ruoba²
Band VII, Spalte 756
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ruoba² f. jōn-St., seit dem 11. Jh. in
Gl.: ‚Rübenkohl, Rettich; napus, radix, rapa,
raphanum, rapula, rapulum‘ (Brassica Rapa
L., Raphanus sativus L.) 〈Var.: -ů-, -ue-, -u-;
-p(p)-; -e〉. – Mhd. ruobe, rüebe (md. rûbe,
rûb) sw.f. ‚Rübe‘, nhd. Rübe f. ‚Pflanze mit ei-
ner dickfleischigen Pfahlwurzel (die als Ge-
müse- oder Futterpflanze angebaut wird),
dickfleischige, kegelförmige, rundliche oder
runde Wurzel der Rübe, (salopp) Kopf, (land-
schaftlich salopp) Bursche‘. Die nhd. Form
Rübe basiert auf der md. Lautung; im Obd.
unterbleibt nämlich die Entwicklung des Um-
lauts von uo > üe vor einem nachfolgenden La-
bial (vgl. Paul 2007: § L 50). Spuren der urspr.
geminierten Form ahd. ruop(p)a finden sich
noch in nhd. Dial.: schweiz. rüepen f. ‚Rübe‘,
luxem. ribb f. ‚dss.‘, rheinfrk. rīp, moselfrk.
rē:p, siebenbürg.-sächs. rāip f. ‚dss.‘ (vgl. E.
Karg-Gasterstädt, ZRPh 63 [1943], 176 f. Fn. 1).

Ahd. Wb. 7, 1238 f. (ruoba¹); Splett, Ahd. Wb. 1, 772;
eKöbler, Ahd. Wb. s. v. ruoba²; Schützeichel⁷ 267 (ruoba¹);
Starck-Wells 497 (ruoba sw.f.); Schützeichel, Glossen-
wortschatz 8, 26 f. (ruoba¹); Graff 2, 353; Lexer 2, 543;
3, Nachtr. 352; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 375 (napa).
484 (rapa, rapula); Dt. Wb. 14, 1331 ff.; Kluge²¹ 610;
Kluge²⁵ s. v. Rübe; ePfeifer, Et. Wb. s. v. Rübe. – Schweiz.
Id. 6, 84; Luxemb. Wb. 4, 49; WLM 1, 375; Müller, Rhein.
Wb. 7, 548 ff.; Schullerus, Siebenbürg.-sächs. Wb. 9,
341 ff. – Marzell [1943–79] 2000: 1, 659; 3, 1294 ff.
(ohne Nennung der Rübe); Müller-Frings 1966–68: 1, 97
Fn. 1; 2, 440 f.; RGA² 25, 412 f.

In den anderen germ. Sprachen erscheinen nur
Entsprechungen zu ahd. ruoba²: mndd. rve
(røve), rü̂ve, rü̂be f./m. ‚Rübenkohl, Steck-
rübe‘; mndl. roeve (rove) (f.) ‚Rübe‘, nndl.
(dial., östlich) reuf (f.) ‚dss.‘: < westgerm.
*rōbbiōn- < urgerm. *rōƀiōn-.
Aus dem Mndd. stammen in den nordgerm.
Sprachen, sämtlich mit der Bed. ‚Rübe‘: adän.
roæ, ält. ndän. ro(v)e, ndän. roe, aschwed.
rova, nschwed. rova, älv. ruova (Törnqvist
1977: 82).
Daneben steht ahd. râba f. ‚Rübenkohl, Ret-
tich‘ (s. d.), das anders als etwa nndl. raap
‚Rübe‘ kaum aus lat. rāpa f. ‚Rübe‘ (Neben-
form zu lat. rāpum n. ‚dss.‘) entlehnt sein kann,
sondern ablautendes *rēƀiō(n)- fortsetzt (s. u.
für eine parallele Lautung mit *-ē- im Slaw.).
Gegen eine Entlehnung aus dem Lat. sprechen
einerseits die umgelauteten Formen nhd. dial.
schweiz. rǟb, rben f. ‚weiße Rübe‘ (Schweiz.
Id. 6, 13 ff.), bair. räben f. ‚weiße Feldrübe‘
(Schmeller, Bayer. Wb.² 2, 4), die auf einen
jō(n)-St. weisen, andererseits liegt ein Rest der
urspr. Gemination westgerm. *rēbbiō(n)- noch
in nhd. dial. schweiz. 〈reppen〉 (Beleg gelistet
in Schweiz. Id. 6, 21) vor.

Obwohl die umgelauteten nhd. dial. Formen noch als se-
kundär erklärt werden könnten, ist eine solche Erklärung
für die geminierte Form 〈reppen〉 ausgeschlossen.

Fick 3 (Germ.)⁴ 347; Kroonen, Et. dict. of Pgm. 415;
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 2, 2, 2285; Verwijs-
Verdam, Mndl. wb. 6, 1560; WNT s. v. reuf¹; Falk-Torp,
Norw.-dän. et. Wb. 1, 908 (roe¹). 1534 (roe¹); Nielsen,
Dansk et. ordb. 348 (roe¹); Ordb. o. d. danske sprog 17,
1204 f. (roe¹); Hellquist, Svensk et. ordb.³ 2, 848 (rova¹);
Svenska akad. ordb. s. v. rova subst.

Westgerm. *rōbbiōn- < *rōƀiōn- hat keine un-
mittelbaren Entsprechungen in den anderen idg.
Sprachen.
Mit entsprechendem Wz.vokal urgerm. *-ō- <
vorurgerm. *-ā- vergleichbar sind: lat. rāpum n.
(Nebenform rāpa f.) ‚Rübe‘, rāpistrum n. ‚ein
Küchenkraut‘ (< urit. *rāpo-); lit. rópė (1), rop
(3) f. ‚Rübe, Kartoffel‘ (< urbalt. *rāpiā-); lett.
rācenis [rãcenis] m. ‚Rübe, Kartoffel‘ ist wohl
das Resultat einer Kontamination der Wz.
*rāp- mit der Wz. des Verbs rakt ‚graben‘.
Daneben stehen im Slaw. ebenso wie bei der
ahd. Vorform von ba f. ‚Rübe‘ (s. d. und o.)
Formen mit Wz.vokal *-ē-: russ.-ksl. rěpa f.
‚Rübe‘, nruss. répa f. ‚dss.‘, ukrain. rípa f. ‚dss.‘,
bulg. répa f. ‚dss.‘, serb. rȅpa f. ‚dss.‘, kroat.
rȅpa f. ‚dss.‘, slowen. rpa f. ‚dss.‘, tschech.
řípa, řepa f. ‚dss.‘, slowak. repa f. ‚dss.‘, poln.
rzepa f. ‚dss.‘, osorb. rěpa f. ‚dss.‘, ndsorb.
rěpa f. ‚dss.‘, polab. repó f. ‚dss. (< urslaw.
*rēpā-).
Schließlich sind im Gr. Wörter belegt, die
ein *-a- fortsetzen: ῥάπυς, ῥάφυς f. ‚Rübe‘,
ῥάφανος, ῥαφάνη f. ‚Rettich‘.
Unklar bleibt, aus welcher Sprache alb. rrep m.
(neben rrap m., r[r]epë f.) ‚Steckrübe‘ entlehnt
ist; vorgeschlagen wurden das Lat., Gr., Slaw.
(für die Lautung mit -e-) und auch das Italien.
Daneben stehen im Kelt. folgende Wörter für
‚Rübe‘: kymr. erfin, abret. erbin (glossiert lat.
beta; vgl. Bauer 2008: 111), mbret. iruin, nbret.
irvin, korn. ervyn < urkelt. *arb-īno-.
Die bezeugten Formen zeigen im Wz.vokalis-
mus eine voreinzelsprachliche Varianz *-ā- :
*-ē- : *-a-. Da diese nur schwer zu vereinen
ist, geht man zumeist von einem Wanderwort
unbekannter Herkunft aus (vgl. stellvertretend
Pokorny 852).
Für die Formen mit *-ā- : *-ē- nimmt Rasmussen
(KS Rasmussen 1999: 405 f.) als Vorform
*rḗh₂p-o-m n. : *réh₂p-eh₂ Koll. an, ohne dabei
auf das *-a- näher einzugehen. Die Formen mit
*-a- könnten aus einer Vorform *h₂p-h₂- stam-
men (Hinweis von S. Neri), in der der erste La-
ryngal dissimilatorisch schwand (vgl. zu dieser
Möglichkeit Neri 2017: 287): gr. ῥάφυς setzt
dann vorurgr. *(h₂)p-h₂-u-, gr. ῥάφανος, ῥαφάνη
vorurgr. *(h₂)p-h₂-eno/ah₂- fort; das -π-
wäre dagegen analogisch nach noch daneben
stehendem *rḗh₂p-o-m : *réh₂p-eh₂ eingeführt.
Die kelt. Formen können dann ebenso als
*(h₂)p-h₂-ī(/iH/e)no- analysiert werden, wenn
man annimmt, dass uridg. *-ph₂- > -b- wird.
Das bleibt jedoch mangels sicherer Parallelen
offen (vgl. zur unklaren Entwicklung von
-VTHV- Zair 2012: 215–217).

Bei der hier vorgeschlagenen Analyse ist die verbreitete
Herleitung der kelt. Formen aus *rab-ino- mit Metathese
aufzugeben.
Kroonen, Et. dict. of Pgm. 415 nimmt wegen der einzel-
sprachlichen Varianz r- : kelt. ar- Herkunft der gesamten
Wortgruppe aus einer Substratsprache an. Als Argument
dient die Annahme von P. Schrijver, FS Beekes 1997:
293–316, dass es eine Substratsprache mit einem Wech-
sel zwischen K- und a-K- gegeben habe, wobei a- ein
Präfix war. Gegen ein solches Präfix mitsamt einer
solchen Substratsprache wendet sich zu Recht S. Neri,
Kratylos 61 (2016), 32 (unter *amslōn- ‚Amsel‘) und
S. Neri, FS García Ramón 2017: 566–568.

Walde-Pokorny 2, 341; Pokorny 852; Frisk, Gr. et. Wb.
2, 643. 645; Chantraine, Dict. ét. gr.² 933 f. 1350; Beekes,
Et. dict. of Gr. 2, 1276. 1277; Walde-Hofmann, Lat. et.
Wb. 2, 418; Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 564; de Vaan,
Et. dict. of Lat. 514; Demiraj, Alb. Et. 349 f.; Orel, Alb.
et. dict. 381; Trautmann, Balt.-Slav. Wb. 237; Bezlaj, Et.
slov. slov. jez. 3, 171; Snoj, Slov. et. slov.³ 638; Vasmer,
Russ. et. Wb. 2, 512 f.; ders., Ėt. slov. russ. jaz. 3, 471;
Schuster-Šewc, Hist.-et. Wb. d. Sorb. 1214 f.; Olesch,
Thes. ling. drav.-polab. 2, 873 f.; Fraenkel, Lit. et. Wb. 2,
743; Smoczyński, Słow. et. jęz. lit.² 1164; ALEW 2, 875;
Mühlenbach-Endzelin, Lett.-dt. Wb. 3, 494; Karulis,
Latv. et. vārd. 730 f.; Fick 2 (Kelt.)⁴ 19; Dict. of Welsh 1,
1231 f.; Deshayes, Dict. ét. du bret. 345. – V. Machek,
LPosn 2 (1950), 158–160; Sukač 2013: 137.

RS

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