rigil m. a-St., ab dem 12. Jh. in Gl.:
‚Riegel, Querholz; obiectio, ob(i)ex, pessulus,
repagulum, vectis‘ 〈Var.: re-, ríe-, rí-; -el〉. –
Mhd. rigel st.m. ‚Riegel, Querholz, Stange‘,
md. (15. Jh.) auch riegel ‚dss.‘, frühnhd. rigel
m. ‚Riegel, Querbalken im Fachwerk‘, nhd.
Riegel m. ‚Schieber (bzw. in älterer Zeit Quer-
holz) als Verschlussvorrichtung, Sperre, Quer-
balken, in gleichgroße Abschnitte eingeteilter
Streifen (z. B. von Schokolade, Seife), aufge-
setzter Stoffstreifen‘.
Ahd. Wb. 7, 951; Splett, Ahd. Wb. 1, 747; eKöbler,
Ahd. Wb. s. v. rigil; Schützeichel⁷ 260; Starck-Wells 483;
Schützeichel, Glossenwortschatz 7, 402; Graff 2, 440;
Lexer 2, 429 f.; 3, Nachtr. 348; Götze [1920] 1971: 178;
Diefenbach, Gl. lat.-germ. 387 (obex). 492 (repagulum).
608 (vectis); Dt. Wb. 14, 922 ff.; Kluge²¹ 599; Kluge²⁵ s. v.
Riegel; ePfeifer, Et. Wb. s. v. Riegel. – DRW 11, 1080.
In den anderen germ. Sprachen entsprechen:
mndd. rēgel m. ‚Riegel, Querbalken, Sperrholz,
Querstange, Latte, Schanzholz, Reling‘; mndl.
regel(e) m./f. ‚Planke, Latte, gerade Linie, Li-
neal‘, rijghel, rijchel ‚Riegel, Latte‘, nndl. ri-
chel ‚Leiste, Querbalken, Lattengestell, Bord,
Sims‘; afries. reil- in reilbende ‚Kette, Fessel‘
(falls nicht hreilbende anzusetzen ist), nwest-
fries. richel ‚vorstehender Rand‘, saterfries. rail
m. ‚Riegel, Damenhandtasche‘: < urgerm. *reǥ-
ila- oder Lehnwort aus lat. rēgula f. ‚Leiste,
Latte, Stab, Richtscheit, Lineal, Regel‘ (teil-
weise wohl über vulg.lat. *rĕgula mit verkürz-
tem Stammvokal). Zum Weiteren s. u.
Me. raile, ryle, raille ‚Riegel, Querbalken‘, ne.
rail ‚Riegel, Schiene‘ sind aus afrz., mfrz. reille
bzw. anglonorm. raille ‚Riegel‘, dem Fortsetzer
von (m)lat. regula (s. u.), entlehnt.
Die nordgerm. Formen ält. ndän. regel, ndän.
rigel ‚Zunge im Schloss, Balken im Fachwerk‘,
nnorw. (bm.) rigel, (bm./nn.) reile ‚Riegel‘,
nschwed. regel ‚Riegel‘ sind aus dem Dt. über-
nommen.
Fick 3 (Germ.)⁴ 343; Lasch-Borchling, Mndd. Handwb.
2, 2, 1980 f.; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. 3, 448; Verwijs-
Verdam, Mndl. wb. 6, 1189 ff.; Franck, Et. wb. d. ndl.
taal² 540 f. 546; Suppl. 136; Vries, Ndls. et. wb. 568. 574;
Et. wb. Ndl. Ke-R 663; WNT s. v. richel; Boutkan, OFris.
et. dict. 316 f. (reil-²); Hofmann-Popkema, Afries. Wb.
233; Richthofen, Afries. Wb. 828; eFryske wb. s. v.
richel; Dijkstra, Friesch Wb. 3, 18; Fort, Saterfries. Wb.²
486; eMED s. v. raile n.; Klein, Compr. et. dict. of the
Engl. lang. 2, 1297; eOED s. v. rail n.²; Falk-Torp,
Norw.-dän. et. Wb. 2, 898 f. 1532; Nielsen, Dansk et.
ordb. 346; Ordb. o. d. danske sprog 17, 1022 f.; NOB
s. vv. (bm.) reile, (nn.) reile², (bm.) rigel; Hellquist,
Svensk et. ordb.³ 2, 823 (regel²); Svenska akad. ordb. s. v.
regel subst.². – Müller-Frings 1966–68: 2, 441 f.
Für die Etym. des Worts wurden zwei Lösun-
gen vorgeschlagen: Entweder handelt es sich
um eine Ableitung mit dem Nomina agentis und
instrumenti bildenden Suff. urgerm. *-ila-
(s. -il) von der auch in ahd. raha (s. d.) fortge-
setzten Wz. uridg. *(H)rek- mit Suff.betonung;
oder es liegt eine frühe Entlehnung aus lat.
rēgula f. ‚Leiste, Latte, Stab, Richtscheit, Li-
neal, Regel‘ bzw. eher aus vulg.lat. *rĕgula
(mit Wz.vokalismus nach dem Verb lat. rĕgere
‚gerade richten, lenken, leiten, herrschen‘) in
der Bed. ‚Latte, Leiste‘ vor. (Zur jüngeren Ent-
lehnung des lat. Worts in der Bed. ‚Regel, Vor-
schrift‘ sowie zur Etym. des lat. Worts und dem
Fortleben in den rom. Sprachen s. regula). Diese
Entlehnung muss so früh erfolgt sein, dass das
*-e- in der Wz. noch vor dem suffixalen *-u- zu
/i/ gehoben werden konnte. Zudem muss dann
auch noch ein fast vollständiger Übergang
(Ausnahme sind einige Belege im Mndl.) des
Worts vom Fem. ins Mask. eingetreten sein.
Dass in spätmhd. md. riegel noch ein Reflex des
Langvokals von lat. rēg° vorliegt, kann ebenso-
wenig ausgeschlossen werden wie eine frühe
Schreibung eines Dehnungs-e.
Das fast ausschließlich bezeugte mask. Genus
legt aber neben der semantisch und phonolo-
gisch möglichen Entlehnung aus dem (Vulg.)
Lat. auch eine Bildung urgerm. *reǥ-ila- m.
(< vorurgerm. *[H]rek-el-ó-) nahe. Hier bieten
sich zwei Anschlussmöglichkeiten an: entwe-
der an die Wz. uridg. *(H)rek- ‚emporragen‘,
die auch ahd. raha (s. d.) zugrunde liegt, oder
an die Wz. uridg. *h₂er(k̂)- ‚halten‘, sekundär
‚abwehren, verschließen‘, die in der Indoger-
mania weit verbreitet ist (u. a. im Heth., Gr.,
Lat., Arm.). Die Annahme einer Bildung von
dieser Wz. erfordert aber eine Begründung für
die abweichende Vollstufe im germ. Wort.
Wohl fern bleibt bisweilen zu ahd. rigil gestell-
tes lit. rãktas m. ‚Schlüssel‘ (wozu auch die
Verben lit. ràkti ‚sich schließen, zugehen [von
einem Loch, Weiher]‘, rakìnti ‚schließen‘ etc.
zu stellen sind). Falls die primäre Bed. von lit.
ràkti, rankù, rakaũ ,herumstochern, mit etw.
Spitzem in etw. bohren‘ ist, wofür auch lett.
rakt, roku [rùoku], raku ‚graben‘ spricht, wäre
lit. rãktas m. ‚Schlüssel‘, dann ‚Spitzes, womit
man [in das Schlüsselloch] bohrt‘ (?). Zu erwä-
gen wäre, ob nicht hier ebenfalls zwei Wz.
uridg. *(H)rek- ‚graben, stochern‘ und ‚schlie-
ßen‘ zusammengefallen sind, allerdings fehlen
beweiskräftige außerbalt. Comparanda.
Die Verbindung von ahd. rigil mit der Wz.
uridg. *(H)rek- ‚emporragen‘ erscheint somit
als weniger problematisch.
Walde-Pokorny 1, 80 f.; Pokorny 65 f. 854; LIV² 273;
Fraenkel, Lit. et. Wb. 2, 694; Smoczyński, Słow. et. jęz.
lit.² 1112 f.; Mühlenbach-Endzelin, Lett.-dt. Wb. 3, 475;
Karulis, Latv. et. vārd.² 737.
HB