rûda f. ō-/n-St., seit dem Anfang des 9.
Jh.s in Gl. und in Npg: ‚Geschwür, Hautaus-
schlag, Räude, Flechte, Krätze; contagium, im-
petigo, scabies, ulcus, vesica, vitiligo‘ 〈Var.:
-y-, -ou-〉. Neben fem. rûda steht die mask. Form
rûdo (s. d.). – Mhd. riude, rûde st./sw.f. ‚Räude‘,
frühnhd. rauden f. ‚die Hautkrankheit Räude‘,
nhd. Räude f. ‚durch Krätzmilben verursachte,
mit Bläschenbildung und Haarausfall verbun-
dene Hautkrankheit besonders bei Haustieren‘.
Ahd. Wb. 7, 1192 ff.; Splett, Ahd. Wb. 1, 768; eKöbler,
Ahd. Wb. s. v. rūda; Schützeichel⁷ 266; Starck-Wells
495; Schützeichel, Glossenwortschatz 8, 10; Seebold,
ChWdW9 688. 1100; Graff 2, 490; Lexer 2, 469; Götze
[1920] 1971: 173; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 288 f.
(impetigo). 515 (scabies); Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 320
(impetigo). 684 (ulcus); Dt. Wb. 14, 255; Kluge²¹ 586;
Kluge²⁵ s. v. Räude; ePfeifer, Et. Wb. s. v. Räude. –
Höfler 1899: 495 f.; Heyne 1899–1908: 3, 132 Fn. 85;
Riecke 2004: 2, 413 f.
In den anderen germ. Sprachen entsprechen:
frühmndl. rude (Genus nicht bestimmbar)
‚Krätze, ansteckende Hautkrankheit‘, mndl.
rude (ruyde, ruyd) (m./f.) ‚Krätze, krätzeähnli-
cher Hautausschlag‘, nndl. (mit Auslautverhär-
tung) ruit (f.) ‚dss.‘ neben dial. Formen wie
rui(e), rooi, ruid(e), die -d voraussetzen; nwest-
fries. rude (m./f.) ‚Krätze, Räude‘: < westgerm.
*χrūþō(n)-.
Im Ae. ist das Wort nur einmal als 〈rude〉 belegt, in se
rude on đam men zur Übersetzung von lat. scamma in
homine ‚das Schuppige beim Menschen‘; zur Erklärung
der Form 〈rude〉 – u. a. mit -e für -a – vgl. O. B. Schlutter,
Anglia 30 (1907), 253; der Beleg ist daher kein Fem. (so
Holthausen, Ae. et. Wb. 177).
Der as. Beleg akk.sg. 〈rhúthon〉 (Gl. 2,586,73), der von
Schlüter 1892: 32 und nachfolgend in den Wörterbü-
chern als Mask. eingeordnet wird, ließe sich auch als
Fem. bestimmen; das ist aber wegen des Genus im Mndd.
weniger wahrscheinlich.
Im Nordgerm. findet sich mit einem anderen
Suff. ein m. a-St. *χrūþ-ra- (vgl. Noreen [1923]
1970: § 358 Anm. 2): aisl. hrúðr m. ‚Schorf‘,
nisl. hrúður m. ‚Geschwür, Flechten auf den
Felsen, kleine Schalentiere auf Felsen oder an
Schiffen‘, fär. rúður m. ‚Seepocke, kleines
Schalentier auf Felsen an der Küste‘, nnorw.
rur ‚Schorf auf Wunden, Seepocke, Boden-
schicht auf Bergen an der Meeresseite‘, norn
ruder, rur ‚Kruste von Seepocken auf Felsen an
der Küste‘ (> shetl. rūder ‚Seepocke‘).
Hierher gehören wohl auch die Wörter nnorw.
dial., aschwed., nschwed. ryl, nschwed. dial.
ryl, röl ‚Schwiele‘, die man in der Regel auf
eine ablautende Form nordgerm. *χruđila- zu-
rückführt (vgl. u. a. Vries, Anord. et. Wb.² 261).
Da aber im Aschwed. auch Schreibungen
mit -yy- belegt sind (vgl. Söderwall 1884 ff.: 2,
1, 272), die auf einen Langvokal weisen (vgl.
zur Doppelschreibung als Langvokalwieder-
gabe Noreen [1904] 1978: § 27 Anm. 1), spricht
nichts gegen einen Ansatz *χrūđila-.
Fick 3 (Germ.)⁴ 106; Tiefenbach, As. Handwb. 185;
Wadstein, Kl. as. Spr.denkm. 195; Lasch-Borchling,
Mndd. Handwb. 2, 2, 2299; VMNW s. v. rude; Verwijs-
Verdam, Mndl. wb. 6, 1670; Franck, Et. wb. d. ndl. taal²
564 (ruit³); Suppl. 848 (ruit³); Vries, Ndls. et. wb. 595 f.
(ruit³); WNT s. vv. ruid¹, ruit³; Fryske wb. 18, 179 f.;
Dijkstra, Friesch Wb. 3, 46; Holthausen, Ae. et. Wb. 177;
Bosworth-Toller, AS Dict. 803 (rude); Vries, Anord. et.
Wb.² 261; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 267; Fritzner, Ordb.
o. d. g. norske sprog 2, 67; ONP s. v. hrúðr; Holthausen,
Vgl. Wb. d. Awestnord. 129; Magnússon, Ísl. Orðsb. 379;
Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 2, 921; Torp, Nynorsk et.
ordb. 550; NOB s. v. rur; NOBFM s. v. ryl¹; Jakobsen, Et.
dict. of the Norn lang. 2, 721; Hellquist, Svensk et. ordb.³
2, 858 f.; Svenska akad. ordb. s. v. ryl.
Die germ. Formen *χrūþō(n)-, *χrūþan-, *χrūþa-
und wohl auch zugehöriges *χrūđila- haben
keine Entsprechungen in den anderen idg.
Sprachen. Aus diesem Grund bleibt auch die
Etym. dunkel.
In Anbetracht der Bed. ‚Schorf‘ von lett. kreve
f. ‚geronnenes Blut, Schorf‘ < vorurbalto(slaw).
*kreu̯h₂-ii̯ah₂- liegt der Anschluss der germ.
Wörter an die Wz. uridg. *kreu̯h₂- ‚(geronne-
nes) Blut, Blut außerhalb des Körpers‘ (s. zur
weiteren Etym. rô ‚roh‘) nahe. In dem Fall läge
eine Bildung vorurgerm. *krúh₂-to- ‚die mit
(geronnenem) Blut versehene Stelle‘ zugrunde,
eine Substantivierung von einem Adj. *kruh₂-
tó- ‚mit (geronnenem) Blut versehen‘. Das Adj.
könnte in jav. xrūta- ‚grausam‘ (nur V. 7, 27)
vorliegen.
Die Existenz von jav. xrūta- ‚grausam‘ bezweifelt de
Vaan 2003: 298 (mit Fn. 358). Er nimmt einen hs. Ersatz
von vormaligem -r- durch -t- an; somit wäre an der Stelle
das häufiger belegte Adj. av. xrūra- ‚gewalttätig, blutig,
grausam‘ gemeint. Diese Annahme würde auch dadurch
nahegelegt, dass xrūra- als Hss.var. zu dieser Stelle be-
zeugt ist; laut dortiger Auflistung finden sich in 5 Hss. -t-,
in 4 Hss. -r-, während eine Hs. -v- bietet. Da ein solches
Adj. aber für das germ. Subst. vorauszusetzen ist, spricht
nichts gegen die Beibehaltung von jav. xrūta-.
Nordgerm. *χrūđila- setzt ein weitergebildetes
vorurgerm. *kruh₂-t-e/iló- fort.
Die daneben erwogene Anbindung (vgl. u. a. Walde-
Pokorny 2, 565 f.; Pokorny 933) an die Verbalwz. uridg.
*(s)ker- ‚einschrumpfen, runzeln‘ (die als solche in den
idg. Sprachen bisher nicht bezeugt ist) ist wegen dem un-
erklärten Langvokal im Germ. schwierig: Eine Erweite-
rung *(s)kr-eu̯- müsste über *(s)kru-tó- → *(s)krú-to- zu
urgerm. *χruþa- geführt haben. Als einzige Erklärung für
den Langvokal bliebe dann nur die Annahme einer ex-
pressiven Dehnung.
Zur Erklärung der germ. Formen erübrigt sich die An-
nahme einer Bildung mit einem Krankheitsnamen bilden-
den Suff. urgerm. *-aþan, *-iþan, *-iđan (Kluge²¹ 586;
ähnlich auch Kluge²⁵ s. v. Räude).
Walde-Pokorny 1, 479 f.; 2, 565 f.; Pokorny 621 f. 933;
NIL 444 ff.; Bartholomae, Airan. Wb.² 539.
RS