râfo
Band VII, Spalte 136
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râfo m. n-St., seit der Mitte des 9. Jh.s
in zahlreichen Gl.: ‚Balken, Sparren, (pl.) Gebälk,
Balkendecke; asser, laquearium, lucta(ns), pars
tabulati, tholus, tigillum, tignum, umerulus
〈Var.: -b-, -ph-, -u-, -v-, -w-, -f; -e, -i〉. – Mhd.
râve sw.m. ‚Sparren, Dachsparren‘, ält. nhd.
Rafe m. ‚Sparren, Dachsparren‘.

Ahd. Wb. 7, 637 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 722; eKöbler, Ahd.
Wb. s. v. rāfo; Schützeichel⁷ 252; Starck-Wells 474;
Schützeichel, Glossenwortschatz 7, 309 f.; Seebold,
ChWdW9 658; Graff 2, 494 f.; Lexer 2, 353; Diefenbach,
Gl. lat.-germ. 583 (tigillum); Dt. Wb. 14, 54 f.

In den anderen germ. Sprachen entsprechen: as.
rāwo sw.m. ‚Dachbalken‘, mndd. -rāve in wīn-
rāve(n) m. ‚Weinstock‘; mndl. rave m. ‚Dach-
sparren‘, nndl. raaf ‚Dachbalken, Dachspar-
ren‘: < urgerm. *rēf-an-.
Die nordgerm. Formen aisl. ráf n. ‚Dachstuhl,
Dachraum‘, r(j)áfr m. ‚Vordach‘, nisl. ráf n.,
r(j)áfur m. (bisweilen mit sekundärem j-Ein-
schub), ræfur m. ‚dss.‘, fär. rævur m. ‚dss.‘,
ræva f. ‚Dachbalken‘, nnorw. dial. und (nn.)
raav bzw. råv ‚Vordach‘ neben ræve ‚Dach-
raum‘ deuten dagegen auf einen in verschiede-
ner Weise fortgesetzten s-St. urgerm. nom.
*rēf-az, gen. *rēfiz(iz) > aisl. etc. ráf n. Aisl.
ráfr m. ist entweder sekundär daraus entstanden
oder aus einer sekundären Erweiterung *rēf-
aza- > aisl. etc. ræf-.

Eine Entlehnung des Wortes ins Ostseefinn., die in äl-
terer Literatur bisweilen angenommen wurde, hat wohl
nicht stattgefunden. Bei den dafür angeführten Wörtern
ergeben sich durchweg lautliche und semantische Prob-
leme.

Fick 3 (Germ.)⁴ 338; Kroonen, Et. dict. of Pgm. 408;
Schiller-Lübben, Mndd. Wb. 5, 732 f.; Verwijs-Verdam,
Mndl. wb. 6, 1069; Vries, Anord. et. Wb.² 431; Jóhannesson,
Isl. et. Wb. 721 f.; Fritzner, Ordb. o. d. g. norske sprog
2, 26 f.; ONP s. vv. ráf, ráfr, rjáfr, ?ræf, ?ræfr¹, ræfr²;
Jónsson, Lex. poet. 459. 474; Holthausen, Vgl. Wb. d.
Awestnord. 222; Magnússon, Ísl. Orðsb. 738 (ráf²,
ráfur). 767. 785; Torp, Nynorsk et. ordb. 521. 560; NOB
s. v. (nn.) råv; Kylstra, Lehnwörter 3, 139 f.

Urgerm. *rēf-an- < vorurgerm. *rēp-on- hat Ent-
sprechungen im Baltoslaw.: russ.-ksl. rěpijь,
rěpьjь m. ‚Pfahl‘ < gemeinslaw. *rěpija- <
urslaw. *rēpia- < vorurslaw. *rēp-(i)o-. Ob
die lautlich damit identischen oder zumindest
von einer gemeinsamen Basis stammenden
Pflanzenbez. aksl. rěpije n. ‚Disteln‘, nruss.
repéj m., auch repéjnik m. ‚Klette, Distel‘, ukrain.
repýk m. ‚Agrimonia eupatoria‘, wruss. rapéj,
rapén’ m. ‚Klette, Distel‘, bulg. répej m.
‚Klette‘, serb., kroat. rèpūh, gen. repúha m.
‚Eselsdistel‘, slowen. repjè n. koll. ‚Kletten‘,
tschech. řepík m. ‚Odermennig, Leberklette‘,
slowak. repík m. ‚dss.‘, poln. rzep, gen.
rzep(i)u m. ‚Klette‘ zugehörig sind, wird un-
einheitlich beurteilt. Wegen der Semantik er-
scheint der Zusammenhang jedenfalls als
fraglich. Gleiches gilt letztlich auch für balt.
Vergleichsformen wie lit. rplinti ‚aufrichten,
etw. Ungefüges an einen unpassenden Ort stel-
len‘ < urbalt. *rēp-l-in-e/a-, wenn es eine Fak-
titivbildung auf *-in-e/a- zu urbalt. *rēp-la-
‚aufrecht‘, ggf. auch ‚Stock, Pfahl‘ ist; aller-
dings steht bei Fraenkel, Lit. et. Wb. 2, 720 (s. v.
rėplióti) das Verb im Kontext von Verben, die
alle im weitesten Sinne ‚kriechen‘ bedeuten.
Dies würde wiederum eher zu den Bez. für die
Klette u.ä. im Slaw. passen.
Während nach Vries, Anord. et. Wb.² 431 die
Benennung des Balkens bzw. Gebälks von ei-
ner handwerklichen Tätigkeit beim Hausbau,
bei der die Rinde zuerst vom Stamm abgezogen
werden musste und dann zum Dachdecken ver-
wendet wurde, ausgeht (in diesem Fall aber mit
Anschluss an die Sippe von rafo [s. d.]), ist auf-
grund der möglichen Verwandten in den ande-
ren idg. Sprachen, bes. im Baltoslaw., wohl
auch hier eine Grundbed. ‚aufrecht (stehen),
Pfahl‘ gegeben. Diese Wz. hat entweder die
Lautform uridg. *(H)reh₁p- (vgl. Pokorny 866)
oder *(H)rep-. Die germ. Bildungen würden
dann durchgängig die Dehnstufe zeigen.
Die im Balt., Slaw. und Germ. bezeugten o. g.
Formen aus den Bed.feldern ‚Pfahl‘, ‚krie-
chen‘, ‚anhaften, Klette‘ zu verbinden, ist kaum
angängig.

Walde-Pokorny 2, 370; Pokorny 866; Et. slov. jaz. sta-
roslov. 765; Vasmer, Russ. et. Wb. 2, 513; ders., Ėt. slov.
russ. jaz. 3, 471; Fraenkel, Lit. et. Wb. 2, 720 (s. v.
rėplióti); Smoczyński, Słow. et. jęz. lit.² 1018 f. (s. v.
rpti). – Brückner [1927] 1993: 475; Georgiev 1974 ff.:
6, 225 f.; Martynaŭ-Cychun 1978 ff.: 11, 101; Machek
1997: 530; Orel 2011: 3, 161; Králik 2015: 500 f.; Rejzek
2015: 611.

HB

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