rîfo
Band VII, Spalte 448
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rîfo m. an-St., seit dem 8. Jh. in Gl., bei
N, Npg, Npw: ‚Reif, Frost; bruma, gelu, pruina
〈Var.: hr-; -ai-, -ie-; -ph-, -ff-; -fe, -f〉. Daneben
steht der ahd. a-St. rîf m. ‚dss.‘ (s. d.). – Mhd.
rîf(e) sw.m. ‚Reif‘ neben rîm st.m. ‚dss.‘ (zu
diesem Nebeneinander s. u.), frühnhd. reif m.
‚dss.‘ neben reim m. ‚dss.‘, nhd. Reif m. ‚gefro-
rener Tau‘, häufig auch als KHG in nhd.
Rau(h)reif ‚dss.‘. – Daneben ist vor allem in
obd. Dial. auch die bereits mhd. m-Form fort-
gesetzt: bair. reim m., auch reimel m., reimen
m. ‚leichter Reif‘, auch ‚weißlicher Belag auf
einigen Obstsorten (Trauben, Zwetschgen)‘,
kärnt. reim ‚Nebel, Tau, leichter Reif‘, tirol.
reim, raim, auch rain, anrain ‚kalter Nebel,
Raureif an Bäumen, leichter Reif‘, steir. reim
‚leichter Reif‘, schles. reim, reimen, reimlein
‚Reif‘. Ob ndsächs. rīm ‚Schaum auf frisch
eingeschenktem Bier oder frisch gemolkener
Milch‘ ebenfalls hierher gehört, ist aufgrund
der Bed. fraglich. Eine Beziehung lässt sich
über ‚etwas Weißliches, das auf etwas ist‘
durchaus herstellen.

Ahd. Wb. 7, 948; Splett, Ahd. Wb. 1, 1230; eKöbler,
Ahd. Wb. s. v. rīfo; Schützeichel⁷ 259. 260; Starck-
Wells 483; Schützeichel, Glossenwortschatz 7, 399.
401; Seebold, ChWdW8 239. 429. 468; ders., ChWdW9
676. 1101; Graff 4, 1154; Lexer 2, 428. 437; Diefen-
bach, Gl. lat.-germ. 469 (pruina); Götz, Lat.-ahd.-nhd.
Wb. 537 (pruina); Dt. Wb. 14, 275. 622 ff. 667 (s. v.
Reim: Bed. g); Kluge²¹ 587. 592 (Reif²); Kluge²⁵ s. vv.
Raureif, Reif²; ePfeifer, Et. Wb. s. v. Reif². – Schmeller,
Bayer. Wb.² 2, 93; Lexer, Kärnt. Wb. 206; Schöpf, Tirol.
Id. 546; Schatz, Wb. d. tirol. Mdaa. 2, 479; Unger-
Khull, Steir. Wortschatz 499 (Reim, Bed. 3); Mitzka,
Schles. Wb. 2, 1105 (Reim²); Jungandreas, Ndsächs.
Wb. 10, 193.

In den anderen germ. Sprachen entsprechen: as.
hrīpo sw.m. ‚Raureif‘ neben hrīm st.m. ‚dss.‘,
mndd. rīp(e), rīfe m. ‚Raureif‘; andfrk. *rīm m.
‚dss.‘ (rekonstruiert auf Grundlage von afrz.
frime, crime ‚dss‘, die aus dem andfrk. Wort zu-
grunde liegendem westgerm. *χrīma- entlehnt
sind), frühmndl. ripe ‚dss.‘, mndl. rīp(e) m./n.
‚dss.‘, nndl. rijp ‚dss.‘ (neben [früh-]mndl.,
nndl. rijm ‚dss.‘); ae. hrīm m. ‚dss.‘ (auch im
verdeutlichenden Komp. hrīmforst m. ‚dss.‘),
me. rīm(e) ‚dss.‘ (auch im verdeutlichenden
Komp. rīmfrost m. ‚dss.‘), ne. rime ‚dss.‘ (auch
im verdeutlichenden Komp. rime frost m. ‚dss.‘);
aisl. hrím n. ‚Raureif, Ruß‘, hrími m. ‚Reif,
Feindschaft, Schade‘, nisl. hrím n. ‚Raureif,
Ruß‘, fär. rím n. ‚Raureif‘, adän. rim ‚dss.‘,
ndän. rim ‚dss.‘ (auch im verdeutlichenden
Komp. ndän. rimfrost m. ‚dss.‘), nnorw. rim
‚dss.‘, nschwed. rim ‚dss.‘ (auch im verdeutli-
chenden Komp. aschwed. ri[i]mfrost, nschwed.
rimfrost ‚dss.‘): < urgerm. *χrīp-an- neben ur-
germ. *χrīm-an- (s. u.).

Fick 3 (Germ.)⁴ 104; Kroonen, Et. dict. of Pgm. 247;
Tiefenbach, As. Handwb. 181. 182; Wadstein, Kl. as.
Spr.denkm. 194; Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 2, 2,
2158 (rîpe¹); Schiller-Lübben, Mndd. Wb. 3, 486; ONW
s. v. rīm²; VMNW s. vv. rijm, ripe²; Verwijs-Verdam,
Mndl. wb. 6, 1391 f. 1447; Franck, Et. wb. d. ndl. taal²
548 (rijm¹); Suppl. 137; Vries, Ndls. et. wb. 577 (rijm¹,
rijp¹); Et. wb. Ndl. Ke-R 667 (rijp²); WNT s. vv. rijm¹,
rijp¹; Holthausen, Ae. et. Wb. 174; Bosworth-Toller, AS
Dict. 560 f.; Suppl. 566; eMED s. v. rīm(e) n.⁴; Klein,
Compr. et. dict. of the Engl. lang. 2, 1349; eOED s. vv.
rime n.¹, rime frost n.; Vries, Anord. et. Wb.² 256;
Jóhannesson, Isl. et. Wb. 266; Fritzner, Ordb. o. d. g.
norske sprog 2, 57; ONP s. vv. hrím, hrími; Jónsson,
Lex. poet. 284; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 127;
Magnússon, Ísl. Orðsb. 372 (hrím¹, hrím²); Falk-Torp,
Norw.-dän. et. Wb. 2, 899 f. (rim¹). 1532; Nielsen, Dansk
et. ordb. 346 (rim¹); Ordb. o. d. danske sprog 17, 1052 f.
(rim³). 1062 f.; Torp, Nynorsk et. ordb. 531; NOB s. vv.
(bm.) rim¹, (nn.) rim²; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 2, 836
(rim²); Svenska akad. ordb. s. vv. rim subst.¹, rimfrost
subst.; Kylstra, Lehnwörter 3, 151 f.

Urgerm. *χrīpan- neben urgerm. *χrīm-an-
geht auf ein urspr. Paradigma eines amphidyna-
mischen mon-St. zu einer Wz. uridg. *krep-
zurück: Nom. uridg. *krép-mō(n), akk. uridg.
*krép-mon- > urgerm. *χrī(p)mō, *χrī(p)-
man-un > *χrīmō, *χrīman, aber gen. uridg.
*krip-mn-ós > *kripnós > urgerm. *χrippaz
(mit Wirkung von Kluges Gesetz) → *χrīpaz
(Ausgleich der Vokallänge nach den st. Ka-
sus). Ausgehend von diesem aus synchron
späturgerm. Sicht heteroklitischen Paradigma
*χrīm-/*χrīp- wurden im Germ. zwei vollstän-
dige Paradigmen aufgebaut. Die nordgerm.
Sprachen sowie das Engl. setzen ausschließlich
urgerm. *χrīm- fort, die festlandgerm. Sprachen
zeigen Fortsetzer von *χrīm- neben *χrīp-.
Nach traditioneller, häufig in ält. Etymologika
anzutreffender Ansicht, war die urspr. Bed.
des germ. Worts ‚das, was man abstreifen
kann‘, und es wurde zu einer Wz. uridg. *kre-
‚berühren, streichen, streifen‘ gestellt. Nur unter
dieser Voraussetzung ist die in denselben Ety-
mologika angeführte Verknüpfung mit balt.
Sprachmaterial (lett. krèims, krējums [krèjums]
m. ‚Rahm, Sahne‘, lit. krėnà f. ‚Haut auf ge-
kochten Speisen‘ etc.) überhaupt möglich. Geht
man von der o.a., letztlich auf G. Kroonen zu-
rückgehenden Etym. aus, die die germ. For-
men sämtlich auf eine Wz. uridg./vorurgerm.
*krep- zurückführt, entfallen die Verbindun-
gen mit der balt. Sippe. Sie können allenfalls
indirekt aufrechterhalten werden, falls man
uridg./vorurgerm. *krep- als Wz.erweiterung
einer Proto-Wz. uridg. *kre- akzeptiert.
Aus dem Westgerm. sind die Wörter afrz.
frime, (c)rime ‚Raureif‘, frz. rimas ‚dss.‘ (mit
innerfrz. Erweiterung) entlehnt. Sie reflektieren
im Anlaut die zu unterschiedlichen Zeiten er-
folgten Entlehnungsprozesse. Auf afrz. frime,
beruht der nach der Frz. Revolution eingeführte
MonatsN frz. Frimaire ‚Reif-Monat‘ (3. Monat
des Revolutionskalenders, 21. November bis 20.
Dezember [Klein, Compr. et. dict. of the Engl.
lang. 1, 623; eOED s. v. Frimaire n.]).
Aus dem Nordgerm. wurde das Wort wahr-
scheinlich in ostseefinn. Sprachen entlehnt; vgl.
ingr. rīma ‚Schmutz‘, karel. riima ‚Schicht,
Häutchen (auf der Milch)‘.

Walde-Pokorny 1, 478; Pokorny 618; Körting, Lat.-rom.
Wb.³ Nr. 4645; Meyer-Lübke, Rom. et. Wb.³ Nr. 4207;
Wartburg, Frz. et. Wb. 16, 239 f.; Fraenkel, Lit. et. Wb. 1,
293; Smoczyński, Słow. et. jęz. lit.² 630; Mühlenbach-
Endzelin, Lett.-dt. Wb. 2, 275; Karulis, Latv. et. vārd.²
422. – G. Kroonen, ABäG 61 (2006), 17–25. bes. 23 f.

HB

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