pozzunga f. ō-St., nur Gl. 3,91,68 (En-
de des 12. Jh.s, mfrk.): ‚das Pfropfen; insertio‘
〈Var.: nom.sg. pozunga〉. Die obd. Parallelhss.
übersetzen das lat. Lemma mit impitunga (s. d.)
(sechs Hss.) und impfunga (s. d.) (eine Hs.).
Das Verbalabstraktum ist von einer nicht beleg-
ten Basis ahd. *pozzen sw.v. ‚pfropfen‘, die aus
dem Rom. entlehnt ist (s. u.), abgeleitet. – Nhd.
mdartl. lothr. possen sw.v. ‚okulieren, impfen‘,
luxem. possen sw.v. ‚pfropfen‘, rhein. possen
sw.v. ‚pfropfen, gegen Pocken impfen, pflan-
zen‘, pfälz. possen, auch pfossen sw.v. ‚pfrop-
fen, gegen Pocken impfen‘, nassau. possen
sw.v. ‚pfropfen‘, südhess. possen sw.v. ‚pfrop-
fen, okulieren‘, hess.-nassau. pfossen sw.v. ‚ver-
edeln, gegen Pocken impfen‘, siebenbürg.-
sächs. possen ‚pfropfen, veredeln‘; vgl. schles.
possen m. ‚Pfropfen‘. Frühnhd. poten sw.v.
‚Pflänzlinge setzen‘, potzen sw.v. ‚Knospen an-
setzen‘, kurhess. (westf. Teil) potten sw.v. ‚pfrop-
fen‘ und westf. poten sw.v. ‚pflanzen‘ sind hinge-
gen aus mndd. poten, potten sw.v. ‚Pflanzen set-
zen, pflanzen, veredeln, pfropfen‘ übernommen.
Für die Wörter mit der Bed. ‚setzen, pflanzen‘
u. ä. ist daneben auch germ. Ursprung anzu-
nehmen (s. u.).
Splett, Ahd. Wb. 1, 710; Köbler, Wb. d. ahd. Spr. 864;
Schützeichel⁷ 251; Starck-Wells 465; Schützeichel, Glos-
senwortschatz 7, 301; Bergmann-Stricker, Katalog Nr.
93; Frühnhd. Wb. 4, 864. 879; Dt. Wb. 13, 2038 (poten).
2040 (potzen). – Follmann, Wb. d. dt.-lothr. Mdaa. 1, 58;
Luxemb. Wb. 3, 374; Müller, Rhein. Wb. 6, 1036 ff. (pos-
sen³); Christmann, Pfälz. Wb. 1, 870 (pfossen). 1122 (pos-
sen¹); Kehrein, Volksspr. u. Wb. von Nassau 311; Mau-
rer-Mulch, Südhess. Wb. 1, 1041; Vilmar, Id. von Kur-
hessen 305; Berthold, Hessen-nassau. Volkswb. 2, 621;
Mitzka, Schles. Wb. 2, 1031; Schullerus, Siebenbürg.-
sächs. Wb. 8, 403 f.; Woeste, Wb. d. westf. Mda. 204.
In den anderen germ. Sprachen entsprechen die
sw. Verben: mndd. pōten, potten, auch pāten
‚Pflanzen setzen, pflanzen, veredeln, pfropfen‘;
mndl. poten ‚in den Boden stecken, anpflanzen,
stecken, stopfen, festmachen‘, nndl. poten ‚(an-)
pflanzen‘; (afries. nur u. U. subst. pōte ‚Schöss-
ling, Pfropfreis‘?); ae. potian, pūtian ‚stoßen,
stechen, treiben, werfen‘, pȳtan ‚ausstechen, drü-
cken, stoßen‘, me. pten ‚schieben, stoßen, set-
zen, stellen, legen‘, putten ‚schieben, stoßen,
schlagen, werfen, vertreiben‘ etc., ne. regional
(schott., nordengl., ir.-engl.) pote ‚schieben, sto-
ßen, treten, ausschlagen, stampfen‘, put ‚setzen,
stellen, legen‘ etc., putt ‚einen Ball beim Golf
vorsichtig schlagen‘; nisl. (ab 17. Jh.) pota ‚ste-
chen, stecken‘, fär. pota ‚dss.‘, ndän. pode ‚pfrop-
fen‘, ndän. dial. putte ‚schlagen, stoßen‘, nnorw.
(bm./nn.) pode ‚pfropfen‘, (nn.) pòte, pòta ‚ste-
chen, mit einem Stock bohren, mit einem Speer
fischen‘, nschwed. påta ‚stechen, bohren‘, put-
ta ‚knuffen, stoßen‘: < urgerm. *pt(i̯)e/a- (wo
die Bed. ‚stoßen, stechen, schleudern‘ zugrunde
liegt?).
Bei den nordgerm. Wörtern mit der Bed.
‚pfropfen‘ handelt es sich um Entlehnungen
aus dem Mndd.
Fick 3 (Germ.)⁴ 219; Kroonen, Et. dict. of Pgm. 401;
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 2, 1, 1647. 1650; Schil-
ler-Lübben, Mndd. Wb. 3, 366 f.; VMNW s. v. poten; Ver-
wijs-Verdam, Mndl. wb. 6, 618 f.; Franck, Et. wb. d. ndl.
taal² 516 (s. v. poot²); Vries, Ndls. et. wb. 542; Et. wb. Ndl.
Ke-R 585; Hofmann-Popkema, Afries. Wb. 386; Holthau-
sen, Ae. et. Wb. 248. 251; Bosworth-Toller, AS Dict. 777;
Suppl. 682; eMED s. vv. pten v., putten v.; Klein, Compr.
et. dict. of the Engl. lang. 2, 1276; eOED s. vv. pote v.,
put v., putt v.; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 592; Magnússon,
Ísl. Orðsb. 721; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 2, 841.
860 f.; Nielsen, Dansk et. ordb. 328 (pode²). 334 (putte²);
Ordb. o. d. danske sprog 16, 1080 f. (pode²); 17, 171 ff.
(putte⁴); Torp, Nynorsk et. ordb. 497; NOB s. vv. (bm./
nn.) pode², (nn.) pòte³; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 2, 803;
Svenska akad. ordb. s. vv. påta v., putta v. – Müller-
Frings 1966–68: 1, 155. Karte 18; 2, 275. 278. 280 f. 283.
In den germ. Lexemen sind wahrscheinlich (so
schon Et. wb. Ndl. Ke-R 585) zwei ursprungs-
verschiedene Wörter z. T. zusammengefallen:
Das eine in der Bed. ‚pfropfen, veredeln‘ ist aus
dem Gallorom. entlehnt. Es beruht auf der Var.
gallorom. bzw. vulg.lat. *impotare ‚pfropfen‘
(vgl. in der Lex Salica lat. impotus ‚Pfropfreis‘)
zu sonstigem lat. putāre ‚pfropfen, reinigen,
säubern, (be-)denken‘ (s. impitunga, impfunga).
Diese wird auch klar durch die Verbreitung des
Wortes in dieser Bed. in den Niederlanden und
am Niederrhein sowie sein Fehlen in den obd.
Dial. bestätigt.
Das andere ist in den nord- und westgerm.
Sprachen (einschließlich des Ndl. und Ndd.) ein
germ. Erbwort der Bed. ‚(in die Erde) stecken,
bohren‘ o. ä., das auf urgerm. *pt(i̯)e/a- weist.
Dessen weitere Etym. ist unklar. Sollte es sich
um ein Erbwort handeln, wäre vorurgerm.
*bud-(i̯)e/o- (ggf. auch vorurgerm. *bou̯d-ei̯e/o-
> urgerm. *pau̯tii̯e/a- und sekundäre Umgestal-
tung von urgerm. *-au̯- > *-ū-) von einer Wz.
uridg. *beu̯d- (mit seltenem uridg. *b-) abge-
leitet, die dann wohl ‚stoßen, stechen, schleu-
dern‘ bedeutet hat. Zugehörig wäre dann ved.
bundá- m. ‚Pfeil‘ oder ‚Bogen‘, ‚Name eines
mythischen Pfeils oder Bogens‘ (je nach Bed.
des ved. Worts urspr. entweder ‚Schleuderer‘
oder ‚das/der Geschleuderte‘); dabei müsste der
Nasal aus einem urspr. Nasalinfixpräs. uridg.
*bu-né-d-/*bu-n-d-´ in das Subst. übernommen
worden sein. Für das ved. Wort nimmt man aber
auch ein vorved. Substratwort an. Außergerm.
Anschlüsse der Wz. bleiben somit unsicher.
Ebenso unsicher bleibt eine theoretisch denkba-
re Verbindung mit einer Wz. uridg. *(s)peu̯d-,
woraus mit spätem, erst germ. Abfall des an-
lautenden s-mobile eine Wz. urgerm. *peu̯t-
entstanden sein kann. Da jene Wz. zwar nach
Pokorny 998 f. ‚drücken, mit Nachdruck betrei-
ben, eilen‘ bedeutet, mit LIV² 581 aber nur von
einer Grundbed. ‚sich beeilen‘ auszugehen ist,
erscheint eine semantische Entwicklung zu
‚pfropfen‘ als unwahrscheinlich.
Walde-Pokorny 2, 13. 119; Pokorny 827; LIV² 480; Mayr-
hofer, KEWA 2, 439; ders., EWAia 2, 229; Walde-Hof-
mann, Lat. et. Wb. 2, 393 f.; Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴
548; de Vaan, Et. dict. of Lat. 502; Du Cange² 4, 314 (im-
putare³); Körting, Lat.-rom. Wb.³ Nr. 4799; Meyer-Lüb-
ke, Rom. et. Wb.³ Nr. 4325; Wartburg, Frz. et. Wb. 4, 611 ff.
MK/HB