rud(e)o m. n-St., seit dem 4. Viertel des
8. Jh.s in Gl.: ‚(großer) Hund, Hetzhund, Hatz-
hund, Höllenhund; canis, Cerberus, Molossus,
seudo [= suesius]‘ 〈Var.: hru- (mit etym. unbe-
rechtigtem h-; vgl. dazu Braune-Heidermanns
2018: § 153 Anm. 1), ro-, ruo-, rou-; -th-,
-dh-〉. – Mhd. rüde, rude (rüede) sw.m. ‚großer
Hatzhund‘, frühnhd. rüde m. ‚(männlicher)
Hund, Jagdhund‘, nhd. Rüde m. ‚(von Hunden,
anderen Hundeartigen und Mardern) männli-
ches Tier, (Jägersprache) Hetzhund, der beson-
ders auf Sauen gehetzt wird‘.
Die ahd. Formen auf -eo, die jan-stämmig sind,
hätten eigentlich mit eingetretener westgerm.
Kons.gemination ahd. *rutteo ergeben. Eine
solche Form muss auch vorhanden gewesen
sein, wie aus nhd. dial. schweiz. rütt m. ‚männ-
licher Hund, großer, starker Jagdhund, männli-
che Katze, Kater, Männchen des Kaninchens,
des Hasen‘, nassau. rittchen, rüttchen ‚dss.‘
hervorgeht; daneben stehen noch Lautungen
mit -dd(-) in pfälz. ridd, riddel m. ‚männlicher
Hund‘, südhess. ridd, riddche m. ‚männlicher
Hund, männlicher Hase, männliche Taube‘,
schlesw.-holst. rodde m. ‚Hund, Schäferhund‘,
die eher ndd. Lautstand haben (vgl. mndd.
rödde m. ‚Hund‘ [s. u.]) als durch Annahme
einer weiteren Form mit expressiver Gemi-
nata -dd- zu erklären sind. Die Belege in den
ahd. Denkmälern zeigen im Konsonantismus
entweder einen innerparadigmatischen Aus-
gleich oder eine Beeinflussung durch den dane-
ben stehenden n-St. rudo.
Ahd. Wb. 7, 1195 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 769; eKöbler,
Ahd. Wb. s. vv. rudio, rudo; Schützeichel⁷ 266; Starck-
Wells 495; Schützeichel, Glossenwortschatz 8, 10 ff.;
Seebold, ChWdW8 243. 430. 506; ders., ChWdW9 688.
1102; Graff 2, 490; Lexer 2, 525; Götze [1920]
1971: 180; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 366 (Molossus).
564 (suesius); Dt. Wb. 14, 1383 f.; Kluge²¹ 612; Kluge²⁵
s. v. Rüde; ePfeifer, Et. Wb. s. v. Rüde. – Palander 1899:
39–41; Dalby 1965: 181 f.; Splett 1976: 295; Krotz 2002:
410; RGA² 15, 213. – Schweiz. Id. 6, 627 f.; Christmann,
Pfälz. Wb. 5, 631; Kehrein, Volksspr. u. Wb. von Nassau
330; Maurer-Mulch, Südhess. Wb. 4, 1506; Mensing,
Schleswig-holst. Wb. 4, 122.
In den anderen germ. Sprachen entsprechen: as.
rutho m. (Gallée 1993: § 176 [S. 137]; Gl.
3,718,52: 〈ruthe〉. 721,38: 〈rutho〉; 2. Hälfte des
12. Jh.s [vgl. Bergmann-Stricker, Katalog Nr.
49]), mndd. rȫde, *rȫe m. ‚Hund‘; frühmndl.
ruede m. ‚Hund‘, mndl. reude (ruede, rode,
roede) (m.) ‚großer, kräftiger Hund, Bluthund,
Jagdhund, Unmensch, Barbar‘, nndl. reu (m.)
‚Rüde, zur Bez. von Männchen anderer Tierar-
ten (besonders Wolf und Fuchs), Schimpfwort‘;
ae. roþ- (in roþhund m. ‚Dogge‘): < urgerm.
*ruþ(i̯)an-.
Der regelmäßig ebenfalls dem As. zugewiesene Beleg
Gl. 4,211,17 〈ruthio〉 bleibt in der sprachlichen Einord-
nung unsicher, da die Hs. 61 in Trier auch ahd. Material
enthält (vgl. Bergmann-Stricker, Katalog Nr. 877).
Die lautgesetzlich zu erwartende Entwicklung
von urgerm. *ruþi̯an- zu westgerm. *ruþþi̯an-
zeigt neben vorauszusetzendem ahd. *rutteo
auch noch mndd. rödde m. ‚Hund‘ und ae.
ryþþa m. ‚Rüde, großer Hund‘.
Kroonen, Et. dict. of Pgm. 251 setzt als urgerm. Vorform
*χruþi̯an- an, wobei er für den Anlaut – wohl in Nach-
folge von Fick 3 (Germ.)⁴ 107 – auf ae. „hryðða“ und
„hroð-hund“ verweist (erstaunlicherweise aber nicht auf
den einmaligen Beleg ahd. 〈hrudeo〉 [Gl. 1,208,25, Ra]).
Zwar gibt es bei Bosworth-Toller, AS Dict. 564 einen
Eintrag hryđđa s. ryđđa, aber unter den dortigen Belegen
finden sich keine Schreibungen mit h- (ebenso wenig wie
im Suppl. 691). Der bei Bosworth-Toller, AS Dict. 802
unter dem Lemma rođ-hund einzige angeführte Beleg
„Hrođ-hund inutilis canis“ (recte „iutilis canis“; vgl.
Suppl. 2, 12) ist laut den Angaben im Suppl. 2, 53 eine
Fehllesung der hs. Schreibung 〈broþhund〉 (zur Erklärung
der Form vgl. Suppl. 2, 12). Für ein ehemals anlautendes
h- gibt es daher keine stichhaltigen Belege, da auch ahd.
〈hrudeo〉 wohl nur prothetisches h- zeigt (vgl. dazu
Braune-Heidermanns 2018: § 153 Anm. 1 mit 〈hrinnit〉
als Parallele aus Ra). Damit sind auch die etym. Überle-
gungen von Kroonen, ebenso wie die in Fick 3 (Germ.)⁴
107 und von M. de Vaan, Neerlandistiek am 18 februari
2016 (http://www.neerlandistiek.nl/2016/02/etymologie-
reu/), hinfällig (vgl. bereits Walde-Pokorny 2, 417: „da
mit anlaut. r-“).
Das in der Literatur als Fortsetzer von ae. ryþþa manch-
mal angeführte Wort me. ryththe ist im eMED nicht vor-
handen.
Fick 3 (Germ.)⁴ 107; Kroonen, Et. dict. of Pgm. 251;
Tiefenbach, As. Handwb. 317 (s. v. rudthio); Lasch-
Borchling, Mndd. Handwb. 2, 2, 2176; Schiller-Lübben,
Mndd. Wb. 3, 495; VMNW s. v. ruede; Verwijs-Verdam,
Mndl. wb. 6, 1310 ff.; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 545;
Vries, Ndls. et. wb. 573; WNT s. v. reu¹; Holthausen, Ae.
et. Wb. 263. 266; Bosworth-Toller, AS Dict. 802. 806;
Suppl. 691; Suppl. 2, 53.
Urgerm. *ruþ(i̯)an- < vorurgerm. *(H)rút(i̯)on-
steht in der Indogermania allein und hat auch
keinen überzeugenden etym. Anschluss.
In der etym. Literatur finden sich hauptsäch-
lich zwei Vorschläge, die beide wenig plausi-
bel sind:
1. Anbindung an lat. rutilus adj. ‚rötlich (ins
Goldgelbe fallend), gelbrot, goldgelb‘, das
etym. wohl letztendlich – obwohl formal nicht
ganz geklärt (vgl. die Angaben in Walde-
Hofmann, Lat. et. Wb. 2, 456; Ernout-Meillet,
Dict. ét. lat.⁴ 583 f.; de Vaan, Et. dict. of Lat.
527) – zur Wortsippe um ahd. rôt adj. ‚rot,
scharlachrot, purpur(rot)‘ (s. rôt¹) gehört. Das
Benennungsmotiv wäre dabei die Farbe des
Fells der Tiere gewesen. Ein solches Benen-
nungsmotiv lässt sich aus der Überlieferung
aber nicht absichern, die etym. Anbindung
bleibt somit spekulativ.
2. Ableitung von der Verbalwz. in ahd. riuten
‚ausrotten, zerstören, urbar machen, roden‘
(s. d.), die in der älteren Literatur regelmäßig
als Erweiterung einer Grundwz. uridg. *reu̯-
‚aufreißen, graben, aufwühlen, ausreißen, raf-
fen‘ angesehen wird. In LIV² 509 wird die Wz.
jedoch als *reu̯dh- angesetzt. Auch semantisch
liegt diese Verknüpfung keineswegs nahe.
Walde-Pokorny 2, 417.
RS