râzi
Band VII, Spalte 227
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râzi adj., ab dem 1. Viertel des 9. Jh.s in
Gl., im T, OT: ‚reißend, scharf, wütend, grim-
mig, heftig, frech; ferox, furiis receptus, rabidus,
rabulus, rapax, rapidus ?, raucus, scyllaeus,
truculentus‘, râzi wînbero ‚Rosine; uva passa
〈Var.: -zz-〉. – Mhd. ræze, md. rêze adj. ‚wü-
tend, wild, bissig, heftig, hitzig, keck, munter‘,
frühnhd. reß adj. ‚salzig, scharf (von Essen und
Getränken‘, nhd. v. a. obd. (und dial.) räss adj.
‚reißend, wild, heftig, hitzig‘, bis ins 18. Jh. obd.
auch schriftsprachlich verwendet; vgl. bair., ti-
rol., kärnt., thür. rass, räss adj., els. räs adj.
‚scharf, heftig, mutig‘‚ schweiz. rāss, rǟss adj.
‚scharf, schneidend, rau, unangenehm, rasch‘,
verbreitet im Obd. auch in dem Komp. schwäb.,
vorarlb., bair. zapf(en)räss adj. ‚heftig, scharf,
sauer (vom Geschmack)‘.

Ahd. Wb. 7, 715 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 729; eKöbler, Ahd.
Wb. s. v. rāzi; Schützeichel⁷ 254; Starck-Wells 474;
Schützeichel, Glossenwortschatz 7, 339 f.; Seebold,
ChWdW9 662. 1100; Graff 2, 556 f.; Lexer 2, 354; 3,
Nachtr. 345; Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 260 (ferox). 552
(rapax); Götze [1920] 1971: 177; Dt. Wb. 14, 154 ff.; 31,
274 (zapfräsz); Kluge²¹ 583 f.; Kluge²⁵ s. v. räß; ePfeifer,
Et. Wb. s. v. räß. – Schweiz. Id. 6, 1269 ff.; Stalder, Ver-
such eines schweiz. Id. 2, 259 f.; Martin-Lienhart, Wb. d.
els. Mdaa. 2, 284; Ochs, Bad. Wb. 4, 193; Fischer,
Schwäb. Wb. 5, 146; 6, 1049; 6, 2 Nachtr. 3455; Jutz,
Vorarlberg. Wb. 2, 651 f. 1682; Schmeller, Bayer. Wb
2, 137 f. 1142 (s. v. Zapfen); Lexer, Kärnt. Wb. 204;
Schöpf, Tirol. Id. 535; Schatz, Wb. d. tirol. Mdaa. 2, 472;
Unger-Khull, Steir. Wortschatz 492; Spangenberg, Thür.
Wb. 5, 48. – eWdW s. v. räß.

Das Adj. ist nur im Dt. bezeugt, indirekt ist es
auch durch andfrk. rāton ‚ärgern, Sorgen berei-
ten‘ nachgewiesen: < westgerm. *rētia-.

Fick 3 (Germ.)⁴ 336; Kroonen, Et. dict. of Pgm. 409; Heider-
manns, Et. Wb. d. germ. Primäradj. 446 f.; ONW s. v. rāton.

Dass westgerm. *rǣtia- eine Weiterbildung von
ält. urgerm. *rēta- ist- (so Heidermanns a. a. O.),
ist möglich, aber nicht zu beweisen. Dasselbe gilt
für die Bestimmung als Vddhi-Gerundiv uridg.
*Hrēh₃d-i- (besser wohl uridg. *Hrēh₃d-o-) zu
einem verlorenen st. V. urgerm. *rōtan- ‚beißen‘
(< uridg. *Hreh₃d-e/o-; so Kroonen, a. a. O.), so-
fern man die angesetzte Wz.gestalt akzeptiert
(s. u.; vgl. zu diesem Wortbildungstyp im Ahd.
u. a. auch biquâmi ‚bequem‘ und gisprâchi ‚ge-
sprächig‘ [Krahe-Meid 1969: 3, § 70, 2]).
Die Verknüpfung dieses Adj. mit dem Wort für
die Ratte (s. ratta; nach Lühr 1988: 285) bleibt
problematisch, da man entweder mit einem ana-
logischen Wandel des Auslauts der dabei zu-
grunde gelegten Wz. *reh₁dh- oder mit expres-
siver Umgestaltung rechnen muss.
Das westgerm. Adj. wird traditionell mit Ver-
ben im Indoiran. und It. zusammengestellt: ai.
rádati ‚beißt, nagt, schneidet, eröffnet‘, jav.
rāδaiti ‚bereitet (den Weg), bahnt‘ (mit wohl a-
nalogischem -ā-; so schon Gotō 1987: 260), lat.
rādere ‚scharren‘ und rōdere ‚nagen‘. Da lat.
rādere aber aufgrund kelt. Verwandter (mkymr.
r[h]athu ‚kratzen, feilen‘, bret. razhañ, rahein
[Vannetais] ‚kratzen‘) eine Wz. uridg. *rasd-
(gegebenenfalls auch *resd-) ‚kratzen‘ fortsetzt
(wenn diese nicht gar mit Matasović, Et. dict. of
Proto-Celt. 306 als Ableitung von einem ver-
dunkelten Komp. vorurkelt. *[H]reh₂s-dh[h₁]-
o- zu bestimmen ist), entfällt dieser Vergleich.
Das ahd. Adj. deutet wohl zusammen mit dem
indoiran. Verb auf eine Wz. uridg. *(H)red-
(LIV² 497: *Red-). Ahd. râzi würde dann west-
germ. *rātia- < urgerm. *rētia- < uridg.
*(H)rēd-o- fortsetzen. In diesem Fall müsste
wahrscheinlich zugehöriges mpers. rand ‚krat-
zen‘ sekundär aus *(H)r-n(e)-d- umgebildet
sein. War die Wz. aber uridg. *rend- und ai.
rad- eine sekundär zur Vollstufe umgedeutete,
eigentlich schwundstufige Wurzelform uriiran.
*rd-, bliebe ahd. râzi fern.
Lat. rōdere wiederum hat ebenfalls zwei mögli-
che Vorformen (oder es sind in dem lat. Verb
zwei urspr. verschiedene Wz. zusammengefal-
len), entweder uridg. *Hreh₃d-e/o- oder *reh₃d-
e/o-. Im zweiten Fall ergibt sich ein direkter
Zusammenhang von lat. rōdere mit urgerm.
*rōte/a- > ae. wrōtan, ahd. ruozen ‚aufwühlen,
aufbrechen‘ (s. d.), sodass ahd. râzi noch weitere
innergerm. Verwandte hätte. Oder lat. rōdere ist
aus uridg. *Hreh₃d-e/o- entstanden, dann geht
westgerm. *rǣtia- auf *Hrēh₃d-o- zurück, und
ai. rádati (in dem mit de Vaan, Et. dict. of Lat. 526
die Möglichkeit des Schwundes eines Laryngals
in der Wz. nicht gegeben war) und ahd. ruozen
bleiben fern. Vielleicht zugehörig ist dann auch
heth. ardu- ‚sägen‘ < uridg. *Hh₃d-u-; aber über
die Etym. dieses Verbs und zugehörigem heth.
ardāl(a)- n. ‚Säge‘ herrscht keine Einigkeit.

Walde-Pokorny 1, 273 f.; 2, 369; Pokorny 854. 1153;
LIV² 496. 497; Mayrhofer, KEWA 3, 39 f.; ders., EWAia 2,
430 f.; Bartholomae, Airan. Wb.² 1520 f.; Walde-Hofmann,
Lat. et. Wb. 2, 415. 439 f.; Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴
563. 575; de Vaan, Et. dict. of Lat. 512. 526; Thes. ling.
lat. 11, 2, 47 ff.; Niermeyer, Med. Lat. lex.² 2, 1149; Du
Cange² 7, 203; Körting, Lat.-rom. Wb.³ Nr. 7718. 8127;
Meyer-Lübke, Rom. et. Wb.³ Nr. 6987. 7358; Wartburg,
Frz. et. Wb. 10, 14 f. 442 f.; Fick 2 (Kelt.)⁴ 227; Matasović,
Et. dict. of Proto-Celt. 306; Add. 32; Schumacher, Kelt.
Primärverb. 528 f.; Dict. of Welsh 3, 3040; Deshayes,
Dict. ét. du bret. 615 f.; Friedrich-Kammenhuber, Heth.
Wb. 1, 347. 348; Kronasser, Etym. d. heth. Spr. 1, 84. 172.
548; Tischler, Heth. et. Gl. 1, 69; Kloekhorst, Et. dict. of
Hitt. 211. – Abaev 1958–89: 2, 375.

HB

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