rechan² st.v. IV, nur 3.pl.prät. rahhun .
ruebant in Gl. 2,668,8 (11. Jh., bair.): ‚rechen,
häufeln, zusammenscharren; ruere‘. Das Verb
ist erst sekundär (analogisch nach brechan ‚bre-
chen‘ [s. d.]) aus der Klasse V in die Klasse IV
übergetreten, wie die Form des Part.Prät. bere-
chene . sopitos in Gl. 2,709,27 (s. birechan)
mit -e- anstelle von -o- zeigt; vgl. dazu Braune-
Heidermanns 2018: § 341 Anm. 1b. – Mhd.
rëchen st.v. ‚mit den Händen zusammenkratzen,
raffen, scharren, häufeln‘, nhd. dial. bair., tirol.
rechen st.v. ‚zusammenscharren, Heu rechen‘.
Dagegen sind die sw. V. mhd. rëchen ‚mit dem
Rechen zusammenhäufen‘, nhd. rechen ‚har-
ken‘ zum Subst. ahd. recho m. ‚Rechen, Harke,
Hacke‘ gebildet, das seinerseits selbst wieder
von dem st. V. rechan² abgeleitet ist.
Ahd. Wb. 7, 784 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 735; eKöbler, Ahd.
Wb. s. v. rehhan²; Starck-Wells 477; Schützeichel, Glossen-
wortschatz 7, 359 (fälschlicherweise unter <rehhan> =
rechan¹ gelistet); Bergmann-Stricker, Katalog Nr. 634;
Graff 1, 1133 (fälschlicherweise unter REHHAN =
rechan¹ gelistet); Lexer 2, 360; 3, Nachtr. 345; Dt. Wb.
14, 340 f.; Kluge²¹ 588 (s. v. Rechen); Kluge²⁵ s. v. Re-
chen; ePfeifer, Et. Wb. s. v. Rechen. – Schmeller, Bayer.
Wb.² 2, 16 f.; Schöpf, Tirol. Id. 541; Schatz, Wb. d. tirol.
Mdaa. 2, 476.
In den anderen germ. Sprachen entsprechen
(einzelsprachlich teils mit Zusammenfall mit
der Entsprechung von mhd. rëchen sw.v. ‚mit
dem Rechen zusammenhäufen‘): mndd. rāken
sw.v. ‚zusammenholen, zusammenscharren, um-
wenden, untereinander schieben, vermischen,
verscharren, unterwühlen, (mit einem Werk-
zeug, einem Rechen, einem Feuereisen) heran-,
herausziehen, rechen‘; mndl. reken (reecken)
st./sw.v. ‚zusammenkratzen, zusammenschar-
ren‘, nndl. dial. reken sw.v. ‚mit Asche bede-
cken‘; nwestfries. -rekke (in berekke st.v. ‚das
Feuer unter Asche bedecken‘); me. rēken (ne-
ben reke) sw.v. ‚bedecken, begraben, verber-
gen‘, ne. dial. rake sw.v. ‚ein Feuer mit Asche
oder Kohlen bedecken‘; got. rikan* st.v. ‚an-
häufen; σωρεύειν‘ (Braune-Heidermanns 2004:
§ 176 Anm. 1): < urgerm. *reke/a-.
Umstritten ist die Zugehörigkeit von ae. recan
st.v. ‚gehen, stürzen, sich bewegen, bringen‘,
me. rēken ‚eilen, stürzen, rennen, durchdringen,
beherrschen, kontrollieren, stürzen‘ (so früher
etwa Holthausen, Ae. et. Wb. 255 und jetzt wie-
der LIV² Add. s. v. ?*reĝ-), da die betreffenden
Wörter auch zur Verbalwz. uridg. *reĝ- ‚fließen‘
gehören können (vgl. etwa Seebold, Germ. st.
Verben 374 [mit Fragezeichen]; St. Schumacher,
in Meiser-Hackstein 2005: 614 Fn. 58).
Für das Afries. wird in einigen Wörterbüchern ein Verb
reka ‚zusammenscharren‘ angesetzt (vgl. Holthausen-
Hofmann 1985: 145: „†reka stv. zusammenscharren“;
Et. wb. Ndl. Ke-R 664: „ofri. reka [alleen verl.deelw.] ‘bij
elkaar halen’“), das aber vermutlich ein Ghostword ist;
bei Hofmann-Popkema, Afries. Wb. findet es sich nicht;
kritisch zu dessen Existenz bereits Seebold, Germ. st.
Verben 373: „reka ‚zusammenscharren‘ kann ich nicht
belegen“.
Fick 3 (Germ.)⁴ 334; Kroonen, Et. dict. of Pgm. 409;
Seebold, Germ. st. Verben 373 f.; Lasch-Borchling,
Mndd. Handwb. 2, 2, 1846 f.; Schiller-Lübben, Mndd. Wb.
3, 415; Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 6, 1246 f.; Vries, Ndls.
et. wb. 559 (s. v. raken²); Et. wb. Ndl. Ke-R 663 f. (s. v. riek);
WNT s. v. reken²; Fryske wb. 2, 95; Dijkstra, Friesch Wb.
1, 153; Holthausen, Ae. et. Wb. 255; Bosworth-Toller, AS
Dict. Suppl. 685; eMED s. vv. rēken v.¹, rēken v.²; eOED
s. vv. rake v.², †reke v.¹, †reke v.²; Feist, Vgl. Wb. d. got.
Spr. 397 f.; Lehmann, Gothic Et. Dict. R-21.
Das Verb urgerm. *reke/a- geht trotz seiner
spezialisierten Bed. (s. u.) auf vorurgerm.
*h₃réĝ-e/o-, eine sekundäre Thematisierung des
uridg. Wz.präs. *h₃rḗĝ-/h₃réĝ- zur Verbalwz.
uridg. *h₃reĝ- ‚gerade richten, ausstrecken‘,
zurück.
Das uridg. Wz.präs. *h₃rḗĝ-/h₃réĝ- liegt –
mehrheitlich ebenfalls mit sekundärer Themati-
sierung – in ved. (RV 1,104,4) rṣṭi ‚herrscht‘,
eine Form, die nach Gotō 1987: 270 aber nicht
als Beweis für alte athematische Flexion aus-
reicht, und rjati ‚herrscht, glänzt‘ mit sekun-
därer Bed. ‚glänzen‘, jav. -rāzaiti (in vīrāzaiti
‚schafft Ordnung, gebietet‘), gr. ὀρέγω ‚strecke
(die Hand) aus, reiche dar, strecke mich, suche
zu erreichen‘, lat. regere ‚gerade richten, lenken,
leiten, regieren, beherrschen, das Regiment füh-
ren, zurechtweisen‘, gall. (1.sg.ind./konj.präs.)
regu ‚ich mache gerade‘, air. a-t·raig ‚er erhebt
sich‘, mkymr. re ‚dss.‘, mbret. go(u)rren ‚heben,
(sich) erheben, (auf-)sammeln‘, mkorn. gorre
‚setzen, legen, stellen‘ (zu weiteren Formen
vgl. Schumacher, Kelt. Primärverb. 530 ff.),
toch. B rāśäṃ ‚soll ausstrecken, ausbreiten‘
(vgl. Hackstein 1995: 118–120; Malzahn, Toch.
Vb. Sys. 814) vor.
Die Form jav. -rāzaiti deutet Cheung, Et. dict. of Iran.
verb 306 f. jetzt als ‚prahlt‘ und stellt sie zur Verbalwz.
uridg. *leh₂k̂- ‚rufen‘; noch anders Bartholomae, Airan.
Wb.² 1526: „geht hin und her“.
Enge semantische und lautliche Berührungen hat die
Verbalwz. uridg. *h₃reĝ- mit der Verbalwz. uridg. *rei̯ĝ-
‚(sich) strecken, recken‘ (vgl. LIV² 503). Aus diesem
Grund nimmt B. A. Olsen, FS Rix 1993: 362 f. Fn. 2 an,
dass beide aus einer einzelnen Wz. *h₃ri̯eĝ- stammen.
Dies bleibt aber unsicher.
Die Bed. ‚zusammenscharren‘ im Germ. ist
wohl durch Einfluss der Bed. der Ableitung ur-
germ. *rekan- ‚Rechen‘ (s. recho) aufgekom-
men (vgl. Seebold, Germ. st. Verben 373).
Walde-Pokorny 2, 362 ff.; Pokorny 854 ff.; LIV² 304 f.;
Add. s. v. ?*reĝ-; Mayrhofer, KEWA 3, 56; ders., EWAia
2, 444; Bartholomae, Airan. Wb.² 1514; Cheung, Et.
dict. of Iran. verb 196 ff.; Frisk, Gr. et. Wb. 2, 412 f.;
Chantraine, Dict. ét. gr.² 788; Beekes, Et. dict. of Gr. 2,
1099; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. 2, 426 f.; Ernout-
Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 567 ff.; de Vaan, Et. dict. of Lat.
517 f.; Fick 2 (Kelt.)⁴ 231; Matasović, Et. dict. of Proto-
Celt. 308; Schumacher, Kelt. Primärverb. 530 ff.;
Delamarre, Dict. gaul.³ 256; Vendryes, Lex. ét. de l’irl.
anc. R-13 f.; Kavanagh-Wodtko, Lex. OIr. Gl. 116;
eDIL s. v. at-reig; Dict. of Welsh 3, 3042; Adams, Dict.
of Toch. B² 2, 572 f. – K. Strunk, FS Hoenigswald
1987: 385–392; Gotō 1987: 267–271; Lühr 2000: 57 f.;
Mottausch 2013: 47 f.
RS