rotta f. ōn-St., seit der 2. Hälfte des 9.
Jh.s in Gl., bei O, N, in Nps, Npg, Npw: ‚Rotte,
Psalter (Saiteninstrument), Zupfleier; cithara,
lyra, psalmus (= lûta rottûn), psalterium‘
〈Var.: -ô-; -dd-, -tht-; -e〉. Das Wort ist aus
mfrz. rot(t)e f. bzw. mlat. rot(t)a, rutta f. ent-
lehnt (s. u.). – Mhd. rot(t)e sw.f. ‚Zither, har-
fenartiges Saiteninstrument‘, frühnhd. rotte f.
‚Zither‘, nhd. Rotte, Rotta f. ‚mittelalterliche
dreieckige Zither‘.
Ahd. Wb. 7, 1172 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 767 f.; eKöbler,
Ahd. Wb. s. v. rotta; Schützeichel⁷ 265; Starck-Wells
494; Schützeichel, Glossenwortschatz 7, 488; Seebold,
ChWdW9 687. 1102; Graff 2, 487; Lexer 2, 509; 3,
Nachtr. 351; Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 537 (psalmus,
psalterium); Dt. Wb. 14, 1315.
In andere germ. Sprachen wurde das mlat. bzw.
rom. Wort ebenfalls übernommen: mndd. rotte,
rōde f. ‚ein Saiteninstrument, Harfenzither‘;
mndl. rote f. ‚ein Saiteninstrument‘; me. rōte
‚ein Saiteninstrument‘ (aus dem Mfrz. bzw.
Anglonorm.), ne. rotta ‚dss.‘ (aus lat. rotta) ne-
ben veraltet rote ‚dss.‘ (aus dem Mfrz.).
Daneben findet sich im Engl. aus dem etym.
verwandten kymr. crwth ‚Geige, Saiteninstru-
ment‘ (s. u.) entlehntes me. croud, crouth ‚ein
(kelt.) Saiteninstrument‘, ne. crowd ‚ein (kelt.)
violaartiges Saiteninstrument mit drei, später
sechs Saiten, von denen zwei gezupft und vier
gestrichen werden‘.
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 2, 2, 2273 f. (rotte²);
Schiller-Lübben, Mndd. Wb. 3, 514; Verwijs-Verdam,
Mndl. wb. 6, 1644; eMED s. vv. croud n.², rōte n.; Klein,
Compr. et. dict. of the Engl. lang. 1, 376 (crowd¹); 2,
1358 f. (rote²); eOED s. vv. †crowd n.¹, rote n.², rotta n.
Bereits bei Venantius Fortunatus (ca. 540–
600/10) ist einmal lat. crotta f. ‚ein Musikin-
strument‘ belegt (carmen 7, 8, 64). Dieses wird
in den rom. Sprachen nicht fortgesetzt; jüngeres
mlat. rot(t)a, rutta, rocta f. ‚Harfe, Zither, ein
Saiteninstrument‘ lebt hingegen fort: afrz.
route f. ‚dss.‘, mfrz. rot(t)e f. ‚dss.‘, aprov. rota
f. ‚dss.‘, katal. rota f. ‚dss.‘, span. rota f. ‚dss.‘,
aitalien. rotta f. ‚dss.‘. Das mlat. Wort ist wie-
derum selbst eine Entlehnung, wobei hier für
unterschiedliche Regionen zwei verschiedene
Quellen in Frage kommen, einerseits vorair.
bzw. festlandkelt. *krottā- ‚Harfe‘ (fortgesetzt
in air. crott f., gen. cruitte ‚Harfe‘), andererseits
westgerm. *χrōtō- (fortgesetzt in ahd. ruoza
‚Harfe‘ [s. d.]). Vorair. bzw. festlandkelt.
*krottā- seinerseits setzt urkelt. *kruttā- mit
Senkung des Wz.vokals vor *ā der Folgesilbe
fort, das Entsprechungen in urkelt. *krutto- >
(m)kymr. crwth m. ‚Buckel, rundes Objekt,
Geige‘, urkelt. *kruttā- > (m)kymr. croth f.
‚Gebärmutter, Unterleib‘ und mbret. courz gl.
uulua, nbret. kourzh m. ‚Unterleib‘ hat. Aus
mkymr. croth ist air. croth f. ‚Gebärmutter‘ ent-
lehnt. Das urkelt. Wort dürfte ‚etwas Rundes‘
bezeichnet haben. Urkelt. *krutto/ā- stammt
aus vorurkelt. *krut-no-, sofern keine expres-
sive Gemination *t > *tt eingetreten ist. Expres-
sive Geminationen kommen bei Körperteilbez.
o. ä. vor (so etwa de Bernardo Stempel 1999:
513. 516 und als Alternativerklärung auch R.
Lühr, Sprachw 10 [1985], 306).
Nächstverwandt sind vielleicht balt. Lexeme:
lit. krūtìs f. ‚Frauenbrust‘, lett. krūts [krùts] f.
‚Hügel, Haufen, Brust‘. Doch bereitet der Vo-
kalismus dabei Probleme, da dem *u im Urkelt.
urbalt. *ū (< vorurbalt. *uH) gegenübersteht.
Die Verwandtschaft mit dem Balt. wird allen-
falls von keltologischer Seite erwogen, ohne
das Verhältnis genauer zu beschreiben, von
Baltisten wird eine solche Verbindung in der
Regel nicht einmal als möglich erwähnt; dort
wird die balt. Sippe gewöhnlich mit der Sippe
des Verbs lit. kráuti, lett. kr/ŗaut [kr/ŗaũt] ‚an-
häufen, sammeln‘ und darüber dann mit der von
aksl. kryti ‚(be-)decken‘, krovъ m. ‚Dach‘ ver-
bunden: Die Bed. ‚(Frauen-)Brust‘ ist dann se-
kundär aus ‚Anhäufung, Erhebung‘ abzuleiten.
Diese Bildungen beruhen auf der Wz. uridg.
*kreu̯H-, die nicht mit den kelt. Wortformen
vereinbar sind.
Die Verwandtschaft der kelt. und balt.-slaw.
Sippe lässt sich indes folgendermaßen herstel-
len: Neben uridg. *kruH-tí- (> urbalt. *krūtí-)
existierte auch ein Verbaladj. *kruH-tó- ‚ange-
häuft‘. Von diesem (wohl kaum vom ti-St.)
kann eine Ableitung mit dem sekundären Suff.
*-nó- erfolgt sein. In uridg. *kruH-t-nó- ‚ange-
häuft‘ musste dann nach der ‚Wetter-Regel‘ der
Laryngal vor der Doppelkonsonanz schwinden
und *kru-t-nó- entstanden sein. Durch Substan-
tivierung (sei es mit oder ohne Kontrastakzent)
nahm das Wort die Bed. ‚Anhäufung, Erhe-
bung‘ an, was einerseits zu ‚Hügel‘, anderer-
seits zu ‚Brust‘ führte, weiter kann sich aus-
gehend von einer Bed. ‚(runder) Hügel‘ die
Bed. ‚Bauch, Unterleib‘ > ‚Gebärmutter‘ sowie
‚bauchiges Instrument‘ > ‚ein bauchiges Sai-
teninstrument‘ > ‚Saiteninstrument allgemein,
Harfe‘ entwickelt haben.
Treffen diese Erklärungen zu, bildet eine Wz.
vorurkelt. *kreu̯t- die Grundlage für die kelt.
Sippe. Ob diese dann Erweiterung einer ande-
ren Wz. ist, bleibt offen.
Die etwa noch von Fick 2 (Kelt.)⁴ 99 f. vertretene Herlei-
tung von air. crott aus urkelt. *krotetā- und eine Verknüp-
fung dieser Form mit gr. κροτέω ‚klappere, klatsche‘
(Frisk, Gr. et. Wb. 2, 26; Chantraine, Dict. ét. gr.² 564 f.;
Beekes, Et. dict. of Gr. 1, 784) lässt die kelt. Formen, die
auf einer Vorform *krut° beruhen müssen, außer Acht
und ist deshalb zu verwerfen.
Walde-Pokorny 1, 489; Pokorny 624; LIV² 371; Thes.
ling. lat. 4, 1217; Niermeyer, Med. Lat. lex.² 2, 1204; Du
Cange² 7, 203 (s. v. rocta); Meyer-Lübke, Rom. et. Wb.³
Nr. 4217; Wartburg, Frz. et. Wb. 16, 250; Trautmann,
Balt.-Slav. Wb. 140; Berneker, Slav. et. Wb. 1, 625.
632 f.; Trubačëv, Ėt. slov. slav. jaz. 13, 20 f. 71 f.;
Derksen, Et. dict. of Slav. 250. 254; Et. slov. jaz. staro-
slov. 370. 372 f.; Bezlaj, Et. slov. slov. jez. 2, 94. 101;
Snoj, Slov. et. slov.³ 351. 355; Matasović, Et. rječ. hrv.
jez. 1, 503 f. 510; Vasmer, Russ. et. Wb. 1, 665. 673;
ders., Ėt. slov. russ. jaz. 2, 378. 390; Schuster-Šewc,
Hist.-et. Wb. d. Sorb. 689 f. 691 f.; Olesch, Thes. ling.
drav.-polab. 1, 467 f.; Derksen, Et. dict. of Balt. 256. 261;
Fraenkel, Lit. et. Wb. 1, 291. 303; Smoczyński, Słow. et.
jęz. lit.² 564 f. 584 f.; ALEW 1, 521 f. 531 f.; Mühlenbach-
Endzelin, Lett.-dt. Wb. 2, 264. 291. 293. 296; Karulis,
Latv. et. vārd. 421. 431; Fick 2 (Kelt.)⁴ 99 f.; Matasović,
Et. dict. of Proto-Celt. 228; Vendryes, Lex. ét. de l’irl.
anc. C-247 (croth²). 248; Kavanagh-Wodtko, Lex. OIr.
Gl. 246; eDIL s. v. crott; Dict. of Welsh 1, 612. 616;
Deshayes, Dict. ét. du bret. 423. – R. Lühr, Sprachw 10
(1985), 305 f.; Machek 1997: 298; Králik 2015: 303.
305; Rejzek 2015: 348. 349; Klotz 2017: 134. 136.
S. ruoza.
HB