pfiesal m. a-St., Gl. 3,10,49 (1. Viertel
des 9. Jh.s, bair.) und weitere Gl., mehrfach
im SH: ‚heizbarer Raum; bisle (rom.), domus
quae calefieri potest, hypocaustum, pisale,
pyrale, zeta [= diaeta] hiemalis‘ 〈Var.: phes-,
phies-, pfis-, peis-, pias-, pis-, fies-, fis-; -el,
-eil〉. Das Wort ist aus mlat. pisalis, pisale
‚(von unten) geheiztes Gemach‘ entlehnt (s. u.).
Wahrscheinlich hat auch die lautliche Varian-
te lat. pensilis ‚dss.‘ (s. u.) eine Rolle gespielt,
wie die Graphie mit -ns- in phinsel (Gl. 3,251,
55, Wien 2400, Anfang des 13. Jh.s) nahe-
legt. – Mhd. pfiesel st.m./n. ‚heizbares Frauen-
gemach‘, frühnhd. pfiesel m. ‚(stark geheizter)
Trockenraum in Salzsudwerken‘, nhd. mdartl.
bair. pfiesel f. ‚(stark geheizter) Trockenraum
in Salzsudwerken‘, steir. pfiesel ‚Trockenraum
in Salzsudwerken, heizbare, geheizte Stube‘,
thür. pesel ‚Gefängnis, Zuchthaus‘ (Genus un-
klar, aus der Musikantensprache), schlesw.-hol-
st. pesel, selten pisel m. ‚großer Raum im hinte-
ren Teil des Bauernhauses, Wohnraum für grö-
ßere Festlichkeiten‘, meckl. pisel n. ‚Stube im
Bauernhaus‘. Die norddt. Form Pesel m. ‚präch-
tig ausgestatteter Hauptraum bes. des nord-
fries. Bauernhauses‘ (vgl. Königspesel auf Hal-
lig Hooge) wurde durch Th. Storm literarisch.
Als Bez. für den heizbaren Raum wurden neben ahd.
pfiesal noch keminâta (s. d.), stuba (s. d.) und turnizza
(s. d.) verwendet. Urspr. unterschieden sich die Raum-
bez. wahrscheinlich in der Heiztechnik: pfiesal – Unter-
heizung (s. u.), keminâta – Kamin, stuba – Ofen, für tur-
nizza fehlen Anhaltspunkte, vielleicht auch Ofen.
Ahd. Wb. 7, 260 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 1228; Köbler, Wb.
d. ahd. Spr. 858; Schützeichel⁷ 250; Starck-Wells 461.
XLV; Schützeichel, Glossenwortschatz 7, 272; Berg-
mann-Stricker, Katalog Nr. 337. 945; Seebold, ChWdW9
646. 1031. 1099; Graff 3, 347. 352; Lexer 2, 243; Früh-
nhd. Wb. 4, 156; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 437 (pisale,
pirale); Dt. Wb. 13, 1696. 1868 (pisel, pesel); Kluge²¹
539 (Pesel); Kluge²⁵ s. v. Pesel. – Heyne 1899–1908: 1,
122 f. – Schmeller, Bayer. Wb.² 1, 442; BWB 2, 570 f.;
Kranzmayer, Wb. d. bair. Mdaa. in Österr. 3, 57; Unger-
Khull, Steir. Wortschatz 76; Spangenberg, Thür. Wb. 4,
1052; Mensing, Schleswig-holst. Wb. 3, 997 ff.; Wossid-
lo-Teuchert, Meckl. Wb. 5, 437.
Das lat. Subst. ist in den anderen westgerm.
Sprachen gut bezeugt: as. pēsal m. ‚(Back-)
Ofen, beheizbarer Wohnraum; furnus‘, mndd.
pīsel, pēsel m. ‚Schlot, Schornstein, heizba-
rer Wohnraum‘; andfrk. pisla m. ‚beheizbarer
Raum, Küche, Getreidespeicher‘, mndl. pisel m.
‚beheizbarer Raum, Küche‘, nndl. pijzel m. ‚be-
heizbarer Raum, Küche, Getreidespeicher‘;
afries. pīsel m. ‚Wohnstube‘, nwestfries. (veralt.)
pizel m./f. ‚Küche, Empfangsbereich‘; ae. pisle
f. ‚beheizbarer Wohnraum‘. Aus dem Mndd.
sind, wahrscheinlich mit analogischem Einfluss
des ebenfalls übernommenen mndd. Wortes,
schwed. spis ‚Speise‘ und dän. spise ‚dss.‘ (s.
spîsa), ält. dän. (s)pisel m. ‚beheizbare Stube‘,
nnorw. (bm./nn.) (s)peis m. ‚Herd, gemauerte
Feuerstelle‘ und nschwed. spis(el) m. ‚Kamin,
Herd‘ entlehnt (vgl. Törnqvist 1977: 94).
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 2, 1, 1537 f.; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. 3, 332; ONW s. v. pisla; Verwijs-Ver-
dam, Mndl. wb. 6, 383; Vries, Ndls. et. wb. 520; Hof-
mann-Popkema, Afries. Wb. 384; Richthofen, Afries. Wb.
978 f.; Fryske wb. 16, 338; Dijkstra, Friesch Wb. 2, 358;
Holthausen, Ae. et. Wb. 247; Bosworth-Toller, AS Dict.
774; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 2, 820; Ordb. o. d.
danske sprog 16, 876; Torp, Nynorsk et. ordb. 485; NOB
s. v. (nn./bm.) peis; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 2, 1045;
Svenska akad. ordb. s. v. spisel.
Die westgerm. Sprachen zeigen einheitlich
das im Mlat. substantivierte Adj. mlat. pēsilis
‚beheizbarer Raum‘ neben pīsilis ‚dss.‘. Zum
Wechsel von ē und ī im nachklass. Lat. und
Mlat. vgl. mlat. fici ‚ich machte‘ neben feci
‚dss.‘ (vgl. Stotz 1996–2004: 3, 7 § 13, 1). Bei
pīsilis/pēsilis handelt es sich um Var. des Adj.
klass. lat. pēnsilis, welches den im nachklass.
Lat. und Vulg.lat. üblichen Schwund des Na-
sals vor s zeigt (vgl. Leumann [1926–28] 1977:
§ 152). Das n ist jedoch in der Schriftsprache
im klass. Lat. meist bewahrt und schwindet erst
zum Mlat. hin. Das Adj. lat. pēnsilis bedeutet
‚hängend, herabhängend‘ und wird schließlich
in der Architektur für Gewölbekonstruktionen
gebraucht. Ab dem 1. Jh. n. Chr. dient das Adj.
zur Bez. des durch einen Hohlraum unter dem
Boden beheizbaren Bades (balinea pēnsilis
[vgl. GP 2, 2748]). Ausgehend von dieser durch
die Bögen im Boden schwebenden Badkon-
struktion wurden solche Hohlräume auch in den
anderen Bereichen des Hauses installiert (vgl.
Wartburg, Frz. et. Wb. 8, 202; Müller-Frings
1966–68: 2, 376). So bezeichnet das Adj. im Mit-
telalter schließlich allgemein beheizbare Räu-
me. Das lat. Wort erscheint auch in einigen
rom. Sprachen: mfrz. poille f. ‚Raum, der durch
einen Ofen beheizt wird‘, siz. pisuli ‚leicht‘, en-
gad. pensla f. ‚Dachtraufe‘.
Lat. pēnsilis ist mit dem deverbativen Adj.-
suffix -ilis von dem Perfektstamm pēns- des lat.
Verbs pendēre ‚hängen, herabhängen‘ abgelei-
tet (vgl. docilis ‚unterrichtbar, gelehrig‘ zu do-
cēre ‚lehren‘; vgl. Leumann [1926–28] 1977:
§ 311). Das Verb ist eine stativische Bildung zu
dem aus dem Idg. ererbten lat. pendō ‚wiege,
beurteile, zahle‘ (vgl. Meiser 2003: 186). Zur
semantischen Entwicklung von ‚ziehen, span-
nen‘ zu ‚wiegen‘ im Lat. vgl. gr. ἕλκω ‚ziehe,
wiege‘. Unsicher bleibt, ob auch umbr. am-
pentu 3.sg.fut.imp. hierher gehört, da keine Be-
deutungsbestimmung möglich ist (vgl. Unter-
mann, Wb. d. Osk.-Umbr. 89 f.). Das Erbwort
setzt die Wz. uridg. *(s)pend- ‚spannen‘ fort,
die verbal sonst nur im Balto-Slaw. mit einer
Bed.entwicklung ‚anspannen‘ > ‚drängen‘ fort-
geführt wird: lit. spéndžiu ‚stelle Fallen, stelle
nach‘, lett. spiêst ‚drücken, drängen‘ (mit lit.
Akut entsprechend der Winterschen Dehnung);
mbulg. pǫditi ‚treiben, jagen‘, russ. púdit’ ‚ver-
treiben, erschrecken, jagen‘, tschech. pudit ‚trei-
ben, veranlassen‘, serb., kroat. púditi ‚jagen‘,
slowen. podíti ‚jagen‘. Daneben tritt die Wz. in
der Indogermania v. a. nominal auf: aksl. pędь
f. ‚Spanne (als Maß)‘; lit. spandà f. ‚Stange,
Stütze‘, lett. spanda ‚Strickwerk am Pflug‘;
mir. sonn m. ‚Pfosten‘, mkymr. ffon f. ‚Pfosten,
Stab, Stecken‘.
Die diesen Bildungen zugrunde liegende Wur-
zel uridg. *(s)pend- schließt sich wahrschein-
lich mit Dentalerweiterung an die Wz. uridg.
*(s)penh₁- ‚spannen‘ an. Zu dieser Wz. s. span-
nan.
Walde-Pokorny 2, 660 ff.; Pokorny 988; LIV² 578; NIL
628 f.; Untermann, Wb. d. Osk.-Umbr. 89 f.; Walde-Hof-
mann, Lat. et. Wb. 2, 571 f.; Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴
494 f.; de Vaan, Et. dict. of Lat. 457; Thes. ling. lat. 10,
1, 1100 f.; Niermeyer, Med. Lat. lex.² 2, 1022; Du Cange²
6, 260; Meyer-Lübke, Rom. et. Wb.³ Nr. 6392; Wartburg,
Frz. et. Wb. 8, 201 ff.; Trautmann, Balt.-Slav. Wb. 214.
219; Derksen, Et. dict. of Slav. 419; Et. slov. jaz. staro-
slov. 750; Bezlaj, Et. slov. slov. jez. 3, 69; Snoj, Slov. et.
slov.² 532; Vasmer, Russ. et. Wb. 2, 461; ders., Ėt. slov.
russ. jaz. 3, 402; Derksen, Et. dict. of Balt. 420; Fraenkel,
Lit. et. Wb. 2, 865 f.; Smoczyński, Słow. et. jęz. lit. 586;
ALEW 2, 958; Mühlenbach-Endzelin, Lett.-dt. Wb. 3,
1006; Karulis, Latv. et. vārd. 2, 262 f.; Matasović, Et.
dict. of Proto-Celt. 334; Dict. of Irish S-344 f.; Dict. of
Welsh 1, 1301 f.
MK/LS