pflihta
Band VI, Spalte 1448
Symbol XML-Datei TEI Symbol PDF-Datei PDF Zitat-Symbol Zitieren

pflihta f. ōn-St., Gl. 1,297,36 (letztes
Drittel des 9. Jh.s, mfrk.); 3,658,1 (1. Hälfte des
10. Jh.s) und weitere Gl. (SH): ‚Vorderschiff,
Vorderdeck, Schiffsschnabel; proraVar.: pleh-,
plih-; -ch-; metathiert -pfilh-; verschrieben plet-
ta. Das Wort ist aus nachklass. lat. plecta f.
‚Geflecht, dünne Schnur, Matte, Netz, Gewin-
de‘, eigtl. ‚Geflochtenes‘ entlehnt. – Mhd. pflih-
te sw.f. ‚prora‘, nhd. (Seemannssprache, ver-
alt.) Pflicht f. ‚Schutzdach im Vorschiff‘, da-
neben aus dem Mndd. Plicht f. ‚vertiefter, un-
gedeckter Sitzraum für die Besatzung in Segel-
und Motorbooten‘, nhd. mdartl. ält. schweiz.
pflicht f. ‚vorderer Teil des früheren eichenen
Rheinschiffs‘, bad. pflicht f. ‚vorderer abge-
deckter Teil des Schiffes‘, bair. pflicht f. ‚Vor-
derteil eines Ruderschiffes, auf dem die Schif-
fer stehen‘, luxem. plîcht f. ‚Vorrichtung, in der
sich das Steuerruder dreht‘, auch ‚Hebeschiene,
Mühlschwengel‘, rhein. plichte f. ‚unter dem
Schiffsdeck befindliche kleine Kajüte, Wohn-
raum der Matrosen im Vorderteil der Last-
kähne‘ sowie der lat. Grundbed. ‚Geflochtenes‘
nahestehend ‚Lehm- oder Mörtelbewurf eines
Feldes in einer Fachwerkwand oder -decke,
Lehmbekleidung, größere Fläche des Decken-
oder Wandbewurfs‘, lüneb. plich f. ‚Kajüte
eines Ewers‘, schlesw.-holst. plicht f. ‚klei-
nes Verdeck im Vorder- oder Hinterteil eines
Bootes, Stange, mit der die Schiffer die Tiefe
des Seewassers messen‘, meckl. plicht f. ‚Ver-
deck am Hinter- und Vorderteil eines kleinen
Schiffes, dreieckiges Brett, auf dem die Achter-
leine liegt‘, preuß. plicht f. ‚Planken, Fußbo-
denbretter auf Fischerbooten im Vorder- und
Achterteil, Raum des Vorderlogis‘.

Splett, Ahd. Wb. 1, 1228; Köbler, Wb. d. ahd. Spr. 860;
Schützeichel⁷ 250; Starck-Wells 462. XLV; Schützei-
chel, Glossenwortschatz 7, 281; Bergmann-Stricker, Ka-
talog Nr. 371. 741; Seebold, ChWdW9 647; Graff 3, 360;
Lexer 2, 255; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 466 (prora); Dt.
Wb. 13, 1762 (Nr. 7 s. v. pflicht); Kluge²¹ 545 (Pflicht²);
Kluge²⁵ s. v. Pflicht². – Kluge 1911: 620 f. (Plicht²). –
Schweiz. Id. 5, 1218 (Pflicht²); Ochs, Bad. Wb. 1, 210
(Pflicht²); Schmeller, Bayer. Wb.² 1, 447; Luxemb. Wb. 1,
347; WLM 1, 339; Müller, Rhein. Wb. 6, 975 f.; Kück,
Lüneb. Wb. 2, 551; Mensing, Schleswig-holst. Wb. 3,
1052 (plicht²); Wossidlo-Teuchert, Meckl. Wb. 5, 494
(Plicht²); Riemann, Preuß. Wb. 4, 514.

Die anderen westgerm. Sprachen entlehnen
das Wort mit der in diesen Sprachen übli-
chen Entwicklung von -kt- zu -(c)ht- (vgl. Lasch
[1914] 1974: § 337; Franck 1910: § 97; Brun-
ner 1965: § 210, 4): as. plehta f. ō-St. ‚Vorder-
deck‘, mndd. plicht ‚Überbau am Verdeck,
Schiffsbug‘; mndl., nndl. plecht f. ‚Vordeck,
Achterdeck‘; nwestfries. plecht m./f. ‚Vorder-
deck, Achterdeck‘, saterfries. plìcht f. ‚dss.‘; ae.
in pliht-ere m. ‚der das Steuer überwacht‘. Aus
dem Mndd. stammen ndän. pligt ‚Ruderbank im
Vorderteil des Bootes‘, nnorw. (bm./nn.) plikt
m. ‚Achtern- oder Vorderdeck‘ und nschwed.
plikt m. ‚Achterdeck‘. Ne. plight-anchor ‚größ-
ter Schiffsanker‘ ist aus mndd. plichtanker m.
‚dss.‘ übernommen.
Der Gebrauch des lat. Wortes zur Bez. des
Schutzdaches am Vorderteil des Bootes erklärt
sich aus der Herstellung des selbigen aus ge-
flochtenem Holz (vgl. P. Melchers, FS Fehrle
1940: 159 f.).

Lat. plēctrum n. ‚Steuerruder‘ entfällt als Entlehnungs-
grundlage, da im Fall der Herkunft der germ. Wörter aus
diesem Subst. weder der Schwund des r noch das f. Ge-
nus erklärt würde.

Tiefenbach, As. Handwb. 306; Lasch-Borchling, Mndd.
Handwb. 2, 1, 1584; Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 6, 435;
Fryske wb. 16, 381; Dijkstra, Friesch Wb. 2, 364; Kra-
mer, Seelter Wb. 168; Holthausen, Ae. et. Wb. 247; Bos-
worth-Toller, AS Dict. 776; Suppl. 680; eOED s. v.
plightanchor n.; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 2, 837;
Ordb. o. d. danske sprog 16, 1018 f.; NOB s. v. (bm./nn.)
plikt; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 2, 768. – R. Meringer,
IF 17 (1904), 101; Kluge 1911: 620 f.

Nachklass. lat. plecta f. ist eine späte Ent-
lehnung aus gr. πλεκτή f. ‚Windung, Wicklung,
Fischreuse, Strick, Tau, Matte‘, einer Nominal-
bildung zu dem Verb gr. πλέκω ‚flechte, winde,
wickle‘. Zur Etym. von gr. πλέκω s. flehtan.
Lat. plecta wird auch von afrz., mfrz. plite f.
‚Schmuckleiste, geflochtene Leiste‘, katal. ple-
ta f. ‚Pferch‘ und span. pleita f. ‚geflochtene
Leiste‘ fortgesetzt.

De Vaan, Et. dict. of Lat. 471 f.; Thes. ling. lat. 10, 1,
2393 f.; Du Cange² 6, 365; Körting, Lat.-rom. Wb.³ Nr.
7244; Meyer-Lübke, Rom. et. Wb.³ Nr. 6591a; Wartburg,
Frz. et. Wb. 9, 57.

MK/LS

Information

Band VI, Spalte 1448

Zur Druckfassung
Zitat-Symbol Zitieren
Symbol XML-Datei Download (TEI)
Symbol PDF-Datei Download (PDF)

Lemma: