pfâo m. an-St., seit dem 1. Viertel des
9. Jh.s in zahlreichen Gl.: ‚Pfau; ales Iunonius,
avis tincta, pavo, pavus, zamzit, -ziz [lingua
ignota, Hildeg.]‘ (pavo cristatus) 〈Var.: f-, ph-,
p-; -aw-, -ah-, -e〉. Die Vogelbez. ist aus gleich-
bedeutendem lat. pāvō m. oder eher mlat. pāō
m. entlehnt (s. u.). Die Übernahme hat bereits
vor der 2. Lautverschiebung stattgefunden, da
die obd. Belege regelmäßig anl. pf- zeigen.
Dem mfrk. Lautstand entsprechend sind anl.
p- z. B. in Gl. 1,430,42 (12. Jh.), 3,347,33
(11. Jh.), 4,356,15 (9. Jh.) nicht verschoben. In
jüngeren Gl. recht häufig auftretendes -w- (z. B.
Gl. 3,283,59 pfauuo [Anfang des 12. Jh.s]. 464,
21 phawe [Ende des 12. Jh.s]) gibt nicht, wie
Suolahti [1909] 2000: 225 vermutet, den erhal-
tenen lat. Gleitlaut -v- wieder, sondern ist ei-
ne jüngere Neubildung (vgl. Neuß 1973: 132).
Das zeigen die ältesten Belege phao in Gl.
3,10,42 (1. Viertel des 9. Jh.s, bair.), peo in Gl.
1,430,42 (2. Drittel des 9. Jh.s), fao in Gl. 2,8,20
(10. Jh., alem.) ohne -w- und Formen mit dem
Gleitlaut -h- (anstelle von -w-) wie in Gl. 1,431,
51 faho (9./10. Jh., alem.). 439,5 pfaho (12. Jh.,
bair.). Im Kapitular Karls des Großen gehört
der ‚Pfau‘ zu den Ziervögeln, die „pro dignitas
causa“ gehalten wurden. – Mhd. pfâwe, pfâw
sw.m. ‚Pfau‘, frühnhd. pfau m., bis ins 17. Jh.
auch die Graphien pfaw(e), pfab(e) ‚Pfau‘, nhd.
Pfau m. ‚großer, auf dem Boden lebender Hüh-
nervogel, bei dem das männliche Tier ein far-
benprächtiges Gefieder und lange gezierte, zu
einem Rad aufrichtbare Schwanzfedern be-
sitzt‘. Dialektal begegnen häufig Formen mit
verdeutlichendem ‚Hahn‘: z. B. els. pföuhahn,
rhein., pfälz., hess.-nassau., thür. pfauhahn, süd-
hess. pfau(en)hahn.
Ahd. Wb. 7, 237 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 701; Köbler, Wb.
d. ahd. Spr. 857; Schützeichel⁷ 249; Starck-Wells 460.
XLV; Schützeichel, Glossenwortschatz 7, 258 f.; Berg-
mann-Stricker, Katalog Nr. 52. 223. 303. 337. 339. 600
(II). 763. 836. 926; Seebold, ChWdW9 645. 1099; Graff
3, 355; Lexer 2, 231; Frühnhd. Wb. 4, 83 f.; Diefenbach,
Gl. lat.-germ. 418 (pavo, pavus); Dt. Wb. 13, 1626 ff.;
Kluge²¹ 541; Kluge²⁵ s. v. Pfau; Pfeifer, Et. Wb.² 995. –
Suolahti [1909] 2000: 224–226. – Martin-Lienhart, Wb.
d. els. Mdaa. 1, 341; Müller, Rhein. Wb. 6, 680; Christ-
mann, Pfälz. Wb. 1, 801 f.; Maurer-Mulch, Südhess. Wb.
1, 781; Berthold, Hessen-nassau. Volkswb. 2, 586; Span-
genberg, Thür. Wb. 4, 1074.
Lat. pāvō ist auch in mndd. pāwe m. ‚Pfau, Fa-
sanenvogel‘, mndl. pau m. ‚Pfau‘, nndl. pauw
m. ‚Pfau, Sternbild in der südlichen Hemisphä-
re‘; nwestfries. pau m./f. ‚Pfau, Vogelfigur‘
und saterfries. pau ‚Pfau‘ entlehnt. Im Gegen-
satz zum Ahd. lassen diese Belege keine Ent-
scheidung zwischen einer Entlehnung aus mlat.
pāvō einerseits oder pāō andererseits (mit re-
gulärem Verlust des zwischenvokalischen v
in der Position vor dunklem Vokal [vgl. Stotz
1996–2004: 3, 7 § 109, 2]) zu.
Dagegen sind ae. pāwa m. ‚Pfau‘ und pāwe f.
‚Pfau‘ sicher aus dem Nom.Sg. lat. pāvō über-
nommen (mit lautgesetzlich unterbliebener Ent-
wicklung von ā zu ǣ vor w; vgl. Brunner 1965:
§ 63). Daneben steht mit ae. pēa, me. pō (im
Me. auch im verdeutlichenden Komp. pō-cok,
ne. peacock ‚Pfau‘) eine Rückbildung aus dem
Akk.Sg. ae. *pawun, das seinerseits aus der ob-
liquen Form lat. pāvōn- entlehnt ist (vgl. Brun-
ner 1965: § 128 Anm. 3). Auf einer Neuentleh-
nung aus dem Mfrz. basieren dann me. poun(e)
‚Pfau‘ und ne. pawn ‚dss.‘. Ae. pāwa m. ‚Pfau‘
erscheint sehr früh auch in den nordgerm. Spra-
chen: aisl. pái m. ‚Pfau‘, pá-fugl m. ‚dss.‘, nisl.
pá(i), páfugl ‚Pfau‘, adän. poofwl m. ‚dss.‘,
ndän. på-fugl m. ‚dss.‘, nnorw. på-fugl m. ‚dss.‘,
nschwed. på-fågel m. ‚Pfau‘. Der Pl. nschwed.
påvis ‚Pfau‘ zeigt jedoch die bei den ndl. Aus-
siedlern in Amerika entstandene Weiterbildung
nndl. pauwies pl. ‚Pfaue‘ (zu mndl. pauw). Die
direkte Übernahme des lat. Wortes ins Ae., oh-
ne frz. Vermittlung, spricht für eine frühe Über-
nahme in die germ. Sprachen.
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 2, 1, 1421 f.; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. 3, 311f.; Verwijs-Verdam, Mndl. wb.
6, 200; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 493; Vries, Ndls. et.
wb. 511; Et. wb. Ndl. Ke-R 515 f.; Fryske wb. 16, 227;
Dijkstra, Friesch Wb. 2, 345; Kramer, Seelter Wb. 166;
Holthausen, Ae. et. Wb. 245; Bosworth-Toller, AS Dict.
772; eMED s. vv. pō-cock n., poun(e) n.²; Klein, Compr.
et. dict. of the Engl. lang. 2, 1143; eOED s. vv. pawn n.²,
†pea n.¹, peacock n. and adj.; Vries, Anord. et. Wb.² 422;
Jóhannesson, Isl. et. Wb. 1106; Fritzner, Ordb. o. d. g.
norske sprog 2, 923; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord.
218; Magnússon, Ísl. Orðsb. 698; Falk-Torp, Norw.-dän.
et. Wb. 2, 809; Nielsen, Dansk et. ordb. 336; Ordb. o. d.
danske sprog 16, 287 f.; Torp, Nynorsk et. ordb. 485;
Hellquist, Svensk et. ordb.³ 2, 802; Svenska akad. ordb.
s. v. påvis. – Suolahti [1909] 2000: 224 f.
Lat. pāvō m. ‚Pfau, heiliger Vogel der Juno‘
(mit den Stammalternanten pāvus m., pāva f.)
ist wahrscheinlich ebenso wie gr. ταώς, ταῶς m.
‚Pfau, Name eines Fisches, der die Schuppen-
farbe eines Pfaus hat‘ (neben ταὧς und ταών)
aus einer orientalischen Sprache übernommen,
worauf auch das Schwanken der Stammbildung
und die variierende Akzentuierung im Gr. deu-
ten. Der Anlaut des lat. Wortes ist dabei onoma-
topoetisch beeinflusst (vgl. lat. paupulāre ‚den
Ruf eines Pfaus machen‘; vgl. Walde-Hof-
mann, Lat. et. Wb. 2, 267. 268). Die Einführung
des Pfaus fand im antiken Griechenland über
die Insel Samos statt, einem Kontaktgebiet mit
den Phöniziern (vgl. GP 19, 1415). Daher ist
die Annahme eines phöniz. Lehnwortes nahe-
liegend (vgl. Lewy 1895: 10): Möglicherweise
ist das Wort also einer Wendung ṣippōr taʼawah
‚Vogel des Gelüstes, begehrenswerter Vogel‘
entnommen (Lewy 1895: 11), denn dieser Vo-
gel wurde v. a. wegen seiner Schönheit bewun-
dert (vgl. GP 19, 1419). Gr. ταώς ist weiterhin
Entlehnungsbasis für arab. ṭāūs ‚Pfau‘ (vgl.
Fraenkel [1886] 1962: 118). Lautlich unmög-
lich ist aber die Erklärung des Wortes als Lehn-
wort aus hebr. tukkīyīm ‚Pfau‘ oder alttamil.
togai, toghai ‚dss.‘ (so GP 19, 1414).
Lat. pāvō m. wird in seiner obliquen Form auch
von den rom. Sprachen italien. pavone ‚Pfau,
eitle Person‘, rum. păun ‚Pfau‘, span. pavo
‚dss.‘, afrz. poun ‚dss.‘ und mfrz., nfrz. paon
‚dss.‘ fortgeführt. In den kelt. Sprachen über-
nimmt nur kymr. paun ‚Pfau‘ das lat. Subst.,
während bret. pan, paoun aus dem Frz. und ir.
pécóg f. ‚Pfau‘ aus dem Ne. entlehnt sind (vgl.
Haarmann 1970: 125; ders. 1973: 132). Auch in
den balt. Sprachen zeigen sich verschiedene
Entlehnungsgrundlagen: lit. póvas ‚Pfau, auf-
geblasene, dünkelhafte Person‘ aus wruss. oder
poln. paw(a) ‚Pfau‘, lett. pàvs ‚dss.‘ aus mndd.
pāwe und apreuß. powis ‚dss.‘ aus dem Mndd.
oder Poln. Mndd. pāwe zeigt sich auch in estn.
pawi ‚Pfau‘. Die slaw. Sprachen bezeugen da-
gegen einen sehr frühen Entlehnungsprozess
aus dem mfrk. unverschobenen pāwo (s. o.):
osorb., ndsorb. paw m. ‚Pfau‘, poln. paw m.
‚dss.‘, tschech. páv m. ‚dss.‘, slowak. páv(a)
m. ‚dss.‘, slowen. pȃv m. ‚dss.‘ (vgl. Striedter-
Temps 1963: 191; Newerkla 2011: 201). Im
Russ. stammt nur die f. Form, nämlich russ. pá-
va f. ‚Pfau‘, aus dem Dt. Das M. russ. pav-
lín m. ‚Pfau‘ ist dagegen eine Übernahme aus
mndd. paw(e)lūn, einer mndd. Angleichung an
das frz. Lehnwort mndd. pavillon ‚Zelt‘ (wegen
der zeltartigen Fiederspannung).
Frisk, Gr. et. Wb. 2, 862; Beekes, Et. dict. of Gr. 2, 1457;
Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. 2, 267; Ernout-Meillet, Dict.
ét. lat.⁴ 490; Thes. ling. lat. 10, 1, 835 ff.; Körting, Lat.-
rom. Wb.³ Nr. 6950; Meyer-Lübke, Rom. et. Wb.³ Nr.
6313; Wartburg, Frz. et. Wb. 8, 83 ff.; Bezlaj, Et. slov.
slov. jez. 3, 15; Snoj, Slov. et. slov.² 499; Vasmer, Russ.
et. Wb. 2, 298; ders., Ėt. slov. russ. jaz. 3, 181. 182; Schus-
ter-Šewc, Hist.-et. Wb. d. Sorb. 1052 f.; Fraenkel, Lit. et.
Wb. 1, 642; Mühlenbach-Endzelin, Lett.-dt. Wb. 3, 191;
Trautmann, Apreuß. Spr.denkm. 407; Mažiulis, Apreuß.
et. Wb.² 754; Hessens Ir. Lex. 2, 180; Dict. of Irish P-179;
Dict. of Welsh 3, 2703; Deshayes, Dict. ét. du bret. 563.
MK/LS