rennen sw.v. I, seit dem 10. Jh. in Gl.
(vielleicht auch bei N; s. gleich zu Formen mit
gi-): ‚etw. (Honig) zum Fließen bringen, etw.
(Pferde) zum Laufen antreiben, etw. (Kräfte)
zusammenfließen lassen, sammeln (von jungen
Pferden), (im Kampf) umherschwärmen, sich
tummeln; cogere, fatigare, glutinare, tollere,
volitare‘, in der Verbindung rennenti wazzar
‚Wasserflut, Sturzbach; torrens‘. Letztendlich
bleibt die Zuordnung von Belegen im Part.Prät.
mit gi- unsicher, da sie formal entweder hierher
oder zu girennen (s. d.) gehören können; die
synchronen Wörterbücher des Ahd. sortieren
solche Formen jeweils unterschiedlich ein; da-
her ist auch unklar, ob bei N das Simplex ren-
nen tatsächlich belegt ist. – Mhd. rennen sw.v.
‚rinnen, gerinnen machen, schnell laufen ma-
chen, jagen, hetzen, treiben, in Bewegung brin-
gen, über etw. schütten, durchrennen, schnell
reiten, sprengen, rennen‘, frühnhd. rennen
sw.v. ‚im Turnier reiten‘, nhd. rennen unreg.v.
‚schnell, in großem Tempo, meist mit ausholen-
den Schritten laufen, sich zum Missfallen, Är-
ger o. Ä. anderer zu einem bestimmten Zweck
irgendwohin begeben, jmdn. aufsuchen, unver-
sehens, mit einer gewissen Wucht an jmdn./etw.
stoßen, gegen jmdn./etw. prallen, sich durch
Anstoßen, durch einen Aufprall an einem Kör-
perteil eine Verletzung zuziehen, jmdn./sich ei-
nen Körperteil stoßen (und dabei verletzen),
jmdn./sich mit Heftigkeit einen (spitzen) Ge-
genstand in einen Körperteil stoßen‘.
Ahd. Wb. 7, 908; Splett, Ahd. Wb. 1, 752; eKöbler, Ahd.
Wb. s. v. rennen; Schützeichel⁷ 258; Starck-Wells 481;
Schützeichel, Glossenwortschatz 7, 387; Graff 2, 517 f.;
Lexer 2, 404 f.; 3, Nachtr. 347; Götze [1920] 1971: 176;
Dt. Wb. 14, 807 ff.; Kluge²¹ 596; Kluge²⁵ s. v. rennen;
ePfeifer, Et. Wb. s. v. rennen. – Riecke 1996: 590 f.
In den anderen germ. Sprachen entsprechen: as.
rennian sw.v. ‚kleben‘ (nur inf. WaD 107, 22),
mndd. rennen, rönnen (ronnen), rünnen, rinnen
sw./st.v. ‚sich schnell fortbewegen, schnell lau-
fen, rennen, schnell fahren, (schnell) reiten,
sich um etw. bemühen, etw. nachjagen, angrei-
fen, an einem Reiterspiel teilnehmen, in einem
Turnier kämpfen, mit einem Lanzenstoß vom
Pferd stechen‘; frühmndl. rennen sw.v. ‚schnell
reiten, schnell laufen‘, mndl. rennen (rinnen,
runnen) sw.v. ‚treiben, jagen, traben lassen,
(schnell) reiten, schnell laufen, traben, fließen,
strömen‘, nndl. rennen sw.v. ‚rennen‘; nnord-
fries. rååne sw.v. ‚rennen, stoßen‘; ae. ærnan
sw.v. ‚rennen, reiten, laufen‘ (zur lautlichen
Entwicklung vgl. Hogg 1992: 122–124. 297);
aisl. renna sw.v. ‚laufen lassen, (ver-)jagen,
(ein-)gießen, spülen, seihen, schmelzen, dre-
hen, fallen lassen, verschlingen, bewegen, wen-
den, denken, hindern, rennen, laufen, fahren,
schreiten, gleiten‘, nisl. renna sw.v. ‚fließen
lassen, laufen lassen, drehen‘, fär. renna sw.v.
‚laufen (lassen), (aus-)gießen, rennen (lassen),
stoßen, abweisen‘, adän. rænnæ sw.v. ‚(ein
Pferd) reiten‘, ndän. rende sw.v. ‚rennen, lau-
fen‘, nnorw. renne sw.v. ‚gießen, gleiten lassen,
laufen, stoßen‘, norn rin(n) (sw.?)v. ‚die Fisch-
schnur zum Meeresgrund gleiten lassen, (einem
Jungtier) Milch eingießen‘, aschwed. ränna
sw.v., nschwed. ränna sw.v. ‚(umher-)rennen,
laufen‘, älv. renna sw.v. ‚dss.‘; got. -rannjan,
nur in urrannjan* sw.v. ‚aufgehen lassen;
ἀνατέλλειν‘: < urgerm. *rannii̯e/a-.
Urgerm. *rannii̯e/a- ist eine Kausativbildung
zu urgerm. *renne/a- ‚rinnen, laufen‘ und hatte
daher urspr. die Bed. ‚rinnen/laufen lassen‘. In
den germ. Sprachen haben sich die Kontinuan-
ten von urgerm. *renne/a- (s. rinnan) und
*rannii̯e/a- gegenseitig beeinflusst, zumeist in
semantischer, teils aber auch in lautlicher Hin-
sicht und in ihrer Flexion.
Da im Ae. die Formen ohne r-Metathese beim st. V. und
sw. V. kaum vorkommen (bei ae. ærnan lediglich zwei-
mal im präfigierten gerennan ‚etw. [Milch] gerinnen/fest
werden lassen‘ [s. girennen]; vgl. dazu eOED s. v. run
v.), sind die späteren, seit dem Me. belegten Formen mit
r-Anlaut wohl durch Beeinflussung seitens der skand.
Entsprechungen aufgekommen (vgl. eOED a. a. O.); im
Me. sind das sw. V. und das st. V. völlig zusammenge-
fallen (zu den Formen s. daher rinnan).
In manchen etym. Wörterbüchern findet sich eine afries.
Kontinuante renna, rinna von urgerm. *rannii̯e/a-; laut
Hofmann-Popkema, Afries. Wb. 401 ist im Afries. aber
lediglich das st. V. belegt (ein entsprechendes afries. sw.
V. nennt auch Seebold, Germ. st. Verben 376 nicht).
Fick 3 (Germ.)⁴ 17; Kroonen, Et. dict. of Pgm. 405; Seebold,
Germ. st. Verben 376; Tiefenbach, As. Handwb. 312;
Wadstein, Kl. as. Spr.denkm. 215; Lasch-Borchling,
Mndd. Handwb. 2, 2, 2038 ff.; Schiller-Lübben, Mndd.
Wb. 3, 461; VMNW s. v. rennen; Verwijs-Verdam, Mndl.
wb. 6, 1277 ff.; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 544 f.; Suppl.
136; Vries, Ndls. et. wb. 572; Et. wb. Ndl. Ke-R 653; WNT
s. v. rennen¹; Sjölin, Et. Handwb. d. Festlnordfries.
XXXIV; Holthausen, Ae. et. Wb. 12; Bosworth-Toller,
AS Dict. 19; Suppl. 19; Suppl. 2, 2; Vries, Anord. et. Wb.²
442 (renna³); Jóhannesson, Isl. et. Wb. 64 f.; Fritzner,
Ordb. o. d. g. norske sprog 3, 82 f.; ONP s. v. renna³;
Jónsson, Lex. poet. 464 (renna²); Holthausen, Vgl. Wb. d.
Awestnord. 226 (renna³); Magnússon, Ísl. Orðsb. 755
(renna³); Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 2, 890 (rende¹);
Nielsen, Dansk et. ordb. 343 f. (rende²); Ordb. o. d. danske
sprog 17, 745 ff. (rende⁴); Bjorvand, Våre arveord² 878
(renne²); Torp, Nynorsk et. ordb. 527; NOB s. vv. (bm.)
renne³, (nn.) renne⁴; Jakobsen, Et. dict. of the Norn lang.
2, 700 (rinn²); Hellquist, Svensk et. ordb.³ 2, 868 (ränna¹);
Svenska akad. ordb. s. v. ränna v.; Feist, Vgl. Wb. d. got.
Spr. 527; Lehmann, Gothic Et. Dict. R-24.
S. rinnan.
RS