ruoz
Band VII, Spalte 811
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ruoz m. a-St., seit dem 2. Viertel des 9.
Jh.s in Gl.: ‚Ruß; ablugo [= fuligo ?], fuligo,
melanteria, uligo‘ 〈Var.: -oa-, -ua-, -ou-; -sz〉.
Das Wort ist auch Bestandteil von ON (vgl.
Förstemann [1900–16] 1966–68: 2, 1, 649 f.). –
Mhd. ruoz (md. rûz) st.m. ‚Ruß, Schmutz‘, nhd.
Ruß m. ‚schwarze, schmierige Substanz (aus
Kohlenstoff), die bei unvollkommener Ver-
brennung organischer Substanzen entsteht‘.
Daneben steht mit unorganisch erweitertem -t
die Form mhd. ruost st.m. ‚Ruß, Schmutz‘,
frühnhd. (md.) rust m. ‚Ruß‘.

Ahd. Wb. 7, 1292 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 777; eKöbler,
Ahd. Wb. s. v. ruoz¹; Schützeichel⁷ 268; Starck-Wells
500; Schützeichel, Glossenwortschatz 8, 43 f.; Seebold,
ChWdW9 694. 1103; Graff 2, 563 f.; Lexer 2, 550. 553 f.;
Götze [1920] 1971: 181; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 251
(fuligo); Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 281 (fuligo); Dt. Wb.
14, 1554 f.; Kluge²¹ 616; Kluge²⁵ s. v. Ruß; ePfeifer, Et.
Wb. s. v. Ruß.

In den anderen germ. Sprachen entsprechen: as.
hrōt m. ‚Ruß‘, mndd. rôt (roͤt, roed) n. ‚Ruß,
Tierfett, Talg‘; andfrk. ruot (ohne Genusan-
gabe) ‚Fett, Talg‘, frühmndl. roet n. ‚dss.‘, mndl.
roet (n.) ‚Fett, Talg, Ruß‘, nndl. roet (n./m.)
‚dss.‘; nwestfries. roet (ruot) n. ‚Ruß‘, sater-
fries. rout n. ‚dss.‘: < westgerm. *χrōta-.
Die in der Literatur häufiger vorgenommene Ver-
bindung von westgerm. *χrōta- mit westgerm.
*χrūma- ‚Ruß‘ > ae. hrūm m. ‚Ruß‘, verbaut
in afries. [h]rūmich adj. ‚rußig‘ und vielleicht
mhd. Rūm- im PN Rūmolt (Küchenmeister im
Nibelungenlied) ist wegen des abweichenden
Vokals kaum wahrscheinlich.

Fick 3 (Germ.)⁴ 106; Kroonen, Et. dict. of Pgm. 249;
Tiefenbach, As. Handwb. 184; Wadstein, Kl. as. Spr.denkm.
195; Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 2, 2, 2253; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. 3, 512; ONW s. v. ruot; VMNW s. v.
roet; Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 6, 1556 ff.; Franck, Et.
wb. d. ndl. taal² 555; Suppl. 138 f.; Vries, Ndls. et. wb.
585; Et. wb. Ndl. Ke-R 676 f.; WNT s. v. roet¹; Hofmann-
Popkema, Afries. Wb. 234; Richthofen, Afries. Wb. 829;
eFryske wb. s. v. roet; Dijkstra, Friesch Wb. 3, 36;
Fort, Saterfries. Wb.² 499; Holthausen, Ae. et. Wb.
176; Bosworth-Toller, AS Dict. 563; Suppl. 568.

Westgerm. *χrōta- hat keine Entsprechungen in
anderen idg. Sprachen und bisher keine über-
zeugende Etym. (vgl. zusammenfassend Kluge²⁵
s. v. Ruß: „Herkunft unklar“).
Die vorgeschlagenen Anbindungen, etwa (wei-
ter verbreitet in der älteren Literatur) an ahd.
horo ‚Schmutz‘ (s. d.), an ahd. râm ‚Schwärze,
schwarze Tinte‘ (s. d.; so Wood 1902: 77 f.)
oder an ahd. râza ‚Honigwabe‘ (s. d.; so zuletzt
wieder Casaretto 2004: 81), sind jeweils aus
lautlichen oder semantischen Gründen nicht
überzeugend.
Auch der Ansatz als ein Komp. urgerm. *χra-
zōta- (so J. Loewenthal, ANF 32 [1916], 278;
das KVG zu aisl. hyrr m. ‚Feuer‘ [< *χur-a-],
das KHG zu urgerm. *sōta- ‚Ruß‘ [s. u.]), das
zu *χrōta- wurde, ist abzulehnen, ebenso wie
die Rekonstruktion bei Kroonen, Et. dict. of
Pgm. 249 als „*kroHu-d-o- (with PGm. -ōu- >
-ō-)“, da sich *-ōC(C)- generell zu *-aC(C)-
entwickelte (vgl. dazu S. Neri, Kratylos 61
[2016], 10–12).

Abwegig ist Vennemanns (2003: 256) Bestimmung von
westgerm. *χrōta-als Lehnwort aus dem Semit.
Wenig wahrscheinlich ist auch die Ansicht, dass urgerm.
*χrōta- eine Reimform zu urgerm. *sōta- ‚Ruß‘ (s. u.)
aus urgerm. *χrūma- ist.

Daher sei hier eine neue Deutung versucht. Wie
mehrfach bemerkt, findet sich eine naheste-
hende Form in urgerm. *sōta- ‚Ruß‘ > (alle in
gleicher Bed.) frühmndl. soet (ohne Genusan-
gabe), mndl. soet, zoet (n.), nndl. (veraltet,
dial.) zoet (n.), nnordfries. suit, ae. sōt n., me.
sọ̄t (so[i]te, so[e]th, soeth, sod, suotte, nordme.
sut[e], sude), ne. soot, aisl. sót n., nisl. sót n.,
fär. sót n., frühadän. soot, ält. ndän., ndän. sod,
nnorw. sot, älv. suot (älter suo’tt), aschwed.
so(o)t, nschwed. sot; urgerm. *sōta- < uridg.
*sōd-o-, eine Ableitung zur Verbalwz. uridg.
*sed- ‚sich setzen‘ (s. sizzen).

Unklar ist, ob das Wort im Mndd. belegt ist. Während
mndd. sôt (ohne Genusangabe) ‚Ruß‘ in Schiller-Lübben,
Mndd. Wb. 4, 296 (mit einem Beleg) und vielen etym.
Wörterbüchern erscheint, ist es in Lasch-Borchling,
Mndd. Handwb. nicht vorhanden.
Urgerm. *sōta- hat eine unmittelbare Entsprechung in
mkymr. sawdd m./f. ‚(Ab-)Sinken, Versenken, Ein-
tauchen‘ (< uridg. *sōd-o-) und weitere Beziehungen zu
u. a. alit. súodis m. ‚Ruß, Schmutz, Schmutzfleck‘,
alett. (pl.) suodi m. ‚Ruß‘ (< *sōd-i-) und russ. sáža f.
‚(Kien-)Ruß‘ (samt dessen weiteren Verwandten in den
anderen slaw. Sprachen) (< *sōd-[i]ah₂-).
Matasović, Et. dict. of Proto-Celt. 359 will sämtliche
Formen auf eine Wz. uridg. *seh₃d- zurückführen. Wie
bei *χrōta- angemerkt (s. o.) kann aber auch urgerm.
*sōta- nicht die Fortsetzung einer Wz. mit dieser
Wz.struktur sein.

Bei einer Verbindung zwischen beiden Wörtern
kann das *-r- in *χrōta- nur durch eine Verner-
sche Var. von *sōta- entstanden sein, also aus
*-zōta- (so auch J. Loewenthal, a. a. O.; zu Ver-
nerschen Varianten im KHG vgl. Schaffner
2001: 242 f. und s. mezzisahs). *χ- könnte dann
eine synkopierte Form von urgerm. *χa- ‚zu-
sammen, mit‘, die lautgesetzlich zu erwartende
Form von uridg. *ko- ‚dss.‘ sein. Dass Vernersche
Var. auch nach Präf. auftreten können, zeigt
das Nebeneinander von ahd. anabolz ‚Am-
boß‘ und anafalz ‚dss.‘ (s. dd.). Urgerm. *χa-
zōta- wäre demnach ‚das, was sich zusammen
abgesetzt (= abgelagert) hat‘.

Bei dieser Deutung ist zunächst problematisch, dass
nach gängiger Ansicht im Germ. in der Nominalkompo-
sition ursprünglich urgerm. *χam- erscheint, während
*ǥa- erst sekundär aus der Verbalkomposition dort ein-
gedrungen ist (vgl. G. Schmidt 1962: 273, übernommen
in LIPP 2, 425 Fn. 14), so dass eine Form *χa- fern
bliebe. In dieser Absolutheit ist diese Distribution aber
nicht richtig, da sich *χa- auch beim Verb findet, näm-
lich in ahd. heiskôn ‚verlangen, fordern‘ (nur Gl. 2,99,15.
22 [9. und 10. Jh.]; auch entsprechende Formen im
Mndd. und Mndl.). heiskôn ist nämlich, anders als unter
eiskôn ‚dss.‘ (s. d.) angegeben, keine (volksetym. umge-
staltete) Variante davon, sondern beruht auf uridg.
*ko-h₂es- und ist unmittelbar mit lat. quaerere ‚begeh-
ren, wünschen‘ (< urit. *ko-az-) vergleichbar (vgl. S.
Neri, Kratylos 61 [2016], 30). Da LIPP 2, 422 ff. für das
Idg. zu Recht von den beiden Formen *ko und *kóm aus-
geht, ist möglich, dass im Urgerm. die Formen *χa- (vor
Nomina und Verben; vgl. LIPP 2, 423 f. mit Beispielen
aus idg. Sprachen) und *χam- (nur vor Nomina) vorhan-
den waren. Während *χam- generell nur noch in Relikt-
formen vorhanden ist, spaltete sich *χa- zunächst in
*χa- (nominal) und proklitisches *ǥa- (nominal, verbal).
In einem zweiten Schritt wurde *χa- im gesamten Nomi-
nalbereich durch die Form *ǥa- verdrängt; dabei ist es
denkbar, dass nicht mehr durchschaubare Komp. diesen
Prozess nicht mitmachten. Eine solche Annahme muss
aber durch weitere solche ehemaligen Komp. bestätigt
werden.

Walde-Pokorny 1, 429; 2, 484 f.; Pokorny 573. 886; NIL
592; Trautmann, Balt.-Slav. Wb. 273; Vasmer, Russ. et.
Wb. 2, 568; ders., Ėt. slov. russ. jaz. 2, 544; Derksen,
Et. dict. of Balt. 435; Fraenkel, Lit. et. Wb. 2, 942;
Smoczyński, Słow. et. jęz. lit.² 1388 (s. v. súodžiai);
ALEW 2, 992; Matasović, Et. dict. of Proto-Celt. 359;
Dict. of Welsh 4, 3185. – Fick 3 (Germ.)⁴ 428. 441;
VMNW s. v. soet; Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 6, 1479 f.;
WNT s. v. zoet³; Sjölin, Et. Handwb. d. Festlnordfries.
223; Holthausen, Ae. et. Wb. 307; Bosworth-Toller, AS
Dict. 896; Suppl. 2, 56; eMED s. v. sọ̄t n.²; Klein, Compr.
et. dict. of the Engl. lang. 2, 1474; eOED s. v. soot n.¹;
Vries, Anord. et. Wb.² 531; Jóhannesson, Isl. et. Wb.
781 f.; Fritzner, Ordb. o. d. g. norske sprog 3, 480; ONP
s. v. sót; Jónsson, Lex. poet. 528; Holthausen, Vgl. Wb. d.
Awestnord. 272; Magnússon, Ísl. Orðsb. 930; Falk-Torp,
Norw.-dän. et. Wb. 2, 1104. 1551; Nielsen, Dansk et.
ordb. 402; Ordb. o. d. danske sprog 20, 1291 f. (sod¹);
Bjorvand, Våre arveord² 1023 f.; Torp, Nynorsk et. ordb.
683; NOB s. v. sot; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 2, 1030 f.
(sot¹); Svenska akad. ordb. s. v. sot subst.³.

RS

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