regan
Band VII, Spalte 269
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regan m. a-St., seit dem Ende des 8. Jh.s
in Gl. und in MF, T, OT, bei O, N, Npg, in RhC,
WH: ‚Regen, Regenwasser, Regenschauer, Re-
genguß, Wolkenbruch; imber, nimbus, pluere
[= regan lâzan], pluvia‘ 〈Var.: -en, -in〉. – Mhd.
rëgen (reigen, [kontrahiert] rein) st.m. ‚Regen‘,
nhd. Regen m. ‚Niederschlag, der in Form von
Wassertropfen zur Erde fällt, etwas in großer
Anzahl zur Erde Niedergehendes‘.

Ahd. Wb. 7, 767 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 732; eKöbler,
Ahd. Wb. s. v. regan; Schützeichel⁷ 255; Starck-Wells
476; Schützeichel, Glossenwortschatz 7, 353 f.; Seebold,
ChWdW8 236. 429. 468; ders., ChWdW9 665. 1101;
Graff 2, 441; Heffner 1961: 121; Lexer 2, 372 f.; 3,
Nachtr. 346; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 287 (imber). 380
(nimbus). 443 (pluuia); Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 316
(imber). 496 (pluere). 497 (pluvia); Dt. Wb. 14, 504 ff.;
Kluge²¹ 590; Kluge²⁵ s. v. Regen; ePfeifer, Et. Wb. s. v.
Regen. – Liehl 1913: 12; Braune-Heidermanns 2018:
§ 194 Anm. 4.

In den anderen germ. Sprachen entsprechen: as.
(nur Hel 2478 in den Hss. Cott und Mon) regan,
regin m. ‚Regen‘, mndd. rēgen, rēgenen m.
‚Niederschlag in der Form von Wasser, Regen‘;
andfrk. regan m. ‚Regen‘, frühmndl. reghen
(regen[-], rein[-]) m. ‚Regen, Regenschauer,
(dunkle, drohende) Regenwolke, Regenwas-
ser‘, mndl. regen (rein, reen) (m.) ‚dss.‘, nndl.
regen (m.) ‚Regen‘; afries. rein, reint m. ‚Re-
gen‘, nwestfries. rein m./f. ‚dss.‘, saterfries.
rien m. ‚dss.‘, nnordfries. rin ‚dss.‘; ae. regn,
rēn m. ‚Regen‘, me. rein (rein[n]e, reigne, rẹ̄n,
rain[e], [frühme.] reȝn, ræin, rien, hregn) ‚dss.‘,
ne. rain ‚dss.‘; aisl., nisl. fär. regn n. ‚Regen‘,
adän. regn, ræghen ‚dss.‘, ndän., nnorw. regn
‚dss.‘, norn regen- (in regenvista, -wista, -wosta
‚Regen, der jmdn. an einem ungeschützten
Platz überrascht‘), aschwed. räghn ‚dss.‘,
nschwed. regn, rägn ‚dss.‘; got. rign n. ‚Regen;
βροχή‘, krimgot. reghen ‚Regen; pluvia‘: < ur-
germ. *reǥna-.
Das Nebeneinander des westgerm. Mask. und
ost-/nordgerm. Neutr. geht mit Bjorvand 1994:
24. 163 f. auf ein neben dem Mask. stehendes
Kollektiv urgerm. *reǥnō zurück, das sekundär
als Pl. eines Neutr. aufgefasst wurde.
Semantisch zwar nahestehend, aber lautlich
wohl nicht mit urgerm. reǥna- vereinbar (an-
ders Lühr 1988: 333; s. u.) sind nisl. raki
‚Feuchtigkeit‘, nnorw. dial. rake ‚dss.‘, norn
rag ‚Dampf, Nebel‘ (< nordgerm. *rakan-); das
in einigen Wörterbüchern aufgeführte Wort
aisl. raki m. ‚Feuchtigkeit‘ (so Vries, Anord. et.
Wb.² 432; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 719; Holt-
hausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 223 [raki²]) ist
offensichtlich ein Ghostword (vgl. ONP s. v.
*raki: „ikke fundet“).

Fick 3 (Germ.)⁴ 335 f.; Kroonen, Et. dict. of Pgm. 408;
Tiefenbach, As. Handwb. 310; Sehrt, Wb. z. Hel.² 434;
Berr, Et. Gl. to Hel. 317; Lasch-Borchling, Mndd.
Handwb. 2, 2, 1982 (rēgen²); Schiller-Lübben, Mndd.
Wb. 6, 243; ONW s. v. regan; VMNW s. v. reghen;
Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 6, 1194; Franck, Et. wb. d.
ndl. taal² 541; Suppl. 136; Vries, Ndls. et. wb. 568; Et.
wb. Ndl. Ke-R 643; WNT s. v. regen; Hofmann-Popkema,
Afries. Wb. 398 (rein¹); Richthofen, Afries. Wb. 990; Fryske
wb. 17, 346 f. (rein¹); Dijkstra, Friesch Wb. 3, 14; Fort,
Saterfries. Wb.² 492; Sjölin, Et. Handwb. d. Festlnord-
fries. XXXIV; Holthausen, Ae. et. Wb. 256; Bosworth-
Toller, AS Dict. 789; Suppl. 685; eMED s. v. rein n.¹;
Klein, Compr. et. dict. of the Engl. lang. 2, 1297; eOED
s. v. rain n.¹; Vries, Anord. et. Wb.² 437; Jóhannesson, Isl.
et. Wb. 719; Fritzner, Ordb. o. d. g. norske sprog 3, 51;
ONP s. v. regn; Jónsson, Lex. poet. 460; Holthausen, Vgl.
Wb. d. Awestnord. 225; Magnússon, Ísl. Orðsb. 739. 748;
Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 2, 887. 1531; Nielsen,
Dansk et. ordb. 342; Ordb. o. d. danske sprog 17, 605 ff.;
Bjorvand, Våre arveord² 870 f.; Torp, Nynorsk et. ordb.
521; NOB s. v. regn; Jakobsen, Et. dict. of the Norn lang.
2, 677 (rag³). 688; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 2, 824;
Svenska akad. ordb. s. v. rägn; Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr.
397; Lehmann, Gothic Et. Dict. R-20; Stearns, Crimean
Gothic 149. – Liehl 1913: 6; Casaretto 2004: 323 f.

Das Wort hat keine weitere Etym.
Nimmt man an, dass die Lex Kluge (die Ent-
wicklung von Einzelobstruenten zu langen
stimmlosen Okklusiven in der Position vor
*-n- mit nachfolgendem Schwund des Nasals)
nur dann eingetreten ist, wenn der Akzent dem
Konsonantencluster nachfolgte (vgl. Kroonen
2011: 48), kann urgerm. *reǥna- nur auf vorur-
germ. *régh-no- zurückgehen.
Abweichend sieht Lühr 1988: 192 den Akzent
nicht als Ursache für den Eintritt der Lex Kluge
an; sie verbindet vielmehr die Wörter urgerm.
*reǥna- und nordgerm. *rakan- miteinander:
Aus einem Nomen agentis urgerm. *reǥan-,
*rekk- sei sowohl urgerm. *reǥna- gebildet als
auch eine Wz. *rek- abstrahiert worden; letztere
läge ablautend in nordgerm. *rakan- vor; ur-
germ. *reǥna- würde somit aus vorurgerm.
*rek-no- stammen. Jedoch sind dies ihrer Mei-
nung nach „unbeweisbare Annahmen“.
Beide Analysen führen aber nicht weiter, da bis-
her weder eine passende Wz. uridg. *(H)regh/ĝh-
noch *(H)rek/- für das Uridg. nachgewiesen ist.

Die weit verbreitet angenommene Verbindung mit lat.
rigāre ‚bewässern‘ und alb. rrjedh ‚fließen, laufen, quel-
len‘ muss aufgegeben werden. Lat. rigāre stellt sich – so
de Vaan, Et. dict. of Lat. 523 (und ihm nachfolgend LIV²
Add. s. v. *reĝ-) – eher zur Wz. uridg. *reĝ- ‚(sich) stre-
cken, recken‘. Alb. rrjedh gehört dagegen zur Verbalwz.
uridg. *h₂redh- ‚hervorkommen, herauskommen‘ (vgl.
Schumacher-Matzinger, Verben des Altalb. 995; LIV²
Add. s. v. *h₂redh-).

Dagegen nimmt Bjorvand, Våre arveord² 871
für die Gruppe ein Nebeneinander von *h₁r-
- und *h₁r-e- als Erweiterungen einer Wz.
*h₁er- ‚ausgießen‘ an, die in gr. -εράω ‚schütte,
erbreche‘ fortgesetzt ist; eine andere Erwei-
terung sieht er in *h₁er-s- ‚fließen‘ (> heth.
ārs-zi ‚fließen‘). Doch ist das gr. Verb nach A.
Debrunner, IF 48 (1930), 282 eine Ableitung
von ἔρα f. ‚Erde‘. Auch sind solche Erweite-
rungen sonst nicht belegt (anders als etwa eine
Erweiterung mit *-e-); daher ist Bjorvands Er-
klärung abzulehnen.

Früher wurden die germ. Wörter mit alit. ruokė f. ‚Sprüh-
regen‘, ruokìmas m. ‚dss.‘ und ruoknóti ‚triefen‘ zusam-
mengestellt, die man weiter mit alit. rkas m. ‚Nebel,
Rauch‘ und rkti ‚rauchen, qualmen‘ verband (vgl.
Fraenkel, Lit. et. Wb. 2, 742. 747); heute sieht man so-
wohl die Formen mit -uo- als auch die mit -ū- als germ.
Lehnwörter aus der Wortgruppe um ahd. rouh ‚Rauch‘
(s. d.) an (vgl. ALEW 2, 878 f.).
Lässt man die Lex Kluge außer Acht, wäre theoretisch
auch eine Vorform *(H)rek(-)H-- > frühurgerm.
*reǥǝná- denkbar, in der der Schwund von *-ǝ- erst nach
der Wirkung der Lex Kluge stattfand (Hinweis von S.
Neri; vgl. zur Entwicklung von *-H- in dieser Position
und zum Schwund von *-ǝ- Neri 2011: 103 [mit Anm. 59];
ders., Kratylos 61 [2016], 27); aber auch für eine Wz.
*(H)rek- oder *(H)rekH- gibt es keine weiteren Hinweise.
Schließlich wäre als Ausgangspunkt auch eine Wz.
mit Diphthong *-e- möglich, wobei dann urgerm.
*riǥna- mit a-Umlaut im Nord- und Westgerm. entstan-
den wäre. Aber eine passende Wz. mit dieser Wz.struktur
ist ebensowenig vorhanden.

Walde-Pokorny 2, 365 f.; Pokorny 857. – Mallory 1997:
639; Kroonen 2011: 48.

RS

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