râza f. ōn-St., in Gl. 2,622,11 (1. Drittel
des 11. Jh.s, mfrk.): ‚Honigwabe; favus‘. – Mhd.
râze st./sw.f., râz st.n. ‚Honigwabe‘, ein vûres
râze ‚Scheiterhaufen‘, nhd. Roße f., auch Roß
m./n. ‚Honigwabe‘. Die älteren Formen sind
v. a. md., im Obd. ist Wabe vorherrschend.
Ahd. Wb. 7, 715; Splett, Ahd. Wb. 1, 1230; eKöbler, Ahd.
Wb. s. v. rāza; Schützeichel⁷ 254; Starck-Wells 474;
Schützeichel, Glossenwortschatz 7, 339; Bergmann-
Stricker, Katalog Nr. 877; Lexer 2, 354; Diefenbach, Gl.
lat.-germ. 228 (favus); Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 258
(favus); Dt. Wb. 14, 1286 f.; Kluge²¹ 608; Kluge²⁵ s. v.
Roße; ePfeifer, Et. Wb. s. v. Roß².
In den anderen germ. Sprachen entsprechen:
das HG in dem Komp. mndd. honichrote ‚Ho-
nigwabe‘, daneben das Komp. mndd. kal-
krose, -rȫse ‚geschichtetes Holz zum Kalkbren-
nen‘ (mit hd. Lautform, also wohl Lehnwort?);
andfrk. *rāta f. (älter *hrāta, erwiesen durch
mlat. frata ‚Honigwabe‘ in den Reichenauer
Gl.), (früh-)mndl. rate f. ‚Honigwabe, Bienen-
wabe, Wabe im Wespennest‘, nndl. raat f.
‚Wabe‘: < urgerm. *χrēt-a/ō(n)- mit der urspr.
Bed. ‚Geflecht, Gewebe‘.
Innerhalb des Germ. gehört urgerm. *χrōta-
‚Dach‘ (> got. hrot n. ‚Dach, Haus; στέγη,
δῶμα‘, aisl. hrót n. ‚Dach, Raum unterm Dach‘,
nnorw. [nn.] rot, rôt ‚dss.‘, schwed. dial. rot
‚Dachlatte, Latte als Unterlage der Decke‘)
dazu, das im Ablaut zu urgerm. *χrēt-a/ō(n)-
steht. Das Wort bedeutete wohl ‚Flechtwerk‘
und bezeichnete entweder ein aus Zweigen ge-
flochtenes Dach, ein Reetdach o. ä. oder die
Balkenkonstruktion des Dachstuhls. Weiter zu-
gehörig können dann auch die Sippen um rôst¹
‚Rost, Bratrost, Scheiterhaufen‘ (s. d.) und rôst²
‚Dachwerk, Sparrenwerk‘ (s. d.) sein, die mög-
licherweise beide auf Ableitungen von urgerm.
*χrōt- mit einem Suff. *-st- oder einem Komp.
mit dem Fortsetzer von uridg. *sth₂-o- (zur Wz.
uridg. *steh₂- ‚stehen, hintreten‘; vgl. etwa die
Bildung von ahd. first ‚First, Gipfel‘ [s. d.]) be-
ruhen.
Kroonen, Et. dict. of Pgm. 245. 249; Lasch-Borchling,
Mndd. Handwb. 1, 2, 349. 506; Schiller-Lübben, Mndd.
Wb. 2, 295. 420; ONW s. v. rāta; VMNW s. v. rate; Verwijs-
Verdam, Mndl. wb. 6, 1065 f.; Franck, Et. wb. d. ndl. taal²
530; Suppl. 134; Vries, Ndls. et. wb. 556 f.; Et. wb. Ndl.
Ke-R 615 f.; WNT s. v. raat¹; Vries, Anord. et. Wb.² 261;
Fritzner, Ordb. o. d. g. norske sprog 3, 131 (rót); ONP s. v.
287; Jónsson, Lex. poet. s. v. hrót; Holthausen, Vgl. Wb. d.
Awestnord. 129; Magnússon, Ísl. Orðsb. 379; Falk-Torp,
Norw.-dän. et. Wb. 2, 912 f.; Torp, Nynorsk et. ordb. 544
(rôt¹); NOB s. v. (nn.) rot⁴; NOBFM rot³; Feist, Vgl. Wb. d.
got. Spr. 270 f.; Lehmann, Gothic Et. Dict. H-96.
Urgerm. *χrēta-/ō- weist auf vorurgerm.
*kreh₁d-o/eh₂-. Diese Form findet Anschluss an
aksl., russ.-ksl. krada f. ‚Scheiterhaufen, Holz-
stoß‘, slowen. kráda f. ‚Scheiterhaufen, Holz-
haufen, Gradierwerk‘, wenn die slaw. Wörter
auf urslaw. *krādā- < vorurslaw. *krōdā- <
uridg. *kroh₁d-eh₂- zurückgehen. Doch spre-
chen andere slaw. Formen wie atschech. krada
f. ‚Feuerzeug, Leuchte‘ mit der Vokalkürze in
der Wz., ukrain. dial. kóroda f. ‚Haufen Brenn-
holz‘ mit seinem Akzent und poln. dial. króda
f. ‚auf dem Feld abgelegter Haufen Ähren‘ eher
für gemeinslaw. *korda- < urslaw. *kardā- <
vorurslaw. *kor(H)d-eh₂- (die Form ist hinsicht-
lich eines etwaigen in der Wz. ehemals enthal-
tenen Laryngals nicht aussagekräftig, da dieser
neben der o-Stufe nach der Saussureschen Re-
gel geschwunden sein kann. Gegenüber den
germ. Formen würden die slaw. dann aber
Schwebeablaut zeigen, der noch gesondert er-
klärt werden müsste).
Die Zugehörigkeit von bisweilen dazugestell-
tem ukrain. koróda ‚stark verästelter Baum‘ ist
aufgrund der abweichenden Bed. und des darin
fortgesetzten urslaw. Akuts auf der Wz. zwei-
felhaft.
Das westgerm. Wort für die Bienenwabe wurde
zweimal ins Gallorom. entlehnt: Einmal als and-
frk. *hrāta > afrz., mfrz. ree f. ‚Bienenwabe‘,
mfrz. auch raye, nfrz. dial. rêve, ré etc. und ein-
mal in frühahd. Lautung: *hrâza ‚Geflecht‘ >
mfrz. harace f. ‚Netz aus verknoteten Schnü-
ren‘, nfrz. dial. haras etc. ‚dss.‘.
Aufgrund des Wz.auslauts bleibt auch bisweilen in diesem
Kontext genanntes lat. crātis f. ‚Bienenwabe‘ < vorurit.
*kH-ti-, ggf. *kreh₂-ti- (s. dazu auch die Diskussion un-
ter hurt ‚Flechtwerk, Hürde‘) fern, es sei denn, es gab
eine Verwandtschaft auf einer noch früheren Stufe und es
existierten verschiedene Wz.erweiterungen einer Wz.
frühuridg. *ker- o. ä. (Walde-Pokorny 1, 421 f.; Pokorny
584 f.; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. 1, 285 f.; Ernout-
Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 147; de Vaan, Et. dict. of Lat. 141;
Thes. ling. lat. 4, 1111 f.).
Die in älteren Etymologika des Öfteren damit verbunde-
nen Wörter lit. krslas m. ‚Sessel, Stuhl, Rungenstock‘
(samt seinen Verwandten lett. krę̂sls m. ‚Stuhl‘, apreuß.
creslan n. ‚Lehnstuhl‘), aruss. krěslo n. ‚Sessel, Stuhl‘,
nruss. kresló n., ukrain. kríslo n., tschech. křeslo n., slo-
wak. kreslo n., dial. krieslo n., apoln. krzasło n., npoln.
kresło n., das meist auf urbalt.-slaw. *krd-sla- (oder
*krt-sla-) zurückgeführt wurde (der Stuhl gedacht als
Sparrenwerk), bleiben fern. Diese Sippe stellt sich zu lit.
krãsė f. ‚Schemel, Sitzbank‘ etc. < urbalt. *kras-ii̯ā- und
deutet so auf eine Wz. vorbalt.-slaw. *kres- ‚(sich) dre-
hen, (sich) biegen‘ als Grundlage (Trautmann, Balt.-Slav.
Wb. 141; Berneker, Slav. et. Wb. 1, 614 f.; Trubačëv, Ėt.
slov. slav. jaz. 12, 126 ff.; Derksen, Et. dict. of Slav. 247;
Vasmer, Russ. et. Wb. 1, 661; ders., Ėt. slov. russ. jaz. 2,
373; Derksen, Et. dict. of Balt. 257; Fraenkel, Lit. et. Wb.
1, 294; Smoczyński, Słow. et. jęz. lit.² 560 f. 568 f.; ALEW
1, 519. 523 f.; Mühlenbach-Endzelin, Lett.-dt. Wb. 2,
276; 5, 651 f.; Karulis, Latv. et. vārd. 1, 424; Trautmann,
Apreuß. Spr.denkm. 363; Mažiulis, Apreuß. et. Wb.² 464 f.;
Toporov, Prusskij jazyk K-L 179 ff. – Brückner [1927]
1993: 275; Mel’nyčuk 1982 ff.: 3, 98 f.; Orel 2011: 2,
147; Králik 2015: 300; Rejzek 2015: 350 f.).
Wartburg, Frz. et. Wb. 16, 237 f. 238. 673; Berneker,
Slav. et. Wb. 1, 605; Trubačëv, Ėt. slov. slav. jaz. 11,
58 ff.; Derksen, Et. dict. of Slav. 234; Et. slov. jaz. staro-
slov. 354 f.; Bezlaj, Et. slov. slov. jez. 2, 78; Vasmer,
Russ. et. Wb. 1, 653 f.; ders., Ėt. slov. russ. jaz. 2, 363 f. –
Mel’nyčuk 1982 ff.: 3, 37.
HB