reino¹ m. n-St., seit dem letzten Viertel
des 8. Jh.s in Gl.: ‚Zuchthengst, (brünstiger)
Hengst; (equus) admissarius, (equus) emissa-
rius, (lat.-ahd.?) waranio‘ 〈Var.: uu(u)r-; -ai-;
-nn-, -ne-〉. Der bei Lexer 2, 389 s. v. „reine,
rein sw.m. ‚Hengst‘“ angeführte einzige Beleg
für das Mhd. ist identisch mit Gl. 4,213,4: raîn .
admissarius (2 Hss., 12. und 13. Jh.) und daher
als Ahd. zu bestimmen.
U. a. sieht Kluge²⁵ s. v. Hahnrei m. ‚betroge-
ner Ehemann‘ einen Fortsetzer von reino im
KHG -rei, was jedoch nicht wahrscheinlich ist.
Das KHG ist besser mit urgerm. *rei̯χe/a-
‚schneiden, durchstechen‘ zu verbinden (vgl.
V. Faltings, NdW 34 [1994], 123–125).
Ahd. Wb. 7, 870 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 739; eKöbler,
Ahd. Wb. s. v. reino²; Starck-Wells 479. 828; Schützeichel,
Glossenwortschatz 7, 375 f.; Seebold, ChWdW8 238.
368 f. 411. 491; ders., ChWdW9 671; Graff 1, 978 f.;
Lexer 2, 389; Dt. Wb. 10, 170 ff. (Hahnrei); Kluge²¹ 282
(Hahnrei); Kluge²⁵ s. v. Hahnrei; ePfeifer, Et. Wb. s. v.
Hahnrei. – Palander 1899: 87 f.
In den anderen germ. Sprachen entsprechen: as.
wrēnio m. ‚Deckhengst‘; andfrk. *wrēno m., er-
schlossen aus der Entlehnung ins Rom. (s. u.)
und aus salfrk. *wrainio (zum Ansatz vgl. W. L.
van Helten, PBB 25 [1900], 430; A. Quak u. a.,
ABäG 19 [1983], 58 f.; vgl. lat.-germ. [akk.sg.]
waranione[m] ‚Hengst‘ mit weiteren Schreib-
var. in dem Pactus legis salicae), mndl. wrene
(neben wreen, wrien) m. ‚Hengst, Kampfross,
Pferd, (selten) Lasttier‘, nndl. (historisierend
und dial.) wreen m. ‚Hengst, Kampfross, Pferd,
Klopphengst, zweigeschlechtiges Pferd‘; nwest-
fries. wreen, wrein n. ‚zweigeschlechtiges, un-
fruchtbares Lamm oder Schaf‘; aisl. reini m.
‚Pferd‘, aschwed. vrēn m. ‚Hengst‘ (vgl. S.
Bugge, NTF [NF] 3 [1877/78], 273 f.; Söderwall
1884 ff.: 2, 2, 1011): < urgerm. *u̯rai̯nii̯an-.
Für das Engl. ist das Vorhandensein des Subst.
aus dem ON Wrantage in Somerset (Wrentis a.
1199; vgl. Mills 2011: 512) sicher erschließbar;
andere ON, wie Warmfield in Wakefield (War-
nesfeld a. 1086), bleiben in der Zuordnung da-
gegen unklar, da sie auch zu ae. wrenna, werna,
wrænna, wærna m. ‚Zaunkönig‘ (s. rento) ge-
stellt werden können.
Urgerm. *u̯rai̯nii̯an- ist die Substantivierung
des Adj. urgerm. *u̯rai̯ni- ‚brünstig‘, das nur
in ae. wrǣne adj. ‚geil, brünstig, lüstern‘, me.
wrēne adj. ‚unverschämt (?), ohne Zurückhal-
tung (?)‘ fortgesetzt ist.
Urgerm. *u̯rai̯ni- selbst ist ein Verbaladj. zum
st.v. I urgerm. *u̯rei̯ne/a- > nnorw. (nn.) vrina,
dial. vrina, vrin, vrein, vrini st.v. ‚grinsen, in
der Brunstzeit die Oberlippe und Nase heben o-
der verdrehen, schreien, wiehern (von brünsti-
gen Pferden)‘, nschwed. dial. vrina st.v. ‚wie-
hern‘ (vgl. auch adän. vrenne sw.v. ‚wiehern‘
[Kalkar 1881–1907: 4, 875], aschwed. vrena
sw.v. ‚brünstig wiehern‘ [Söderwall 1884 ff.: 2,
2, 1011], nschwed. dial. vrena sw.v. ‚wiehern‘
[< *u̯rin-nōi̯e/a-; vgl. Wissmann 1932: 157]).
Fick 3 (Germ.)⁴ 419; Heidermanns, Et. Wb. d. germ. Pri-
märadj. 690; Tiefenbach, As. Handwb. 477; Wadstein,
Kl. as. Spr.denkm. 249; ONW s. v. *wrēno; Verwijs-
Verdam, Mndl. wb. 9, 2869 f.; WNT s. v. wreen; Dijkstra,
Friesch Wb. 3, 478; Holthausen, Ae. et. Wb. 406 f.;
Bosworth-Toller, AS Dict. 1270; Suppl. 749; eMED s. v.
wrēne adj.; eOED s. v. †wrene adj.; Vries, Anord. et. Wb.²
439; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 147 f.; Jónsson, Lex. poet.
462; Magnússon, Ísl. Orðsb. 750; Falk-Torp, Norw.-dän.
et. Wb. 2, 1397 f. (s. v. vrinske); Nielsen, Dansk et. ordb.
502 (s. v. vrinsk); Ordb. o. d. danske sprog 27, 574 (s. v.
vrinske); Bjorvand, Våre arveord² 373 (s. v. gnåle);
Torp, Nynorsk et. ordb. 532; NOB s. v. vrina; NOBFM
s. v. vrina²; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 2, 1367.
Urgerm. *u̯rei̯ne/a- < vorurgerm. *u̯rei̯n-e/o-
hat in den anderen idg. Sprachen keine Entspre-
chungen.
Üblicherweise (vgl. etwa Pokorny 1158) sieht
man *u̯rei̯n-e/o- als Erweiterung einer Wz.
uridg. *u̯er- ‚drehen, biegen‘ mit einer Bed.
‚grinsen‘ an. Dessen nächste Verwandte seien
lat. rīdēre ‚lachen‘ und ai. vrīḍatē ‚wird verle-
gen, schämt sich‘, also Ableitungen von einer
Vorform uridg. *u̯rizd-. Jedoch ist die Zusam-
menstellung von *u̯rei̯n- und *u̯rizd- wegen der
abweichenden Bildeweise wenig einleuchtend.
Daher werden die Verben, obwohl die ai. und
lat. Form semantisch zusammengehören kön-
nen, da eine Entwicklung ‚lachen‘ → ‚verlegen
lachen‘ trotz des Einwands von de Vaan, Et.
dict. of Lat. 522 durchaus nachvollziehbar ist,
heute voneinander getrennt (vgl. die Angaben
in Mayrhofer, EWAia 3, 482 f. und de Vaan, Et.
dict. of Lat. 522).
Man kann eine Wz. uridg. *u̯rei̯n- ‚drehen‘ (mit
einer semantischen Spezifizierung) annehmen,
die neben uridg. *u̯rei̯k̂- ‚drehen, einhüllen‘
(vgl. LIV² 699) und *u̯rei̯t- ‚drehen, winden‘
(vgl. LIV² 700) steht; weiter absichern lässt sich
das jedoch nicht.
Nimmt man die im Nordgerm. bei den Verben
nnorw. (nn.) vrina, dial. vrina, vrin, vrein, vrini,
nschwed. dial. vrina ebenfalls belegte Bed.
‚wiehern‘ als Ausgangspunkt, ließe sich ur-
germ. *u̯rei̯n- vielleicht als onomatopoetisches
Verb interpretieren, das den wiehernden Laut
nachahmt. Von der Lautstruktur wären ono-
matopoetische Verben wie lat. fritinnīre ‚zwit-
schern, lallen‘, italien. frinire ‚zirpen‘ ver-
gleichbar (Hinweis von S. Neri).
Abzulehnen ist Spechts (1944: 156) Analyse von urgerm.
*u̯rai̯nii̯an- als *u̯rai̯-nii̯an- und die Verbindung des ers-
ten Bestandteils mit ai. vṣan- m. ‚zeugungskräftiger
Mann, männliches Tier (Stier, Hengst u. a.)‘.
Aus dem Germ. wurde das Subst. ins Rom. als
mlat. waranio (waranno, warnio, wereno)
‚Hengst‘, nfrz. garagnon ‚dss.‘, prov. gua-
ragno(n)s ‚dss.‘, italien. guaragno ‚dss.‘, katal.
goró ‚Zuchtesel‘, span. garañón ‚Hengst‘, port.
garanhão ‚dss.‘ und von dort in bask. garano
‚Hengst‘ entlehnt.
Auf der Grundlage von „vulg. lat. warannio, ital. gua-
ragno, aspan. guarañon, ahd., as. wrennio“ setzt F.
Holthausen, IF 35 (1915), 132 f. ein neben urgerm.
*u̯rai̯nii̯an- stehendes urgerm. Wort „*wranja ‚Hengst‘“
an, das er etymologisch von warannio trennt. Die Form
*u̯rani̯an- gehöre zu gr. ῥαίνω ‚besprenge, bespritze,
bestreue‘. Obwohl dies semantisch denkbar wäre, gibt es
einerseits keine solchen ahd. und as. Belege, anderer-
seits zeigen die Formen mit -a- die rom. Reduzierung
des germ. Diphthongs (vgl. W. Haubrichs, in Geuenich
1998: 108).
Walde-Pokorny 1, 277; Pokorny 81. 1158; Mayrhofer,
KEWA 3, 281 f.; ders., EWAia 3, 482 f.; Walde-Hofmann,
Lat. et. Wb. 2, 433 f.; Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 573;
de Vaan, Et. dict. of Lat. 522; Niermeyer, Med. Lat. lex.²
2, 1465; Du Cange² 8, 403; Körting, Lat.-rom. Wb.³ Nr.
10414; Meyer-Lübke, Rom. et. Wb.³ Nr. 9573; Wartburg,
Frz. et. Wb. 17, 613. – Brüch 1913: 77 f.; Werba
1997: 379.
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