f. ‚kleines Kügelchen‘ (von sphaera) um-
gebildet werden müssen. Auch wäre eher eine
Bedeutung ‚kleine Muschel‘ als ‚Perle‘ zu er-
warten.
Bei lat. perna zur Bez. der Muschel handelt es sich um
die Muschelart, die senkrecht an Felsen und an Steinen
im Sand am Meer wächst: appellantur et pernae con-
charum generis, circa Pontias insulas frequentissimae.
stant velut suillum crus e longo in harena defixae hiantes
que, […] (Plin. nat. 32, 154) „(Diese) von der Muschelart
werden pernae genannt, besonders häufig um die ponti-
schen Inseln herum. Sie stehen wie ein Schweineschen-
kel der Länge nach im Sand eingesteckt und aufgesperrt,
[…]“.
Das Subst. dt. Perle wird schließlich von ei-
nigen slaw. Sprachen entlehnt: poln. perła f.
‚Perle‘, slowak. perla f. ‚Perle‘, slowen. pér-
la f. ‚dss.‘, serb., kroat. pérla f. ‚Perle, Wein-
traube‘ (vgl. Striedter-Temps 1958: 172; dies.
1963: 193; Rudolf 1991: 110). Im Russ. fin-
det Mehrfachentlehnung des Subst. statt: Wäh-
rend nämlich russ. pérl m., ält. pérlo n. aus frz.
perle übernommen ist, geht russ. dial. pérla
f. ‚dss.‘ auf dt. Entlehnung zurück. Auch ins
Balt. wird mlat. perula indirekt vermittelt: lit.
perlà ‚Perle‘ (aus poln. perła), lett. pẽrle ‚dss.‘
(aus ndd. Perle). Aus dem Me. sind ir. pérla
‚Perle‘ und kymr. perl m. ‚dss.‘ übernommen.
Eine frz. Entlehnungsgrundlage hat jedoch bret.
perles pl. ‚Perlen‘.
Thes. ling. lat. 10, 1, 1580 f.; Niermeyer, Med. Lat. lex.²
3, 1036; Du Cange² 6, 290; Wartburg, Frz. et. Wb. 8,
253 ff.; Bezlaj, Et. slov. slov. jez. 3, 26; Snoj, Slov. et.
slov.² 507; Vasmer, Russ. et. Wb. 2, 342; ders., Ėt. slov.
russ. jaz. 3, 242; Fraenkel, Lit. et. Wb. 1, 576; Mühlen-
bach-Endzelin, Lett.-dt. Wb. 3, 209; Hessens Ir. Lex. 2,
181; Dict. of Irish P-182; Dict. of Welsh 3, 2775;
Deshayes, Dict. ét. du bret. 573.
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