ruoza
Band VII, Spalte 814
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ruoza f. n-St., in Gl. 1,660,24 (Gl. um
1000 und im 11. Jh. eingetragen, bair.). 801,15
(9. Jh., bair.): ‚ein Saiteninstrument; sambuca
〈Var.: hr-; -zz-〉. Bei der Einordnung beider Be-
lege als f. n-St. wäre der Beleg 〈hruozza〉 ein
Nom.Sg. und würde somit von der im Gen.Sg.
stehenden Form der lat. Vorlage (〈sambucę〉)
abweichen (vgl. H. Steger, DVjs 35 [1961], 108
Fn. 58). Falls aber der Beleg 〈hruozza〉 Gen.Sg.
ist, kann kein f. n-St. vorliegen, sondern das
Wort müsste ein f. ō-St. sein. Diese Deutung
würde zum Ansatz zweier St.klassen führen (so
offenbar Schützeichel, Glossenwortschatz 8,
44), was zwar unökonomisch, aber nicht ganz
ausgeschlossen ist.

Ahd. Wb. 7, 1293; Splett, Ahd. Wb. 1, 777 (fehlerhaft zu
ruozan st.v. gestellt); eKöbler, Ahd. Wb. s. v. ruoza;
Schützeichel⁷ 268; Starck-Wells 500; Schützeichel,
Glossenwortschatz 8, 44; Bergmann-Stricker, Katalog
Nr. 611. 665; Seebold, ChWdW9 694; Graff 4, 1182;
Diefenbach, Gl. lat.-germ. 509 (sambuca). – Schatz
1907: § 79a (S. 86).

In den anderen germ. Sprachen gibt es keine un-
mittelbaren Entsprechungen. Im Andfrk. muss
das Wort als *hrōta vorhanden gewesen sein,
da es von hier ins Rom. entlehnt wurde (s. u.
und s. rotta). Die Formen beruhen auf west-
germ. *χrōtō(n)-.

Gamillscheg 1970: 1, 331.

Die Etym. von westgerm. *χrōtō(n)- ist unsi-
cher.
Zumeist geht man (vgl. stellvertretend etwa
W. Meid, FS Neumann 1982: 197 Fn. 7) von
einer Entlehnung aus dem Kelt. aus, und zwar
aus urkelt. *kruttā ‚Harfe, Buckel‘ (s. rotta).
Dabei hätte die Entlehnung vor der ersten
Lautverschiebung (vor dem Wandel vorur-
germ. *k > urgerm. *χ) stattgefunden (s. chi
als weiteres Beispiel für ein so frühes Lehn-
wort). Problematisch dabei bleibt aber der
Unterschied in der Vokallänge zwischen ur-
kelt. *-u- und westgerm. *-ō-. Weder die An-
nahme „ein[es] als langvokalisch empfun-
dene[n] *chrōta“ (W. Meid, a. a. O.) noch
die einer volksetym. Vermischung mit der
Wortgruppe um urgerm. *hrōþi- f. ‚Ruhm‘
(s. ruom) (W. Krause, in H. Steger, DVjs 35
[1961], 113 Fn. 79) können überzeugen. Auch
die Tatsache, dass das kelt. und das germ.
Wort unterschiedliche Instrumentenformen
bezeichnen, nämlich das kelt. Wort eine
Griffbrettleier, das germ. Wort dagegen eine
Harfenzither (vgl. H. Steger, a. a. O. 107. 115.
117), sprechen eher gegen die Annahme einer
Entlehnung.
Seltener ist die Annahme eines Erbworts. So
rechnet F. Kluge, SbHAW 1915, 5 mit einer Be-
ziehung zu mhd. razzeln ‚klappern‘ (Intensivbil-
dung zu razzen ‚toben, rasseln‘), H. Steger,
a. a. O. 114 (dazu 114 f. Fn. 81) mit einer Vor-
form *krōd- oder *krād-, die er tentativ als Er-
weiterung der Wz. uridg. *(s)ker- ‚schneiden‘
bestimmt. Beide Erklärungen sind ebenfalls
wenig überzeugend.
Daher sei hier eine neue Deutung vorgelegt.
Wenn man von einem Erbwort ausgeht, er-
scheint der Zusammenhang mit der Wz. uridg.
*kreh₂-, etwa ‚singen, lärmen‘ (s. ruoh, ruom)
plausibel. Denkbar wären dann drei Möglich-
keiten: 1. Entweder liegt eine Wz.erweiterung
(wie vielleicht bei *kreh₂-g- [s. ruoh]), also
*kreh₂-d- vor, von der ein Subst. *kreh₂-d-ah₂-
gebildet ist; 2. Das Wort ist eine Ableitung un-
mittelbar von *kreh₂- mit dem Suff. uridg.
*-d(o)-, mit dem u. a. Konkreta gebildet werden
(vgl. Krahe-Meid 1969: 3, § 132, 2), also uridg.
*kreh₂-dah₂-, etwa ‚das singende/lärmende In-
strument‘; 3. Möglich ist schließlich ein Komp.
mit der Wz. *deh₃- ‚geben‘, also (mit analogi-
scher Vollstufe) *kreh₂-dh₃-ah₂-, etwa ‚die Ge-
sang/Lärm Gebende‘.
Aus dem Frk. gelangte das Wort in der Bed.
‚Saiteninstrument‘ ins Rom. als mlat. rotta f.,
chrotta f., crotta f. (sämtliche Formen bei Venan-
tius Fortunatus; wohl mit sachlicher Vermi-
schung mit dem kelt. Instrument, vgl. dazu H.
Steger, a. a. O. 118), afrz. rote f., mfrz. rote f.,
nfrz. rote f., aprov. rota f.; aus dem Afrz. wurde
das Wort weiter als aitalien. rotta f., aspan. rota
f. entlehnt und in mlat. rota übernommen.
Aus dem Mlat. oder Rom. wurde das Wort wie-
der in ahd. rotta (s. d.) und lat.-ae. rottae
(MGH, Epistolae Merowingici et Karolini aevi
I, Nr. 116, 405 f.: cithara, quam nos appelamus
rottae [S. 406]), me. rōte (rotte, route) zurück-
entlehnt.

Die rom. Wörter können nicht aus dem Kelt. stammen,
da dann das anlautende kelt. kr- als cr- erhalten geblieben
wäre (vgl. H. Steger, a. a. O. 110; Wartburg, Frz. et. Wb.
16, 250 Anm. 1).

Niermeyer, Med. Lat. lex.² 2, 1204; Du Cange² 7, 203
(s. v. rocta); Meyer-Lübke, Rom. et. Wb.³ Nr. 4217;
Wartburg, Frz. et. Wb. 16, 250. – eMED s. v. rōte n.¹. –
H. Moisl, BBCS 29 (1980), 269–273.

RS

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