queran st.v. IV (prät. quar, quârun,
part.prät. –), seit dem 10. Jh. in Gl. und in MH:
‚ein Geräusch von sich geben, (von Tieren) Lau-
te des Schmerzes von sich geben, (von Men-
schen) (unter einer Last) ächzen, stöhnen, (von
Sachen) widerhallen, erdröhnen, ächzen, knar-
ren; gemere, ingemere, tribuere‘ 〈Var.: chu-〉. –
Nhd. dial. tirol. (mit dem Vokalismus in der
Stammsilbe aus ahd. quirit) kwîrε, kwiεrε (auch
kwiεnrε) ‚weinerlich tun, ächzen, stöhnen (bes.
wenn der Magen übervoll ist)‘.
Möglich, aber letztendlich nicht zu beweisen
ist, ob ein Einfluss dieses im Mhd. unbelegten
Verbs auch in dem einmaligen Beleg mit qu-
von mhd. kerren sw.v. ‚zum Schreien bringen,
quälen, anfeinden‘ bei Hugo von Trimberg,
Der Renner 7884: Ein vogel den andern
zerret, / ein tier daz ander querret (1290–
1300, ostfrk. [Information von B. Luxner])
vorliegt. Möglicherweise ist ahd. queran in
nhd. dial. schweiz. chärren, chǟren ‚brummen,
murren, nörgeln, keifen, zanken, unaufhörlich
bitten, weinerlich klagen‘ mit aufgegangen, da
hier qu- als ch- erscheinen kann (Hinweis von
M. Kümmel).
Ahd. Wb. 7, 605 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 719; eKöbler, Ahd.
Wb. s. v. kweran; Schützeichel⁷ 190; Starck-Wells 469;
Schützeichel, Glossenwortschatz 5, 427; Seebold,
ChWdW9 656; Graff 4, 679; Lexer 1, 1557. – Schweiz. Id.
3, 429 f.; Stalder, Versuch eines schweiz. Id. 2, 88; Schöpf,
Tirol. Id. 522; Schatz, Wb. d. tirol. Mdaa. 1, 365. – Braune-
Heidermanns 2018: § 340 Anm. 1.
Ahd. queran, das urgerm. *ku̯ere/a- fortsetzt,
hat in den anderen germ. Sprachen keine Ent-
sprechungen.
Falls nicht rein onomatopoetisch von einer
Lautbez. ‚quarr‘ abgeleitet, könnte urgerm.
*ku̯ari̯e/a-, fortgesetzt in frühnhd. quarren
‚quaken vom Frosch‘, nhd. quarren ‚(norddt.)
weinerliche Laute von sich geben, (von Frö-
schen und manchen Vögeln) einen heiseren,
schnarrenden Laut von sich geben, (Jägerspr.)
quorren‘ (vgl. Götze [1920] 1971: 171; Dt. Wb.
13, 2318 f.; Kluge²¹ 572 f. [s. v. Quarre]; Kluge²⁵
s. v. quarren; ePfeifer, Et. Wb. s. v. quarren),
mndd. querren sw.v. ‚girren, gurren‘, quarren
sw.v. ‚knurren, quieken, quaken‘, etym. zuge-
hörig sein.
Auch die sw.v. II aisl., nisl., fär. kvarta ‚klagen,
jammern‘ < urgerm. *ku̯artōi̯e/a- (wohl nicht mit
Magnússon, Ísl. Orðsb. 523 aus „*ku̯aratōn“)
können mit urgerm. *ku̯ere/a- etym. zusammen-
hängen. In diesem Fall wäre ein erweitertes
Verb urgerm. *ku̯er-t-e/a- die Basis (zu mit
urgerm. *-t- erweiterten Verben vgl. Krahe-
Meid 1969: 3, § 192). Von diesem erweiterten
Verb könnte auch ae. cweartern, cwearten n.
‚Gefängnis‘, me. quartern (neben cw[e]artern)
‚dss.‘ im Sinne von ‚Seufz-Haus‘ abgeleitet
sein (weniger wahrscheinlich ist die Annahme,
†quartern n.¹ sei eine Umbildung von ae.
carcern ‚Kerker‘ [s. karkar] [eOED s. v.], denn
„the motivation for this is unclear“; ebenso-
wenig überzeugt Pogatschers 1888: 206 Herlei-
tung von ae. cweartern aus lat. quartarium: Das
lat. Wort ist nach eOED ebd. „not attested in
any relevant sense“).
Von einer von urgerm. *ku̯ere/a- derivierten
Nominalbildung stammt trotz der ein wenig
abweichenden Bed. wohl auch aisl. kvára sw.v.
II ‚röcheln, rasseln‘, nisl. kvora ‚dss.‘, nnorw.
dial. kværa ‚einen heiseren Laut ausstoßen,
klagen‘ < nordgerm. *ku̯ārōi̯e/a-.
Falls die außerdt. Wörter etym. in der Tat zu ahd. queran
gehören, kann dieses Verb nicht, wie Bersu 1885: 184
annimmt, aus lat. querī ‚klagen‘ entlehnt sein.
Fick 3 (Germ.)⁴ 61; Kroonen, Et. dict. of Pgm. 317;
Seebold, Germ. st. Verben 317 f.; Lasch-Borchling,
Mndd. Handwb. 2, 2, 1781. 1808; Schiller-Lübben,
Mndd. Wb. 3, 396; Holthausen, Ae. et. Wb. 64; Bosworth-
Toller, AS Dict. 177; Suppl. 137; eMED s. v. quartern n.;
eOED s. v. †quartern n.¹; Vries, Anord. et. Wb.² 336;
Jóhannesson, Isl. et. Wb. 418; Fritzner, Ordb. o. d. g.
norske sprog 2, 364; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord.
167; Magnússon, Ísl. Orðsb. 523. 530; Torp, Nynorsk et.
ordb. 354; NOBFM s. v. kværa.
Urgerm. *ku̯ere/a- hat keine gesicherte Etym.
Man führt das Verb zwar auf die Verbalwz.
uridg. *gu̯erH- ‚Zustimmung bekunden‘ zurück,
die u. a. in ai. járate ‚singt, begrüßt‘ (< uridg.
*gu̯érH-e/o-), ai. gṇti ‚begrüßt, rühmt‘,
jav. -gǝrǝṇte ‚preist‘, mkymr. barnu ‚(ein Urteil)
verkünden, (ver-)urteilen, richten‘, mbret. barn
‚urteilen‘ (< uridg. *gu̯-né/n-H-) fortgesetzt ist
(vgl. zu weiterem zugehörigen Material LIV²
210 f.). Diese Anbindung bleibt aber aus se-
mantischen Gründen zweifelhaft (das ahd. Verb
ist auch in LIV² ebd. nicht mit genannt); denn ur-
germ. *ku̯ere/a- wäre die einzige Entsprechung
dieser Wz., die eine ins Negative gehende
Bed.entwicklung aufweisen würde. Die als eine
Parallele für eine solche Bed.entwicklung seit
A. Bezzenberger, BB 16 (1890), 248 (vgl. auch
u. a. Zupitza 1896: 78; zuletzt auch noch
Kroonen, Et. dict. of Pgm. 317) immer wieder
mit dieser Wz. verbundenen Wörter gr. Hes.
δειριᾶν · λοιδορεῖσθαι. Λάκωνες ‚(aus-)schelten,
hart tadeln, schmähen, (aus-)schimpfen, lästern‘,
δειρεῖοι · λοίδοροι. οἱ αὐτοί ‚Lästerer, Läster-
maul‘, δερίαι · λοιδορίαι ‚Schelten, Schimpfen,
Schmähen, Lästern‘ sind aus semantischen
Gründen sicher zu trennen (dies geschieht zu
Recht in den etym. Wörterbüchern des Gr. wie
auch in LIV² ebd.).
Urgerm. *ku̯ere/a- könnte allenfalls dann zu der
Wz. uridg. *gu̯erH- gehören, wenn die Bed. der
germ. Fortsetzer von den Kontinuanten der Wz.
uridg. *ĝar- ‚tönen, rufen‘ (zur Wz. s. kara)
beeinflusst wäre. Dies ist aber nicht weiter
beweisbar.
Kroonen, Et. dict. of Pgm. 317 verbindet auch „Lith. gùrti
‚to scream‘ < *gwrH-“ mit urgerm. *ku̯ere/a-. Nach Aus-
weis von Kurschat 1968 ff.: 1, 676 hat das Verb aber nur
die Bed. ‚mürbe, locker, bröckelig werden (von der Erde,
dem Schnee, den Zähnen), auftrennen, reißen, hinfällig,
schwach werden, verfallen, zu Grunde gehen, sich legen
(vom Winde), zerfließen, zergehen, aufschwellen, (wie ein
Segel im Winde) wogen, Wellen schlagen, gellen (von den
Ohren)‘. Offenbar hat Kroonen ‚gellen‘ als ‚schreien‘
aufgefasst, das hier aber im Sinne von ‚durch den Schall
erschüttert werden und nachhallen‘ zu verstehen ist;
‚hallen‘ ist ebenso wie die Bed. ‚Wellen schlagen‘ eine
Übertragung und kann daher nicht für eine alte Schallbed.
in Anspruch genommen werden (zur [unsicheren] Etym.
von gùrti vgl. Fraenkel, Lit. et. Wb. 1, 179; Smoczyński,
Słow. et. jęz. lit.² s. v. gùrti; ALEW 1, 382 [s. v. *gurti]).
An gleicher Stelle vermutet Kroonen: ai. „járate ‚to call;
crackle (of fire)‘ continues a dissimilar root *ĝer(H)-“.
Dies ist nach dem in LIV² 210 f. angeführten weiteren ai.
und iran. Material und nach der Behandlung von ai. járate
durch Gotō 1987: 153–156 nicht möglich; auch ai. járate
stammt also von der Verbalwz. uridg. *gu̯erH- her.
Teilweise stellt man auch mir. berrán m. ‚Unannehm-
lichkeit, Ärger, Kummer‘ (zum Wort vgl. Hessens Ir.
Lex. 1, 89) zu dieser Wz. (vgl. bereits A. Bezzenberger,
a. a. O.; auch in Walde-Pokorny 1, 687), was aber offen
bleiben muss; das Wort erscheint nicht im eDIL. Denn es
ist neben der abweichenden Semantik unsicher, ob
das -rr- mit de Bernardo Stempel 1999: 519 das Resultat
einer Geminierung in Wörtern, die „[u]nangenehme
Erscheinungen bezeichnen“, ist oder ob das -rr- nicht
eher für einen Anschluss an air. berr ‚kurz‘ spricht (so
Vendryes, Lex. ét. de l’irl. anc. B-42).
Aus lautlichen, morphologischen oder semanti-
schen Gründen sind die in Seebold, Germ. st.
Verben 318 angeführten (und dort ebenfalls
abgelehnten) Verbindungen sicherlich nicht zu-
treffend: 1. Urgerm. *ku̯ere/a- als eine Var. von
*kerre/a- ‚knarren‘ (s. kerran); 2. Anschluss an
die Wz. urgerm. *ku̯ei̯- ‚klagen, jammern‘ (u. a.
in got. qainon ‚weinen, trauern‘); 3. Zu uridg.
*gu̯h₂-u- ‚schwer‘ (s. quirn).
Walde-Pokorny 1, 687; Pokorny 478; LIV² 210 f.;
Mayrhofer, KEWA 1, 343. 421; ders., EWAia 1, 468 f.;
Rastorgueva-Ėdel’man, Et. dict. Iran. lang. 2, 177 ff.;
Bartholomae, Airan. Wb.² 512; Cheung, Et. dict. of Iran.
verb 107; Frisk, Gr. et. Wb. 1, 358 f.; Chantraine, Dict. ét.
gr.² 248; Beekes, Et. dict. of Gr. 1, 311; Fick 2 (Kelt.)⁴ 169;
Matasović, Et. dict. of Proto-Celt. 57 f.; Add. s. v. *bar-na-;
Schumacher, Kelt. Primärverb. 213 f.; Dict. of Welsh 1, 260.
RS