pômzidra*
Band VI, Spalte 1542
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pômzidra* f. ō(n)-St., Gl. 3,385,67. 386,
59 (12./13. Jh., mfrk.): ‚Zitrone; pomum cedri
(Citrus medica L.) Var.: nom.pl. -cedern.
Das Wort ist nach mlat. pomum cedri ‚dss.‘
gebildet (vgl. Mlat. Wb. 2, 427 und s. u.). – In
der 2. Hälfte des 15. Jh.s wird das Wort neu
aus ält. italien. citrone ‚Zitronatzitrone‘ ent-
lehnt; auch mfrz. c(h)itron, nfrz. citron m. ‚Zi-
trone‘ kann eingewirkt haben. Daneben findet
sich im Frühnhd. das verdeutlichende Komp.
citrinapfel m. ‚Zitrone‘, das im ält. Nhd. zu ci-
trin f. verkürzt wird. Anfangs überwiegen For-
men des Pl. wie zitronij, citroni, cytronen, seit
der 2. Hälfte des 16. Jh.s kommt dann der Sg.
citron auf (vgl. Pfeifer, Et. Wb.² 1619). Nhd.
Zitrone f. ‚gelbe, länglich runde Zitrusfrucht
mit saftigem, sauer schmeckendem Frucht-
fleisch und dicker Schale, die reich an Vitamin
C ist‘.

Splett, Ahd. Wb. 1, 710; Schützeichel⁷ 251; Starck-Wells
464; Schützeichel, Glossenwortschatz 7, 300; Bergmann-
Stricker, Katalog Nr. 726; Dt. Wb. 31, 1672 ff.; Kluge²¹
886; Kluge²⁵ s. v. Zitrone; Pfeifer, Et. Wb.² 1619. – Mar-
zell [1943–79] 2000: 1, 1031. – Götze [1920] 1971: 237.

In den anderen germ. Sprachen entspricht nur
ebenfalls aus dem (M)lat. entlehntes me. pme
cēdre ‚Zitrone‘ genau. Daneben findet sich das
Wort für die Zitrone im Me. noch in me. appel
of cēdre ‚Zitrone‘, eine Teilübersetzung von
me. pme cēdre. Me. pme cēdre ist wie ahd.
pômzidra eine Übersetzung von mlat. pomum
cedri, das wiederum eigtl. eine Lehnüberset-
zung aus gr. κεδρόμηλον ‚Zedernzapfen‘ ist
(zur Vermengung von ‚Zeder‘ und ‚Zitronen-
baum‘ s. u.).

Außerdem bietet das Me. die Weiterbildungen citi/urtrē
‚Zitronenbaum‘, citrīne ‚Zitrone, afrikanischer Citrus-
Baum‘?, citronāde ‚kandierte Zitronen- oder Orangen-
schale‘ (nach dem Me. erst wieder ab dem 18. Jh. im Ne.
gebräuchlich).

In die übrigen west- und nordgerm. Sprachen
wurden ebenfalls ab dem 15. Jh. dieselben For-
men wie ins Dt. übernommen: mndd. citerōne;
mndl. zyderoen, sideroen, nndl. citroen; nwest-
fries. sitroen; spätme. citorn, ne. citron ‚Zi-
trone, Zitronenbaum‘ (daneben das weitaus üb-
lichere, ebenfalls über rom. Sprachen entlehnte
ne. lemon ‚Zitrone‘); nisl. sítróna, ält. ndän.
sitron, sitrone, ndän. citron, nnorw. (bm.) si-
tron ‚Zitrone‘, (nn.) ‚Zitrone, Zitronenbaum‘,
nschwed. citron ‚Zitrone, Zitronenbaum‘.

Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 3, 246; Verwijs-Ver-
dam, Mndl. wb. 7, 1059; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 102;
Vries, Ndls. et. wb. 100; Et. wb. Ndl. A-E 446; Fryske wb.
19, 115 f.; eMED s. vv. cēdre, citirtrē, citrīne, citronāde,
pme; Klein, Compr. et. dict. of the Engl. lang. 1, 293;
eOED s. vv. citron n. und adj., citronade n., citrus n.;
Magnússon, Ísl. Orðsb. 820 f.; Ordb. o. d. danske sprog
3, 363 f.; NOB s. v. sitron; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 1,
130; Svenska akad. ordb. s. v. citron.

Grundlage der Entlehnungen ist lat. cedrus m.
(seltener auch cedrum n.) ‚Zeder(baum)‘, selten
auch ‚Zitronenbaum‘ neben lat. citrus m. ‚dss.‘.
Eine Weiterbildung dazu ist lat. citrea f. ‚dss.‘.
Lat. cedrus ist aus gr. κέδρος f. ‚Wacholder‘,
später auch ‚Zeder‘ entlehnt (dieser BaumN
wurde ebenfalls ins Ahd. [wie in die meisten
anderen europäischen Sprachen auch] entlehnt;
s. zêdarboum). Gleiches gilt wahrscheinlich für
lat. citrus, dieses ist aber wohl über etrusk. Ver-
mittlung entlehnt. Die Vermischung von Wör-
tern für ‚Wacholder‘, ‚Zeder‘ und ‚Zitronen-
baum‘ dürfte in dem ausgeprägten Duft der
Blätter bzw. des Holzes der Pflanzen begründet
sein. Die weitere etym. Herkunft von gr. κέδρος
f. ist nicht gesichert. Nach Et. wb. Ndl. A-E 446
(mit weiterer Lit.) ist das Wort wegen des
Schwankens d : t jedenfalls nichtidg. Herkunft.
Eine Möglichkeit bleibt aber (trotz ablehnender
Haltung bes. älterer Etymologika) weiterhin die
Verbindung mit der balt.-slaw. Sippe um aksl.
kaditi, russ. kadít’, slowen. kadȋti ‚räuchern‘
etc. (< vorurslaw. *kōd-e[e/o]-; zu einer Wz.
uridg. *ked- ‚räuchern‘?); lit. kadags, lit. dial.
auch -eg-, -ugs ‚Wacholder‘, apreuß. kadegis
‚dss.‘, lett. kadiķis ‚dss.‘, dial. auch -eķis (als
sekundäre Entlehnungen aus ndd. dial. kaddig,
-ik ‚dss.‘ [Dt. Wb. 11, 17], das selbst wiederum
wohl aus dem Westbalt. stammt), -eģis, -iģis
(Lituanismen im Lett.), da sowohl Wacholder-
als auch seltener Zedernholz wegen ihres
Wohlgeruchs durchaus beim Räuchern verwen-
det wurden und werden. Demnach bedeutete gr.
κέδρος f. urspr. etwa ‚Räucherbaum‘ oder ‚beim
Räuchern duftender Baum‘. Das Wort hat ent-
weder sekundäre Vollstufe und Substantivie-
rungsakzent gegenüber urspr. vorurgr. *kd--
‚Räucher-‘ oder ist eine urspr. Nominalbildung
vorurgr. *kéd-ro- (wie uridg. *ĝh₁-- ‚gebo-
ren‘ vs. *ĝénh₁-to- ‚Geborenes, Kind‘ [s. kind]).
Lat. cedrus ist in italien. cedro ‚Zeder‘, selten
auch ‚Zitronenbaum‘ (der gewöhnlich italien.
limone genannt wird), frz. cèdre, span., port. ce-
dro ‚Zeder‘; lat. citrus in mfrz. citre ‚Zitro-
nenbaum‘, span., port. cidro ‚Zitronenbaum‘,
cidra ‚eine Art Zitrone‘ (dafür üblicherweise
limon) fortgesetzt.
Eine Rückentlehnung aus lat. citrus ist gr.
κίτρον ‚Zitrone‘, das wiederum als rum. chitru
‚dss.‘ übernommen wurde. Ebenfalls entlehnt
wurde lat. citrea als gr. κιτρέα neben gr. κί-
τρ(ι)ον ‚Zitronenbaum‘.
Heute fast allgemein verbreitet sind Fortset-
zer bzw. Entlehnungen einer erweiterten rom.
Form *citrona (so etwa auch in kymr. sitron,
bret. sitron). Diese ist wahrscheinlich aus lat.
citrus und *limona ‚Zitrone‘ kontrahiert.
Slowen. citrọ̑na ist über das Frühnhd. ver-
mittelt, sonst herrschen in den slaw. Sprachen
Übernahmen von rom. *limona.

Walde-Pokorny 1, 384 f.; Pokorny 537; Frisk, Gr. et. Wb.
1, 808. 860 f.; Chantraine, Dict. ét. gr.² 489. 515; Bee-
kes, Et. dict. of Gr. 1, 663. 705; Walde-Hofmann, Lat.
et. Wb. 1, 194. 223 f.; Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 110.
123 f.; Thes. ling. lat. 3, 734 f. (cedria). 735 ff. (cedrus).
1208 (citrus); Niermeyer, Med. Lat. lex.² 1, 212 (cedria);
Körting, Lat.-rom. Wb.³ Nr. 2055. 2227; Meyer-Lüb-
ke, Rom. et. Wb.³ Nr. 1957; Wartburg, Frz. et. Wb. 2,
564. 720 ff.; Trautmann, Balt.-Slav. Wb. 112; Berneker,
Slav. et. Wb. 1, 467; Trubačëv, Ėt. slov. slav. jaz. 9, 109;
Derksen, Et. dict. of Slav. 218; Et. slov. jaz. staroslov.
297; Bezlaj, Et. slov. slov. jez. 2, 9; Snoj, Slov. et. slov
75. 247; Vasmer, Russ. et. Wb. 1, 500 f.; ders., Ėt. slov.
russ. jaz. 2, 156; Schuster-Šewc, Hist.-et. Wb. d. Sorb.
480 f.; Fraenkel, Lit. et. Wb. 1, 201 f.; Smoczyński, Słow.
et. jęz. lit. 242; ALEW 1, 429 f.; Mühlenbach-Endze-
lin, Lett.-dt. Wb. 1, 131 f.; 5, 573; Karulis, Latv. et. vārd.
1, 366 f.; Trautmann, Apreuß. Spr.denkm. 298. 349; Ma-
žiulis, Apreuß. et. Wb.² 326 ff.; Toporov, Prusskij ja-
zyk I-K 111 ff.; Dict. of Welsh 4, 3295; Deshayes, Dict.
ét. du bret. 658.

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