rechanôn
Band VII, Spalte 296
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rechanôn sw.v. II, nur bei N: ‚ordnen,
lenken, bereiten, einrichten, Vorkehrung
treffen; disponere, firmare, parare, regere
〈Var.: -en-〉. Die bei Schützeichel, Glossen-
wortschatz 7, 360 unter 〈rehhanōn〉 aufgeliste-
ten Belege sind sämtlich zu girechanôn (s. d.)
zu stellen; bei den ersten beiden Einträgen fehlt
zusätzlich die Information, dass der Beleg in
der Hs. jeweils mit 〈kf-〉 = ke- beginnt. – Mhd.
rechenen, rechen sw.v. ‚zählen, rechnen, Re-
chenschaft ablegen‘, frühnhd. rechen(en) sw.v.
‚rechnen, ermessen, taxieren, urteilen, beden-
ken‘, nhd. rechnen sw.v. ‚Zahlen(größen) ver-
knüpfen und nach Anwendung eines der Ver-
knüpfungsart entsprechenden Verfahrens eine
Zahl(engröße) oder Zahlenverbindung als je-
weiliges Ergebnis der Verknüpfung ansetzen,
zählen, indem man von etw. ausgeht, etw. als
Einheit, Ausgangspunkt usw. benutzt, haushal-
ten, sparsam wirtschaften, (rechnend) schätzen,
veranschlagen, aufgrund bestimmter Überle-
gungen, Erwägungen annehmen, kalkulieren,
jmdn./etw. zählen, als dazugehörend und als
wichtig in Betracht kommen, zu berücksichti-
gen sein, auf jmdn./etw. bauen, sich verlassen,
als möglich und wahrscheinlich annehmen, er-
warten‘.

Ahd. Wb. 7, 785 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 734; eKöbler, Ahd.
Wb. s. v. rehhanōn; Schützeichel⁷ 256; Schützeichel,
Glossenwortschatz 7, 360; Graff 2, 381 f.; Lexer 2, 360;
Götze [1920] 1971: 174; Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 204
(disponere). 266 (firmare). 463 (parare). 562 (regere);
Dt. Wb. 14, 347 ff.; Kluge²¹ 588; Kluge²⁵ s. v. rechnen;
ePfeifer, Et. Wb. s. v. rechnen.

In den anderen germ. Sprachen entsprechen:
mndd. rēkenen, reknen, rēken, recken, rēgenen,
rechen sw.v. ‚Rechenoperationen ausführen,
bewerten, abrechnen, verrechnen, berichten,
mitteilen, einrechnen, hinzuzählen, einbezie-
hen, meinen, einschätzen‘; frühmndl. rekenen
sw.v. ‚verrechnen, ausrechnen, mitrechnen,
gleichstellen mit, betrachten, Rechenschaft ab-
legen über verwaltete Mittel, rechnen‘, mndl.
rekenen (neben reeckenen) sw.v. ‚ordnen, in
Ordnung bringen, verrechnen, abrechnen, aus-
rechnen, mitzählen, rechnen‘, nndl. rekenen
sw.v. ‚Rechenoperationen ausführen, berech-
nen, Rechenschaft ablegen, zählen, schätzen,
bedenken, der Meinung sein‘; afries. rekenia,
reknia, raknia, -rechnia (?) sw.v. ‚rechnen, be-
rechnen, halten für, beachten, anerkennen, dar-
legen, vorbringen, auseinandersetzen, in Ord-
nung bringen, halten, Rechenschaft ablegen,
beobachten‘, nwestfries. rekkenje sw.v. ‚Re-
chenoperationen ausführen, eine Rechnung auf-
stellen, bezahlen, abrechnen, fragen, zählen, er-
achten, annehmen, erwarten, vertrauen auf‘,
hind., tersch. rekkenje sw.v. ‚dss.‘, schierm.
rakkenje sw.v. ‚dss.‘, saterfries. rekenje sw.v.
‚rechnen, annehmen, erwarten, schätzen, aner-
kennen, vertrauen‘, harl. reykenen, rayckenen
sw.v. ‚dss.‘, fa. reegne sw.v. ‚rechnen‘, helg.
reekene sw.v. ‚dss.‘, sy. reekeni sw.v. ‚dss.‘,
bök., hall. räägne sw.v. ‚dss.‘, karrh. räägene
sw.v. ‚dss.‘, ält. ngos. rägniä sw.v. ‚dss.‘, mgos.
raane, raagne sw.v. ‚dss.‘, ngos. räägne sw.v.
‚dss.‘, sgos. rääne, räägne sw.v. ‚dss.‘, wied.
räägne sw.v. ‚dss.‘; ae. recenian sw.v. ‚anord-
nen, zählen, bezahlen‘, me. rekenen (neben re-
ken[e], rekeni[e], rekne[n], rekon[e], rekoun,
rekunnen, recen, rekken[e][n], recken[en],
riken[e][n], rikeni, [frühme.] recnen, rikenin)
sw.v. ‚aufzählen, auflisten, berichten, erzählen,
rechnen, berechnen, zusammenrechnen, ein-
schließen‘, ne. reckon sw.v. ‚meinen, glauben,
berechnen, schätzen, rechnen, errechnen, zäh-
len, veranschlagen, etw. denken, damit rech-
nen‘: < westgerm. *reka/inōe/a-.
Aus dem Mndd. gelangte das Verb auch in die
nordgerm. Sprachen: aisl. reikna sw.v. ‚halten
für, rechnen, abrechnen, versehen‘, nisl. reikna
sw.v. ‚rechnen, berechnen‘, fär. rokna sw.v.
‚dss.‘, adän. regnæ, reknæ sw.v., ndän. regne
sw.v. ‚rechnen, zählen‘, nnorw. (nn.) rekna,
rekne ‚berechnen‘, aschwed., nschwed. räkna
sw.v., nschwed. dial. räckna sw.v. ‚zählen‘
(vgl. Törnqvist 1977: 83).
Westgerm. *reka/inōe/a-, dessen Grundbed.
als ‚in Ordnung bringen, ordnen‘ ansetzbar ist,
ist ein von dem Adj. westgerm. *reka/ina- ‚ge-
ordnet, schnell‘ abgeleitetes Faktitivum. Das
Adj. ist in mndd. rēken adj./adv. ‚hinreichend,
genügend, unbelastet, ohne Ansprüche von An-
deren‘, ae. recen, recon, ricen adj. ‚bereit,
schnell, heftig‘, me. rēken (neben rekene) adj.
‚bereit, fähig, geeignet, kraftvoll, aufrichtig,
fromm, freudig, strahlend, schön‘, afries. reken,
rekon, rekin adj. ‚in Ordnung (von Straßen)‘,
saterfries. (wohl aus dem Mndd.) reken adj.
‚(Haus, Wohnung) in guter Ordnung, aufge-
räumt, (Haare) glatt, ordentlich frisiert oder ge-
kämmt‘ fortgesetzt.

Für mndd. rēken adj./adv. findet sich regelmäßig als Bed.
‚von richtiger Beschaffenheit, in guter Ordnung, ordent-
lich, genau‘ (vgl. stellvertretend Heidermanns, Et. Wb. d.
germ. Primäradj. 444); eine solche Bed. erscheint aber
offenbar nur in zugehörigen Bildungen wie mndd. rēke f.
‚(guter) Zustand, (gute) Beschaffenheit‘ und rēken sw.v.
‚in Ordnung bringen, gefällig einrichten‘ (vgl. Lasch-
Borchling, Mndd. Handwb. 2, 2, 2002 f. 2006).
Die Var. saterfries. räken, die bei Fort, Saterfries. Wb.
147 noch steht, fehlt in ders., Saterfries. Wb.²; falls sie
bezeugt ist, ist sie ererbt.

Das Adj. westgerm. *reka/ina- ist eine ur-
sprüngliche Part.bildung zum st. V. urgerm.
*reke/a- ‚rechen, zusammenscharren‘ (s. rechan²
‚zusammenscharren‘; dort auch zu weiteren
Anschlüssen). Dabei ist die Bed. ‚geordnet‘ un-
mittelbar aus ‚zusammengescharrt‘ ableitbar,
die Bed. ‚schnell‘ stammt dagegen aus ‚sich
nach vorn reckend‘ (vgl. dazu das Verhältnis
zwischen nhd. strecken und stracks). Zur Va-
rianz *-ana-/*-ina- vgl. Krahe-Meid 1969: 3,
§ 94, 1a.

Fick 3 (Germ.)⁴ 333; Seebold, Germ. st. Verben 373;
Heidermanns, Et. Wb. d. germ. Primäradj. 444 f.; Lasch-
Borchling, Mndd. Handwb. 2, 2, 2007 ff.; Schiller-Lübben,
Mndd. Wb. 3, 456 f.; VMNW s. v. rekenen; Verwijs-
Verdam, Mndl. wb. 6, 1249 ff.; Franck, Et. wb. d. ndl.
taal² 543; Vries, Ndls. et. wb. 570; Et. wb. Ndl. Ke-R 648;
WNT s. v. rekenen¹; Hofmann-Popkema, Afries. Wb. 399;
Richthofen, Afries. Wb. 991; Fryske wb. 17, 362 f.;
Dijkstra, Friesch Wb. 3, 15 f.; Fort, Saterfries. Wb.² 490;
Sjölin, Et. Handwb. d. Festlnordfries. XXXIV; Faltings,
Et. Wb. d. fries. Adj. 431 f.; Holthausen, Ae. et. Wb. 256;
Bosworth-Toller, AS Dict. 789; Suppl. 685; eMED s. vv.
rēken adj., rekenen v.; Klein, Compr. et. dict. of the Engl.
lang. 2, 1311; eOED s. vv. reckon v., †reken adj. (and n.);
Vries, Anord. et. Wb.² 438; Jóhannesson, Isl. et. Wb.
1132 f.; Fritzner, Ordb. o. d. g. norske sprog 3, 65; ONP
s. v. reikna; Jónsson, Lex. poet. 462; Holthausen, Vgl.
Wb. d. Awestnord. 225; Magnússon, Ísl. Orðsb. 750;
Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 2, 887 f.; Nielsen, Dansk
et. ordb. 342 (s. v. regne²); Ordb. o. d. danske sprog 17,
612 ff.; Torp, Nynorsk et. ordb. 525; NOB s. v. (nn.) rekna,
rekne; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 2, 867; Svenska akad.
ordb. s. v. räkna. – Jordan 1906: 99; Wissmann 1932:
106; R. Lühr, K. Matzel, ZVSp 99 (1986), 261. – Walde-
Pokorny 2, 364; Pokorny 856.

S. rechan².

RS


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