precka f. ōn-St., seit dem 10. Jh. in Gl.:
‚aufgedrücktes Mal, Stigma; fragitida [= sphra-
gitida], stigma‘ 〈Var.: br-; -gg-〉. Bei R. Lühr,
K. Matzel, ZVSp 99 (1986), 271 angeführtes
„ahd. pfrecka“ (ebenso Schützeichel⁷ 250; ders.,
Glossenwortschatz 7, 289) ist nach Splett, Ahd.
Wb. 1, 710 nicht bezeugt. Das Wort kann aber
wegen dem zugehörigen denominalen Verb
mhd. pfrecken sw.v. ‚stechen‘, einer Var. zu
pricken sw.v. ‚dss.‘ (Lexer 2, 262. 294), wohl
vorausgesetzt werden.
Splett, Ahd. Wb. 1, 710; Köbler, Wb. d. ahd. Spr.
861; Schützeichel⁷ 250; Starck-Wells 463; Schützeichel,
Glossenwortschatz 7, 289. – Schatz 1927: § 236.
Ahd. precka (wohl eine mfrk. unverschobene
Form) beruht auf westgerm. *prekkōn- < vor-
westgerm. *prik-n-ōn-, eine Umbildung aus ei-
nem n-St. urgerm. *prik-an-, gen. *prik-n-az,
wobei westgerm. *-e- in *prekkōn- durch a-Um-
laut in der Vorform urgerm. *prik-an- verur-
sacht ist. Das ahd. Wort hat nur im Westgerm.
eine exakte Entsprechung. Am nächsten stehen
(in der Bed. allerdings abweichende) Fortsetzer
von urgerm. *prik-an-, gen. *prik-na- > *prikka-,
f. *prik-ōn- (mit einem vom alten Nom. aus-
gehenden Stamm mit nichtgeminiertem Aus-
laut), wobei der eigtl. zu erwartende e-Voka-
lismus in der Wz. nach dem bedeutungsnahen
Paar urgerm. *stek- : *stik- ‚stechen, durchboh-
ren‘ (s. stih, stechan) analogisch als *-i- er-
scheint: vgl. mndd. pricke f. ‚Stecher, Spitze,
Stachel‘; gleicher Herkunft ist wohl auch der
FischN mndd. pricke f. ‚Lamprete, Flussneun-
auge‘, mndl. pricke f. (auch pric m.) ‚dss.‘ (die
Benennung der Flussneunaugen, 30–40 cm lan-
ger, aalartiger Fisch mit spitzem Kopf, mit
einem Wort für ‚Spitze, Stachel‘ ist nahe-
liegend), nndl. prik m. ‚Strich, spitzer Gegen-
stand, Penis, Vorgang des Durchstechens, Neun-
auge‘; nwestfries. prik ‚kleines Loch, spitzer
Gegenstand‘, prikke ‚abgebrochenes Stück,
Stock, Penis‘, saterfries. prigge m. ‚Holznagel,
Pflock, Pfriemen, Wurstdorn‘, prikke f. ‚Stechei-
sen, Torfgabel‘, nnordfries. prääg ‚Aalstecher‘,
präk ‚Stich‘; ae. prica m. ‚Punkt, Stich, Fleck,
Stück‘, price f. ‚dss.‘, me. prik(e), pri(c)kk(e),
pre(c)k(e) ‚spitzer Gegenstand, Dorn, Stachel,
Nagel, Nadel zum Befestigen, Stechen, stechen-
der Schmerz, Punkt im Raum, kurzer Zeitraum,
Kratzer, Werkzeug zum Stechen oder Kratzen,
Zeitpunkt, Moment, Zustand‘, ne. prick ‚dss.‘,
zudem ‚kleines Loch‘, ugs. auch ‚Penis, über-
flüssige Person‘, daneben me. priche, ne. pritch
‚spitzer Gegenstand, spitzer Stock, Vorwurf‘,
das am ehesten das Fem. ae. price fortsetzen
dürfte, wenn es nicht eine Rückbildung aus dem
denominalen Verb ae. priccian ‚stechen, krat-
zen‘ ist.
Die nordgerm. Formen sind meist aus dem
Mndd. bzw. Mndl. übernommen; vgl. aisl. prik
n. ‚Punkt‘, nisl. prik n. ‚Punkt, kleiner Stock‘,
daneben nisl. preki m. und priki m. ‚Punkt,
Doppelpunkt‘, veraltet nisl. brika f. ‚Stange‘,
fär. prikkur m. ‚Punkt‘, adän. prich, precke,
ndän. prik, prick, pricke (auch regional prikke)
‚Punkt, Markierung, kleines Loch, kleines
Teilchen, kleines Detail, Mitte eines Ziels,
Bullauge‘, ält. dän. auch prege ‚Spitze, Sta-
chel‘, nnorw. dial. prika f. ‚Stange mit Spitze‘,
prikk ‚Punkt, Fleck, kleine Pustel, Vorgang des
Durchbohrens‘, nschwed. prick ‚Punkt, kleines
Teil von etwas, kleines Detail‘.
Aisl. prika f. ‚Stange mit Spitze‘ ist aus dem
Ae. entlehnt.
Zugehörig sind weiter as. prekunga f. ō-St.
‚eingeprägtes Zeichen‘, ae. pricung f. ‚Stich‘,
eine Ableitung von der Basis westgerm. *prek-/
*prik- mit dem Suffix urgerm. *-unǥō- (s.
-inga/-unga).
Mndd. pricke ist als nhd. Pricke f. (auch Prigge;
daneben veraltet auch Prick m. ‚Stange, Sta-
chel‘) ‚lange Stange oder Pfosten zur Mar-
kierung der Fahrrinne im Wattenmeer‘ entlehnt
worden (Dt. Wb. 13, 2113 [s. v. Prick]). Eben-
falls ins Nhd. übernommen wurde die mndd.
Fischbez. als nhd. Pricke f., daneben findet sich
auch die Form nhd. Bricke f. ‚dss.‘ (Dt. Wb. 2,
379; 13, 2113).
Fick 3 (Germ.)⁴ 221; Kroonen, Et. dict. of Pgm. 399 f.;
Tiefenbach, As. Handwb. 307; Wadstein, Kl. as. Spr.-
denkm. 214; Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 2, 1,
1684; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. 3, 375; Verwijs-Ver-
dam, Mndl. wb. 6, 679 f.; Franck, Et. wb. d. ndl. taal²
522 f. (prik¹, prik²); Suppl. 132; Vries, Ndls. et. wb. 547
(prik², prik³); Et. wb. Ndl. Ke-R 594 (prik¹, prik³); Fryske
wb. 17, 148 f. 152 f.; Dijkstra, Friesch Wb. 2, 387 f.; Fort,
Saterfries. Wb. 145; Kramer, Seelter Wb. 170; Sjölin, Et.
Handwb. d. Festlnordfries. 154; Holthausen, Ae. et. Wb.
249; Bosworth-Toller, AS Dict. 778; Suppl. 681; eMED
s. vv. priche n., prik(e) n.; Klein, Compr. et. dict. of the
Engl. lang. 2, 1241; eOED s. vv. prick n., pritch n.; Vries,
Anord. et. Wb.² 428; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 635. 1124;
Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 220; Magnússon, Ísl.
Orðsb. 722. 723; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 2, 849;
Nielsen, Dansk et. ordb. 330; Ordb. o. d. danske sprog
16, 1279 ff.; Torp, Nynorsk et. ordb. 499 (prika, prikk¹);
NOB s. v. prikk; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 2, 784; Sven-
ska akad. ordb. s. v. prick subst.¹. – R. Lühr, K. Matzel,
ZVSp 99 (1986), 271.
Aus dem Engl. gelangte das Lexem auch ins
Kelt.; vgl. kymr. pric ‚Stock, Rute, spitzes In-
strument, stechender Schmerz, kleines Loch‘,
nir. prioc ‚Stock, Rute‘ etc. (lt. eOED s. v. prick
n., nicht im Dict. of Irish).
In England wurde das Wort weiterhin in
mlat. Texten als Lehnwort in der Form mlat.
pricka, prikka ‚Nadel‘ verwendet (lt. eOED
s. v. prick n.).
Die weitere Etym. ist nicht gesichert: Möglich
ist eine Herleitung aus einer s-mobile Var. ur-
idg. *sb(h)re(ĝ)- o. ä. zur Wz. uridg. *b(h)re(ĝ)-
in lit. bržti ‚kratzen, ritzen, reißen, skizzie-
ren‘ (falls in der lit. Form nicht Umbau einer
Wz. uridg. *b[h])rei̯[ĝ]- eingetreten ist), wo nach
der germ. Lautverschiebung das s-mobile ge-
schwunden wäre. Uridg. *bhre(ĝ)- ‚brechen‘
und Verwandtes (Pokorny 165; LIV² 91 f.; s. bre-
chan) ist mit den hier vorliegenden Bildungen
semantisch und lautlich nicht vereinbar.
Walde-Pokorny 2, 194 f.; Pokorny 167; Fraenkel, Lit. et.
Wb. 1, 56 f.; Smoczyński, Słow. et. jęz. lit. 72; ALEW 1,
133; Dict. of Welsh 3, 2881.
HB