prûz m. a-St., Gl. 3,201,50 (Hs. 12. Jh.,
Zeit des Gl.eintrags unbekannt). 449,15 (11. Jh.):
‚eine Pferdeart, Pony, Maultier; mannus‘ 〈Var.:
b-; -u-〉. – Nhd. dial. rhein. preuße ‚schwarze
Kuh mit weißen Flecken vorn‘ entspricht zwar
lautlich recht genau dem ausgehend von ahd.
prûz Erwarteten, bereitet aber hinsichtlich der
Semantik Schwierigkeiten, da eine Kuh und
kein Pferd oder Esel bezeichnet wird. Sinnvoll
bliebe die Zusammenstellung nur, wenn die ur-
spr. Bed. des Wortes ‚fleckig, gesprenkelt‘ o. ä.
gewesen wäre, was auf verschiedene Tiere be-
zogen worden sein konnte.
Splett, Ahd. Wb. 1, 1229; Köbler, Wb. d. ahd. Spr.
865; Schützeichel⁷ 252; Starck-Wells 465; Schützeichel,
Glossenwortschatz 2, 57 (s. v. brûn!); 7, 303; Bergmann-
Stricker, Katalog Nr. 68. 827; Graff 3, 370. – Palander
1899: 82. – Müller, Rhein. Wb. 6, 1101.
In den anderen germ. Sprachen entspricht nur
as. prūz m. i-St.?: ‚Maultier; burdo‘ (Gl. in
Straßburg, C. IV. 15 = WaD 106, 15 [Hs. 10. Jh.
oder Anfang des 11. Jh.s, Zeit des Gl.eintrags
unbekannt]), das eindeutig ahd. Lautstand zeigt.
Ae. prūt, prūd ‚stolz, anmaßend‘ (entlehnt aus
afrz. proutz ‚dss.‘) > ne. proud ‚stolz‘ bleibt ge-
gen Graff a. a. O. jedenfalls fern.
Wenn der Langvokal urspr. ist, ergibt sich ein
vorahd./westgerm. *brūt-, das auf urgerm.
*ƀrūt-i/a- zurückführt. Die Vorform ist dann
vorurgerm. *bhruHd-i/o- oder mit analogischer
Umbildung von urgerm. *-au̯- > *-ū- vorur-
germ. *bhrou̯d-i/o-. Unter dieser Voraussetzung
scheint es keine Anknüpfungsmöglichkeiten
für das Wort zu geben.
Zeigt die westgerm. Form jedoch sekundären
Langvokal (sei es aus einer schwundstufigen
Form oder aus urgerm. *-au̯-), kann ein Zusam-
menhang mit der Sippe um urgerm. *ƀreu̯te/a-/
*ƀrut(t)ōi̯e/a- ,brechen, Bahn brechen, schwel-
len, knospen‘ bestehen; vgl. aisl. brjóta ‚bre-
chen‘, mhd. briezen st.v. ‚hervorbrechen, knos-
pen, schwellen‘ vs. brozzen sw.v. ‚dss.‘ (Lexer
1, 353. 361); letztlich wohl zur Wz. uridg.
*bhreu̯H- ‚aufbrechen‘. Die semantische Ent-
wicklung müsste dann aber folgendermaßen
verlaufen sein: ‚(Bahn-)Brecher‘ > ‚Wildpferd‘
> ‚Pferd, Esel‘.
Das ahd. Wort wird auch im Rahmen der
Etymologisierung des Namens der Preußen
bisweilen erwähnt, am ausführlichsten bei S.
Karaliūnas, HS 117 (2004): 146–150; Karaliū-
nas 2015: 250–252. Mit Verweis auf ältere Li-
teratur (Kluge²⁰ 598; in Kluge²⁵ s. v. Reuß fehlt
der Verweis auf ahd. prûz dann; Wagner 1967:
81 [wo der Zusammenhang aber nicht explizit
dargestellt wird]) wird angenommen, dass die
Pferdebez. letztlich mit dem Ethnonym des
balt. Stammes identisch sei. Gleichzeitig weist
Karaliūnas, a. a. O. auf Fortsetzer eines gemein-
slaw. *prus- ‚Pferd‘, belegt u. a. in slowen. prú-
sa f., prúsec m. ‚Passgänger, Zelterpferd‘ (Bez-
laj, Et. slov. slov. jez. 3, 132), kroat. prùsac m.
‚dss.‘, akroat. (16. Jh.) prus (Skok 1971–74: 3,
60), mbulg. prusьcь, nbulg. prùsec m. (Geor-
giev 1971 ff.: 5, 809 f.), tschech. poet. prus
‚Pferd‘, kaschub./slowinz. prusą. Diese Wör-
ter seien aber eher zu Verben zu stellen, die
entweder ‚spritzen (ggf. von Sperma)‘ oder
‚schnauben‘ bedeuten. Trifft dies zu, handelt es
sich bei ahd. prûz um ein Lehnwort entweder
aus dem Apreuß. (dann über poln. und/oder
sorb. Vermittlung) oder aus einer west- oder
südslaw. Sprache. Wegen des langen -û- müsste
das ahd. Wort aber vor der Aufgabe der Kürze-
Länge-Opposition im slaw. Vokalsystem ent-
lehnt worden sein, also wohl spätestens im 10.,
besser noch im 9. Jh. Weiterhin wäre die übli-
che Substitution von gemeinslaw. *s durch ahd.
<z> eingetreten, da ahd. /s/ ein š-artiger Laut
war. Fraglich bleibt dabei, ob diese Entlehnung
als wahrscheinlich gelten darf, und ob die in der
o. g. Literatur angeführten Parallelen von Über-
nahmen von Ethnonymen zur Bez. von (ver-
schnittenen) Pferden wie nhd. Wallach, frz.
hongre hier tatsächlich auch schon für das
9./10. Jh. gegeben sind. Auch wäre wohl eine
weitere Verbreitung des Wortes zu erwarten,
wenn es sich um eine typische Rasse oder
Pferde mit bestimmten Eigenschaften gehan-
delt hätte.
Fick 3 (Germ.)⁴ 281 f.; Kroonen, Et. dict. of Pgm. 76. 81;
Tiefenbach, As. Handwb. 307; Wadstein, Kl. as. Spr.-
denkm. 214; Schützeichel, Glossenwortschatz 7, 303;
Bergmann-Stricker, Katalog Nr. 855. – Walde-Pokorny
2, 195; Pokorny 169; LIV² 96.
HB