respan st.v. III (prät. –, –, part.prät. -ros-
pan [s. irrespan]), nur im Abr 1,264,24 (Kb, Ra):
‚reißen, rupfen; vellere‘ 〈Var.: hr-〉. – Mhd. res-
pen st.v. ‚raffen, zusammenraffen‘, nhd. dial.
schweiz. rëspen ‚(mit den Händen) scharren,
kratzen, etw. (mit einem Rechen, Besen) zusam-
menraffen, -kehren, Korn einsammeln‘.
Ahd. Wb. 7, 921; Splett, Ahd. Wb. 1, 743; eKöbler, Ahd.
Wb. s. v. respan; Schützeichel⁷ 259; Starck-Wells 481;
Schützeichel, Glossenwortschatz 7, 392; Seebold,
ChWdW8 239; Graff 4, 1181; Lexer 2, 410; Dt. Wb. 14, 819;
Kluge²¹ 578 (s. v. raffen); Kluge²⁵ s. v. Raspel; ePfeifer, Et.
Wb. s. v. raspeln. – Riecke 1996: 615; Braune-Heidermanns
2018: §§ 133, 1. 338 (und Anm. 2). – Schweiz. Id. 6,
1488 f.; Stalder, Versuch eines schweiz. Id. 2, 259.
In den anderen germ. Sprachen entspricht ledig-
lich ae. -hrespan (in gehrespan st.v. ‚reißen,
plündern‘): < westgerm. *χrespe/a-.
Das bei Holthausen 1985: 47 angeführte Verb „hrespa
‚reißen‘ stv“ (auch noch etwa erwähnt bei Riecke
1996: 615) ist, wie schon von Seebold, Germ. st. Verben
274 vermutet, ein Ghostword; es ist jedenfalls nicht in
Hofmann-Popkema, Afries. Wb. gelistet. Nicht hierher
gehört afries. respa, rispa ‚ernten‘ (Hofmann-Popkema,
Afries. Wb. 402; DRW 11, 938 f.), da hr- im Afries. erhal-
ten geblieben ist.
Der zugehörige PN lat.-got. Respa (Reichert
1987–90: 1, 565; 2, 548), der mit rom. Graphie
e < *i auf ein zugrunde liegendes Verb got.
*hrispan weist (vgl. N. Wagner, BNF 28
[1993], 134), zeigt, dass das Wort im Germ.
weiter verbreitet war. Somit ist die Nennung
von ahd. respan und ae. gehrepsan im Ab-
schnitt „Lexemes unique to West Germanic“
bei Ringe-Taylor 2014: 126 unzutreffend.
Mit einer Metathese *-ps- > *-sp- (vgl. als Pa-
rallele urgerm. *-fs- > *-sp- nach der Neutrali-
sierung von *[f] zu /P/ vor Frikativ [vgl. dazu
S. Neri, in Neri-Ziegler 2012: 81]) stellt man
westgerm. *χrespe/a- in der Regel weiter zur
Wz. urgerm. *χrep-. Diese liegt u. a. vor in:
mhd. raffen, reffen sw.v. ‚zupfen, rupfen, rau-
fen, raffen, eilig an sich reißen‘ (Lexer 2, 334;
3, Nachtr. 343), nhd. raffen sw.v. ‚(abwertend)
raffgierig in seinen Besitz bringen, mehrere
Dinge zugleich eilig und voller Hast an sich
reißen, (Stoff) an einer bestimmten Stelle so
zusammenhalten, dass er in Falten fällt und
dadurch ein wenig hochgezogen wird, gekürzt,
aber in den wesentlichen Punkten wiederge-
ben, (salopp) verstehen, erfassen‘ (Dt. Wb. 14,
57 ff.; Kluge²¹ 578; Kluge²⁵ s. v. raffen; ePfei-
fer, Et. Wb. s. v. raffen), mndd. rāpen, rabben
sw.v. ‚an sich reißen, raffen‘, frühmndl. rapen
sw.v. ‚zusammenbringen, versammeln‘, mndl.,
nndl. rapen sw.v. ‚raffen, aufheben, sammeln‘,
nwestfries. raapje sw.v. ‚raffen, zusammenraf-
fen‘, saterfries. rapje, rappe ‚raffen, reißen‘,
nnordfries. raabe sw.v. ‚rupfen‘ (< urgerm.
*χrapōi̯e/a-).
Westgerm. *χrespe/a- setzt dann ein älteres
*χrepse/a- fort, eine Intensiv-Iterativbildung
mit dem Suff. urgerm. *-s- (vgl. dazu Krahe-
Meid 1969: 3, § 187).
Seebold, Germ. st. Verben 274; Lasch-Borchling, Mndd.
Handwb. 2, 2, 1861; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. 3, 421;
6, 241 f.; VMNW s. v. rapen; Verwijs-Verdam, Mndl. wb.
6, 1038 ff.; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 535. 536 (s. v. rasp);
Suppl. 135 (s. v. rasp); Vries, Ndls. et. wb. 563 (s. vv. rapen,
rasp); Et. wb. Ndl. Ke-R 626; WNT s. v. rapen¹; Fryske wb.
17, 257 f.; Dijkstra, Friesch Wb. 3, 3; Fort, Saterfries. Wb.²
487 (rappe ist fehlerhaft mit unter räppe aufgenommen;
vgl. aber den Verweis „rapje > rappe“); Sjölin, Et.
Handwb. d. Festlnordfries. 158. – J. Riecke, Sprachw 22
(1997), 211; Mailhammer 2007: 218.
Urgerm. *χrep-se/a- steht isoliert und hat,
ebenso wie die Wz. urgerm. *χrep- selbst, keine
etym. Anbindung.
Nicht weiterführend ist die Einordnung der germ. Wörter
unter einem diffusen Ansatz uridg. „(s)kerb(h)-,
(s)kreb(h)-, nasaliert (s)kremb-“ als Erweiterung zu
*(s)ker- ‚drehen‘ bei Pokorny 948.
Die alte Zusammenstellung (vgl. etwa Brugmann, Grdr.²
1, 1, 516 f.) mit lat. crispus adj. ‚kraus, sich kräuselnd,
wellenförmig, erzitternd, maserig, runzelig‘ wird bereits
bei Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. 1, 293 zu Recht ab-
gelehnt; de Vaan, Et. dict. of Lat. 145 erwähnt sie auch
nicht mehr.
Die weitere Verbreitung des Verbs im Germ.
zeigt sich auch durch das Lehnwort span. galiz.
rispar ‚reiben, greifen, schnappen‘.
Walde-Pokorny 2, 582; Pokorny 949.
S. auch girspen.
RS