rûzan st.v. II (prät. rôz, –, part.prät. –),
in Gl. 2,43,9 (Hs. Ende des 10. Jh.s, Zeit der
Eintragung der Gl. unbekannt, moselfrk. nach
obd. Vorlage) und 4,220,8 (Hs. 9. Jh., Zeit der
Eintragung der Gl. unbekannt, bair.): ‚schnar-
chen, stöhnen, zischen, sausen; ingemere,
stridulus [= rûzanti]‘ 〈Var.: -zz-〉. Die Form
der 3.Sg.Prät. raoz zur Glossierung von lat.
ingemuit in Gl. 4,220,8 erweist starke Flexion.
Daneben steht das sw.v. rûzen (s. d.), dessen
Ansatz durch die Form ruzeta . stertebat (H.
Thoma, PBB 73 [1951], 243) gesichert ist; es ist
durch Übertritt in die sw. Klasse aus dem st. V.
entstanden (vgl. Riecke 1996: 152 f.). Sämtli-
che sonstigen Belege lassen keine Entschei-
dung zur Einordnung zu, können somit sowohl
zu rûzan als auch zu rûzen gehören (vgl. Riecke
1996: 152).
Ahd. Wb. 7, 1305 ff. (Ansatz als sw.v.); Splett, Ahd. Wb.
1, 778; eKöbler, Ahd. Wb. s. v. rūzan; Schützeichel⁷ 269;
Starck-Wells 500; Schützeichel, Glossenwortschatz 8,
50 f.; Bergmann-Stricker, Katalog Nr. 710. 881; Seebold,
ChWdW9 694 (raoz fehlerhaft unter rûzen sw.v.
eingeordnet); Graff 2, 562; Kluge²¹ 610 (s. v. Rotz);
Kluge²⁵ s. v. Rotz; ePfeifer, Et. Wb. s. v. Rotz. – Braune-
Heidermanns 2018: § 334 Anm. 3.
In den anderen germ. Sprachen entsprechen: as.
nur Gl. 2,575,9 hrūtan (prät. –, –, part.prät. –)
st.v. ‚schnarchen‘ (Gallée 1993: § 389 Anm. 1),
mndd. rûten, rôten sw.v. ‚rasselnd atmen, rö-
cheln‘; frühmndl. ruten ‚summen, schwirren,
brummen‘ (nur zweimal belegt als 3.pl.ind.präs.
〈ruten〉; die Form kann als st. oder sw. Verb be-
stimmt werden), mndl. ruten (ruyten, ruytten)
st.v. ‚dss.‘, nndl. dial. (südndl.) ruiten st./sw.v.
‚(von Vögeln) zwitschern, (von Menschen)
plaudern, schwatzen, quatschen‘; afries. nur
als Part.Adj. (h)rūtande, hrūtende ‚röchelnd‘,
nwestfries. rute sw.v. ‚röcheln‘; ae. hrūtan st.v.
(prät. hrēat, –, part.prät. –) ‚lärmen, sausen,
schnarchen‘ (Brunner 1965: § 385), me. rǒuten
(rout[e], routten) st./sw.v. ‚schnarchen, schla-
fen, bleiben‘, ne. (dial./veraltet) rout ‚schnar-
chen, grollen, rumoren‘: < westgerm. *χrūte/a-.
Kroonen, Et. dict. of Pgm. 246 trennt in den Bed.angaben
bei ne. rout nicht zwischen diesem Verb und dem aus
dem Skand. stammenden Verb rout ‚schreien, brüllen,
muhen, blöken‘ (vgl. dazu eOED s. v. rout v.⁴).
Zum möglichen einstigen Vorkommen im Langob. s. u.
Daneben stehen im Nordgerm. Formen, die auf
einen Diphthong zurückgehen (zum Verhältnis
beider Formen s. u.): aisl. hrjóta st.v. (hraut,
hruto, part.prät. –) ‚schnarchen, knurren, brum-
men‘, nisl. hrjóta ‚dss.‘, fär. rjóta (prät. reyt, rutu,
part.prät. rotið), auch róta, rýta st.v. ‚schnar-
chen‘, adän. ryde ‚brüllen‘, rude ‚schnarchen‘,
nnorw. rjota, dial ryta ‚schnarchen, knurren,
brummen‘, aschwed., nschwed. ryta, nschwed.
dial. ruta ‚brüllen‘: < nordgerm. *χreu̯te/a-.
Das Verb ist vielleicht auch in norn rød, in der
Bed. ‚murmeln‘, mit aufgegangen.
Nach den Angaben in Cleasby-Vigfusson [1957] 1993:
286 stabt das Verb in der ältesten Dichtung auf Wörter
mit r-; dies deutet auf sekundäre Einkreuzung mit
dem Verb urgerm. *reu̯te/a- ‚weinen, (auf-)schreien‘
(s. riozan).
Kroonen, Et. dict. of Pgm. 246 stellt älv. riuota ‚schreien,
brüllen, muhen, blöken‘ auch zu dieser Wortgruppe. Die
Bed. legt nahe, dass das Wort zumindest teilweise auch
mit urgerm. *reu̯te/a- ‚weinen, (auf-)schreien‘ (s. riozan)
identisch ist.
Fick 3 (Germ.)⁴ 107; Kroonen, Et. dict. of Pgm. 246;
Seebold, Germ. st. Verben 277 f.; Tiefenbach, As.
Handwb. 185; Wadstein, Kl. as. Spr.denkm. 195; Lasch-
Borchling, Mndd. Handwb. 2, 2, 2361 (rûten²); VMNW
s. v. ruten; Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 6, 1721 f.
(ruten¹); WNT s. v. ruiten³; Hofmann-Popkema, Afries.
Wb. 234; Richthofen, Afries. Wb. 829; Fryske wb. 18, 208
(rute³); Holthausen, Ae. et. Wb. 176; Bosworth-Toller, AS
Dict. 563; Suppl. 568; eMED s. v. rǒuten v.²; eOED s. vv.
rout v.¹, rout v.²; Vries, Anord. et. Wb.² 258 (hrjóta¹);
Jóhannesson, Isl. et. Wb. 235; Fritzner, Ordb. o. d. g.
norske sprog 2, 62 (das hier vorliegende Verb unter
der Bed.angabe 1); ONP s. v. hrjóta¹; Jónsson, Lex.
poet. 285 (das hier vorliegende Verb unter der Bed.an-
gabe 3); Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 128
(hrjōta¹); Magnússon, Ísl. Orðsb. 375 (hrjóta¹); Torp,
Nynorsk et. ordb. 538; NOBFM s. v. ryta¹; Jakobsen,
Et. dict. of the Norn lang. 2, 732 (rød¹); Hellquist,
Svensk et. ordb.³ 2, 860; Svenska akad. ordb. s. v. ryta. –
Mailhammer 2007: 227.
Die weitere Etym. ist wegen des Fehlens von
außergerm. Entsprechungen unklar.
Verbreitet findet sich in etym. Werken (vgl.
u. a. Kluge²¹ 610 [s. v. Rotz]; Kroonen, Et. dict.
of Pgm. 251; als Möglichkeit Pokorny 571) eine
Verbindung mit der Wortgruppe um ahd. roz
‚Rotz‘ (s. d.), was allerdings offen bleibt.
Daneben steht die Auffassung als onomatopoe-
tische Wortgruppe (so etwa B. Vine, ZVSp 98
[1985], 75 Fn. 27; Orel 2003: 186).
Das Nebeneinander von *-eu̯- : *-ū- im Germ.
führt B. Vine, ZVSp 98 (1985), 60–81 auf ein
Verhältnis uridg. *-eHu̯- : *-uH- zurück, wobei
das *-u- ursprünglich eine Erweiterung der Wz.
(wohl ein u-Präs.) war.
Das Verb kann auf vorurgerm. *kreH-u̯-d- :
*krH-u̯-d- > (mit Laryngalmetathese) *kruH-d-
zurückgehen. Da aber für ein solches Verb wei-
tere Hinweise fehlen, liegt die Annahme eines
onomatopoetischen Worts näher, das sich wie
die Gruppe um das ebenfalls onomatopoetische
ahd. diozan st.v. ‚rauschen, tönen, heulen‘
(s. d.) dem produktiven Muster der eu̯-/ū-Ver-
ben angeschlossen hat (B. Vine, ZVSp 98
[1985], 75 Fn. 27).
Das auf die Toskana beschränkte Verb italien.
russare ‚schnarchen‘ ist eine Entlehnung aus einer
für das Langob. zu erschließenden Entsprechung
*(h)rūssan st.v. ‚dss.‘ (zur Lautentwicklung von
urgerm. *-Vt- > langob. -Vs(s)- vgl. zuletzt C.
Falluomini, in Askedal-Nielsen 2015: 118).
Walde-Pokorny 1, 417; Pokorny 571; Körting, Lat.-rom.
Wb.³ Nr. 8223; Meyer-Lübke, Rom. et. Wb.³ Nr. 7463. –
Bruckner 1899: 18.
RS