querdar¹
Band VII, Spalte 77
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querdar¹ m./n. a-St., seit dem 10. Jh. in
Gl.: ‚Köder (am Angelhaken), Lockspeise; esca,
hamus, viscarium‘ 〈Var.: che-, co-; -er, -ir〉.
Das Genus ist aus den Belegen nicht erschließ-
bar. – Mhd. quërder st.n./m. (mit verschmolze-
nem -u- korder, körder; mit getilgtem -u-
kërder; mit getilgtem -r- këder, koder, köder)
‚Lockspeise, Köder‘, frühnhd. kerder, kerdel,
köder, korder m./n. ‚Lockspeise, Köder‘, nhd.
Köder m. ‚etw., das beim Fangen bestimmter
Tiere als Lockmittel dient‘.

Ahd. Wb. 7, 606 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 1230; eKöbler,
Ahd. Wb. s. v. kwerdar; Schützeichel⁷ 190; Starck-Wells
469. 828; Schützeichel, Glossenwortschatz 5, 428; Graff
4, 680; Lexer 2, 323; 3, Nachtr. 344; Frühnhd. Wb. 8,
801. 1249 f.; Dt. Wb. 11, 1571 ff.; 13, 2338. 2357; Kluge²¹
387; Kluge²⁵ s. v. Köder; ePfeifer, Et. Wb. s. v. Köder. –
Heyne 1899–1908: 2, 254.

Das Wort geht auf urgerm. *kerþra- zurück
und ist nach geläufiger Ansicht in den germ.
Sprachen isoliert.
Es ist jedoch möglich, dass es sich auch in
spätgot. quertra, dem Namen des Buchstabens
q (überliefert in der Salzburg-Wiener Alcuin-
Handschrift; Wien, Öster. Nationalbibl. Cod.
Salzburg 795) findet, da es got. *qairþra ‚Kö-
der‘ entspräche (vgl. u. a. Feist, Vgl. Wb. d. got.
Spr. 386 [ablehnend]; Lehmann, Gothic Et. Dict.
Q-5; N. Wagner, HS 107 [1994], 270 [ohne
Festlegung]; H. Birkhan, in Bammesberger-
Waxenberger 2006: 95 f.; Düwel 2008: 199 [zu-
stimmend]; dagegen E. Seebold, NOWELE
58/59 [2010], 93–101). Die Annahme, dass die
Namen für die Buchstaben p (pertra) und q
(quertra) etym. dasselbe Wort wären, wobei
pertra aus dem p-Kelt., quertra dagegen aus
dem q-Kelt. entlehnt sei, ist vom Entlehnungs-
szenario her unwahrscheinlich.

Kroonen, Et. dict. of Pgm. 218 verbindet noch (mit
„perhaps“ eingeschränkt) die Wörter mndl. coder ‚Kropf
unter dem Hals eines Rindes‘ und nndl. dial. (ostndl.)
coder ‚Speichel‘ mit ahd. querdar, obwohl sie „seman-
tically divergent“ sind. Sie gehören sicher nicht zu ahd.
querdar¹, da die beiden ndl. Wörter selbst unterschied-
liche Etymologien haben: mndl. coder ‚Kropf‘ stellt sich
zu nhd. dial. koder ‚Unterkinn, Kropf, Vormagen‘ (vgl. die
Belege bei Kluge²¹ 836 [s. v. Wamme]) und mndd. kōder
(kāder, kodder) m. ‚Unterkinn, Doppelkinn, Schwellung
am Hals‘ (Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 2, 1, 605);
nndl. dial. coder ‚Speichel‘, daneben auch ‚Schleim,
Rotz‘, gehört (wegen der östlichen Verbreitung vielleicht
als Lehnwort aus dem Dt.) zu frühnhd. koder m. ‚zäher
Schleim‘ (Frühnhd. Wb. 8, 1249), mndd. koder (kodder)
m. ‚Schleim, schleimiger Auswurf‘ (Lasch-Borchling,
Mndd. Handwb. 2, 1, 605). Dazu kommt, dass sich in
den hd. und ndd. Entsprechungen zu diesen beiden ndl.
Wörtern, falls sie tatsächlich auf urgerm. *k- zurück-
gingen, nach Dt. Wb. 11, 1569 „[v]on dem urspr. qu- …
freilich auch noch hd. nd. spuren finden“ lassen
müssten, was nicht der Fall ist.

Fick 3 (Germ.)⁴ 61; Kroonen, Et. dict. of Pgm. 218.

Urgerm. *kerþra- ist ein Nomen instrumenti,
das von der Wz. uridg. *gerh₃- ‚verschlingen‘
(s. dazu unter querka f. ‚Kehle, Gurgel‘) mit
dem Suff. uridg. *-tro- abgeleitet ist; zur
Bildeweise der Vorform uridg. *gérh₃-tro- vgl.
gr. δέλετρον ‚Köder‘ < *gélh₁-tro- ‚das, was
man auswirft‘ zur Wz. uridg. *gelh₁- ‚werfen‘.
Zur Genese des Suff. uridg. *-tro- vgl. zuletzt
Neri 2011: 135.

Walde-Pokorny 1, 683; Pokorny 474; Frisk, Gr. et. Wb.
1, 360 f.; Chantraine, Dict. ét. gr.² 249; Beekes, Et. dict.
of Gr. 1, 312. – Neri 2011: 161.

S. querdar², querka.

RS

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