ruob
Band VII, Spalte 750
Symbol XML-Datei TEI Symbol PDF-Datei PDF Zitat-Symbol Zitieren

ruob ? (weniger wahrscheinlich ruof)
(zum Ansatz s. u.) m. a-/i-St., in Gl. 3,217,8
(12. oder 14. Jh., wohl alem.). 369,56 (12./13.
Jh., wohl mfrk.): ‚Dach, Abdeckung (auf dem
Hinterschiff); gurgustium, praetoriolum‘. In
Gl. 3,217,8 ist das Wort als pl. 〈růbe〉, in Gl.
3,369,56 als sg. 〈růf〉 geschrieben. Diese Vari-
anz macht einen sicheren Ansatz für das Ahd.
schwierig. Wenn ruof die ursprüngliche Lau-
tung ist, wäre das 〈b〉 in 〈růbe〉 das Resultat des
hess. Zusammenfalls der Fortsetzer von ur-
germ. *f und *ƀ im In- und Auslaut (vgl. dazu
Paul 2007: § L 100 Anm. 3), so dass dieser Be-
leg nicht alem. wäre. Wenn dagegen ruob die
ursprüngliche Form ist, wäre die Schreibung
mit 〈f〉 in 〈růf〉 die mfrk. Wiedergabe von ur-
germ. *ƀ (zur Schreibung v und f anstelle von
standardahd. b [< urgerm. *ƀ] im Mfrk. vgl.
Braune-Heidermanns 2018: § 134). – Mhd.
ruop ?, ruof ? st.m. ‚Verschlag auf dem Schiff-
deck‘ (drei Belege: rupp . ein kleins heuslin
in einem schiff [Vocabularius teutonicus sive
Rusticanus terminorum von Zeninger aus dem
Jahre 1482] und rub in fur dem rub und fur den
rub [vgl. F. J. Mone, ZGOberrheins 9 (1858),
33]); die mhd. Belege sind wohl ebenfalls nicht
aussagekräftig genug, um zwischen den beiden
Ansätzen entscheiden zu können, da auch diese
Quellen ins Westmd. weisen und daher eben-
falls Zusammenfall der Kontinuanten von ur-
germ. *f und *ƀ zeigen können (Hinweis von B.
Luxner).
Im Nhd. ist seit 1806 das aus dem Ndl. ent-
lehnte seemannsspr. (jetzt veraltete) Wort Roof
m. ‚Verschlag auf dem Schiffsdeck‘ belegt; vgl.
noch nhd. dial. rhein. ruff m. ‚Schiffsaufbau,
Wohnung des Schiffsführers auf Lastkähnen,
meist am Hinterteil‘, ndsächs. rōf m. ‚Dach,
Decke, hinterer Decksaufbau, Kajüte auf klei-
neren Schiffen, aus Stroh geflochtener Kornbe-
hälter, Spannwerk des Hauses, harte Erdkruste
auf dem Acker‘.

Ahd. Wb. 7, 1244 ([h]ruof²); Splett, Ahd. Wb. 1, 1231
(s. v. ruof); eKöbler, Ahd. Wb. s. v. ruof²; Schützeichel⁷
267 (ruof²); Starck-Wells 498 (s. v. ruof¹); Schützeichel,
Glossenwortschatz 8, 30 (s. v. ruof²; nur der Beleg Gl.
3,369,56 ist angeführt; der Beleg Gl. 3,217,8 ist auch an
anderer Stelle nicht auffindbar); Bergmann-Stricker,
Katalog Nr. 68. 726; Lexer 2, 549 (wegen des Belegs
fur den rub ist die Einordnung als st.n. fehlerhaft);
Diefenbach, Gl. lat.-germ. 458 (pretoriolum); Dt. Wb.
14, 1161. – Schmeller, Bayer. Wb.² 2, 130 (dort ist der
mhd. Beleg 〈rupp〉 gelistet); Müller, Rhein. Wb. 7, 580;
Jungandreas, Ndsächs. Wb. 20, 244. – Kluge 1911: 666
(mit zahlreichen Belegstellen aus dem 19. Jh. und Anfang
des 20. Jh.s); RGA² 3, 286–288.

Ebenso wie der Ansatz ahd. ruob bzw. ruof von
der Überlieferung her unsicher ist und so als
Vorform entweder urgerm. *χrōƀa- oder *χrōfa-
in Frage kommt, sind auch fast alle belegten
Entsprechungen in den anderen germ. Sprachen
zweideutig und können als Vorform urgerm.
*χrōƀa- oder urgerm. *χrōfa- haben; in der
Literatur findet sich fast ausschließlich der
Ansatz *χrōfa- (Ausnahme Hill 2003: 185:
Ansatz „*hrō-ba-“). Die aschwed. Form rof,
rogh n. ‚Baldachin ?, Esse ?, Sargtuch ?‘ mit
den belegten Schreibungen 〈roveth〉, 〈roffuet〉,
〈roogh〉 und 〈roghe (2x)〉 (vgl. dazu Söderwall
1884 ff.: 2, 1, 263; Suppl. 2, 652) weist aber
wohl auf einen Ansatz urgerm. *χrōƀa-, da 〈gh〉
eine seltene, dial. Schreibung für urgerm. *ƀ,
nicht aber für *f ist (vgl. Noreen [1904] 1978:
§ 271 Anm. 1 mit Beispielen).
In den anderen germ. Sprachen entsprechen wei-
ter: mndd. rôf (roef[f], roff), rûf m. ‚Abdeckung,
Deckel, Wundauflage, Umschlag, Dach, Unter-
decksraum des Schiffes, Mannschaftsquartier,
Rauchfang‘; frühmndl. roef m. ‚Schiffsdach,
Unterdecksraum eines Schiffs‘, mndl. roef (roof,
rouf) (m./n.) ‚Dach, Überdachung, Unterdecks-
raum eines Schiffs‘, nndl. roef (f.) ‚Dach, dach-
förmige Überdachung, kleiner Unterdecksraum
eines Schiffs, kleines Zimmer‘; afries. hrōf
m./n. ? ‚Dach‘, nwestfries. roef m./f. ‚über-
deckter Teil auf einem Schiff, der zum Wohnen
dient, Tierrücken‘, saterfries. rouf m. ‚über-
dachter Raum auf einer Treckschute, Kajüte auf
einem Flussschiff‘, nnordfries. ruuf ‚Schiffska-
jüte‘; ae. hrōf m. ‚Dach, Decke, Spitze, Gipfel,
Himmel‘, me. rọ̄f (neben rof[f]e, roef, rove,
rouf[e], rufe, ruf[fe], rhof) ‚Dach, First, Raum
unter einem Dach, Gebäude‘, ne. roof ‚Dach,
First‘; aisl. hróf n. ‚Dach, Schuppen, Boots-
haus‘, nisl. hróf n. ‚baufälliges Haus‘, älteres
ndän. ru, ruo roe, raa ‚Abdeckung, Baldachin
über einer Bahre, Bahre, Sarg‘ (Kalkar 1881–
1907: 3, 619), nnorw. dial. råv ‚Decke eines
(Neben-)Gebäudes‘, nschwed. ror ‚Baldachin
über einer Bahre, Grab in der Form eines klei-
nen Hauses aus Holz‘, dial. ro ‚Dach‘, rov
‚gewölbte Decke in einer alten Küche‘, dial. ro
‚auf Säulen ruhendes Dach über dem Herd‘: <
urgerm. *χrōƀa- (wegen der aschwed. Schrei-
bung wahrscheinlicher als urgerm. *χrōfa-).
Aus dem Ndl. oder Mndd. gelangte das Wort
mit der Bed. ‚Schiffshütte‘ ins Nordgerm. als
ndän. ruf, nnorw., nschwed. ruff.

Fick 3 (Germ.)⁴ 106; Kroonen, Et. dict. of Pgm. 248;
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 2, 2, 2188; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. 3, 515 f.; VMNW s. v. roef; Verwijs-
Verdam, Mndl. wb. 6, 1500; Franck, Et. wb. d. ndl. taal²
553; Vries, Ndls. et. wb. 582; WNT s. v. roef¹; Hofmann-
Popkema, Afries. Wb. 234; Richthofen, Afries. Wb. 829;
Fryske wb. 18, 112; Dijkstra, Friesch Wb. 3, 35; Fort, Sa-
terfries. Wb.² 499; Sjölin, Et. Handwb. d. Festlnordfries.
170 (ruuf²); Holthausen, Ae. et. Wb. 176; Bosworth-
Toller, AS Dict. 562; Suppl. 568; eMED s. v. rọ̄f n.;
Klein, Compr. et. dict. of the Engl. lang. 2, 1356; eOED
s. v. roof n.; Vries, Anord. et. Wb.² 259; Jóhannesson, Isl.
et. Wb. 230; Fritzner, Ordb. o. d. g. norske sprog 2, 63;
ONP s. v. hróf; Jónsson, Lex. poet. 287; Holthausen, Vgl.
Wb. d. Awestnord. 128; Magnússon, Ísl. Orðsb. 376;
Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 2, 917; Ordb. o. d. danske
sprog 17, 1316 f. (s. v. ru³). 1335 (s. v. ruf²); Torp, Ny-
norsk et. ordb. 545; NOB s. vv. (bm.) ruff², (nn.) ruff¹;
NOBFM s. v. råv; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 2, 850;
Svenska akad. ordb. s. vv. ror subst.², ruff² subst.².

Urgerm. *χrōƀa- (weniger wahrscheinlich
*χrōfa-) gehört zu den semantisch nahestehen-
den slaw. Wörtern aksl., aruss. stropъ m. ‚Zim-
merdecke, Dach‘, russ. stróp m. ‚Zimmerdecke,
Dach, Dachboden‘, ukrain. strip m. ‚dss.‘,
wruss. strop m. ‚dss.‘, bulg. strop m. ‚Dachbo-
den, Stockwerk‘, slowen., kroat. dial. strȍp m.
‚Zimmerdecke, Dachstuhl, Dachgiebel‘, slo-
wak., atschech., tschech. strop m. ‚dss.‘, apoln.
strop m. ‚dss.‘, poln. strop m. ‚dss.‘, die auf
gemeinslaw. *stropъ < urslaw. *srapa < vor-
urslaw. *rópo- zurückgehen (die Akzentuie-
rung ist in der Literatur unterschiedlich ange-
geben; vgl. Bezlaj, Et. slov. slov. jez. 3, 333:
„Psl. stròpъ“ gegen Snoj, Slov. et. slov.³ 729:
„Pslovan. stropъ̏“).
Da bei dieser Verbindung urgerm. *χrōƀa- (we-
niger wahrscheinlich *χrōfa-) auf vorurgerm.
*rōpó- (weniger wahrscheinlich *rṓpo-) zu-
rückgeht, sind die germ. Formen eine Vddhi-
Bildung zu *rópo- (zu diesem Typ vgl. aus-
führlich Darms 1978: 122–366).
Für diese Wörter ergibt sich eine Wz. uridg.
*rep- mit einer Bed. ‚bedecken, verhüllen‘.
Auch lat. creper adj. ‚dämmerig, dunkel‘, cre-
pusculum n. ‚(Abend-)Dämmerung, Zwielicht‘
(< *rep-os-) können verbunden werden (Hin-
weis von S. Neri), wobei der semantische Wan-
del von ‚Bedeckung‘ zu ‚dunkel, Schatten‘ tri-
vial ist (vgl. S. Neri, FS García Ramón 2017:
561–570).

De Vaan, Et. dict. of Lat. 143 führt die lat. Wörter ohne
Entsprechungen auf eine Wz. *krep- zurück. Die Anbin-
dung der lat. Wörter an die Wz. *rep- ‚bedecken, ver-
hüllen‘ ist aus lautlichen Gründen am wahrscheinlichsten
(weniger überzeugend ist der Anschluss an die Wz. uridg.
*ksep- ‚Nacht‘ oder die Annahme eines Lehnworts aus
gr. κνέφας n. ‚Abenddämmerung‘ über sabell. oder et-
rusk. Vermittlung (vgl. die bei Walde-Hofmann, Lat. et.
Wb. 1, 289 genannte Literatur; zuletzt Breyer 1993: 487
Fn. 26).

Nicht hierher gehören die üblicherweise eben-
falls hinzugestellten kelt. Formen mir. cró (älter
〈crau〉) m. ‚Gehege, Koppel‘, mkymr. creu m.
‚Schweinestall, Schuppen‘, nkymr. crau, craw
m. ‚dss.‘, abret. crou ‚Schweinestall‘ (das Wort
glossiert lat. hara .i. stabulum porcorum),
mbret. crou ‚Stall, Krippe‘, mbret. krow m.
‚dss.‘, korn. crow m. ‚Hütte‘ (so u. a. Kroonen,
Et. dict. of Pgm. 248: < *rōp-o-; Matasović,
Et. dict. of Proto-Celt. 221: < *kroh₁-po-), da
laut Zair 2012: 170 f. (mit Besprechung wei-
terer Lit.) nur eine Herleitung aus urkelt.
*kreo- oder *kruo- in Frage kommt. Die
Wörter sind besser an die Wz. uridg. *kreH-
‚aufhäufen, bedecken‘ (vielleicht auch an die
Wz. *[s]ker- ‚drehen, biegen‘; so J. Pinault,
Ogam 8 [1961], 599–606) anzuschließen (zu
dieser Wz. s. rust).

Durch den Ansatz einer Wz. uridg. *rep- ‚bedecken‘ ist
die Herleitung der germ. Wörter aus uridg. *kroh₁-p-ó-
und die Interpretation als Labialerweiterung einer Wz.
uridg. *kreh₁- ‚flechten ?‘ (so Matasović, Et. dict. of
Proto-Celt. 221) samt weiterer Anbindung der Wort-
gruppe um ahd. râza f. ‚Honigwabe‘ (s. d.) als *kreh₁-d-
ebenso hinfällig wie Hills 2003: 185 Analyse von ur-
germ. *χrōƀa- als verdunkeltes Komp. *χrō- und *-ƀa-.

Aus dem Mndl. gelangte das Wort in das Frz.
als rouf ‚Kajüte auf einem Schiff‘.

Die bei Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 2, 917 vorgeschla-
gene Anbindung an ahd. ref n. ‚Korb‘ (s. ref²) ist lautlich
nicht möglich, da ref² auf urgerm. *χripa- zurückgeht.

Walde-Pokorny 1, 477 f.; Pokorny 616. 617; Walde-
Hofmann, Lat. et. Wb. 1, 289; Ernout-Meillet, Dict. ét.
lat.⁴ 149; de Vaan, Et. dict. of Lat. 143; Wartburg, Frz.
et. Wb. 16, 735; Trautmann, Balt.-Slav. Wb. 309; Et. slov.
jaz. staroslov. 15, 891 f.; Bezlaj, Et. slov. slov. jez. 3, 333;
Snoj, Slov. et. slov.³ 729; Vasmer, Russ. et. Wb. 3, 30
(strop¹); ders., Ėt. slov. russ. jaz. 3, 781 f. (strop¹); Fick 2
(Kelt.)⁴ 96; Matasović, Et. dict. of Proto-Celt. 221;
Vendryes, Lex. ét. de l’irl. anc. C-240 f.; eDIL s. v. cró¹;
Dict. of Welsh 1, 582; Deshayes, Dict. ét. du bret. 438.

RS

Information

Band VII, Spalte 750

Zur Druckfassung
Zitat-Symbol Zitieren
Symbol XML-Datei Download (TEI)
Symbol PDF-Datei Download (PDF)

Lemmata:
Referenziert in: