sahar m. a-St., seit dem 2. Viertel des 9.
Jh.s in Gl.: ‚Segge, Schilf, Ried(gras); carectum,
carex, filicum [= filictum?], herba, papyrus, salim
[= saliunca], salira [= saliunca], sarix, scirpus,
sibium [= scirpus?], ulva‘ (Carex L.) 〈Var.:
-or, -er, -ir〉. Das Wort ist auch Bestandteil in
ON (vgl. Förstemann [1900–16] 1966–68: 2, 2,
653 f.; Bach 1952 ff.: 2, 1, 314). – Mhd. saher
st.m. ‚Sumpfgras, Schilf‘, frühnhd. saher m.
‚Riedgras, Saatspitze der Gräser‘, nhd. dial.
els. sar n. ‚Schilf‘, bad. sahr m./n. ‚Sammel-
bezeichnung für Ried-, Binsen-, Sumpfgras,
Segge, Schilf‘, schwäb. saher m. ‚Riedgras,
Schilf‘, bair. saher, säher ‚die scharfen und
spitzen Blätter gewisser Sumpfgräser bzw. des
Roggens und Weizens‘, kärnt. sacher m. ‚Blät-
ter vom Getreide, so lange es keine Halme hat,
ebenso von Sumpfgräsern‘, tirol. są̂hεr m. ‚eine
Grasart mit scharfkantigen Blättern, Unkraut,
Granne der Ähren‘, steir. saher m. ‚schwertför-
miges Blatt von Sumpf- oder Riedgras, Schilf,
Blätter von Getreide, saures Heu‘, osächs. sa-
her m. ‚Riedgras‘.
Splett, Ahd. Wb. 1, 784; eKöbler, Ahd. Wb. s. v. sahar;
Schützeichel⁷ 269; Starck-Wells 503; Schützeichel,
Glossenwortschatz 8, 68 f.; Seebold, ChWdW9 698;
Graff 6, 148; Lexer 2, 573; Götze [1920] 1971: 182;
Diefenbach, Gl. lat.-germ. 101 (carectum, carex). 512
(sarex); Dt. Wb. 14, 1662; Kluge²¹ 697 (s. v. Segge);
Kluge²⁵ s. v. Segge; ePfeifer, Et. Wb. s. v. Segge. – Martin-
Lienhart, Wb. d. els. Mdaa. 2, 371; Ochs, Bad. Wb. 4,
403; Fischer, Schwäb. Wb. 5, 539; Schmeller, Bayer.
Wb.² 2, 244; Lexer, Kärnt. Wb. 211; Schöpf, Tirol. Id.
574; Schatz, Wb. d. tirol. Mdaa. 2, 500; Unger-Khull,
Steir. Wortschatz 515; Frings-Große, Wb. d. obersächs.
Mdaa. 4, 10. – Schatz 1927: §§ 250. 321; Marzell [1943–
79] 2000: 1, 826 f.; KS Neumann 2008: 114.
Das ahd. Wort geht auf westgerm. *saχra- (ur-
germ. *saχra-; zum Ansatz s. u.) zurück. Es hat
vermutlich in nndl. dial. zaar, zoor (m./f.)
‚Segge‘ (auch als KVG in zaargras, zoorgras
‚dss.‘) und in got. *sahrs (s. u.) eine Entspre-
chung.
Dagegen nimmt WNT s. v. zoor³ eine Verbindung mit
nndl. zoor adj. ‚trocken, dürr, hart‘ < *sau̯za- (s. irsôrên)
an, was an sich lautlich dann möglich ist, wenn die Form
mit -aa- aus dem Fries. stammt (vgl. dazu de Vaan
2017: 505–512). Aber es sprechen erstens die Bed. ‚har-
tes Gras mit scharfen Kanten‘, zweitens die Verbindung
bloeiende zoor ‚blühende Segge‘ und drittens die dial.
Verteilung des Wortes im Verhältnis zu nndl. zegge, sek
‚dss.‘ (s. u.) wohl dagegen.
Die von Tiefenbach, As. Handwb. 320 s. v. sa-
har m./n. ‚Riedgras, Schilf, Röhricht‘ für das
As. in Anspruch genommenen Belege entstam-
men sämtlich der Hs. Trier 61, die heute als
mfrk. angesehen wird (vgl. Bergmann-Stricker,
Katalog Nr. 877). Auch die etwa bei Tiefen-
bach, As. Handwb. 320 s. v. saharahi n. ‚Ried-
gras‘ und Kroonen, Et. dict. of Pgm. 421 (als
„saher-ahi“) dem As. zugewiesene Ableitung
bleibt unsicher. Der Beleg Gl. 1,509,5 〈saherai〉
findet sich in der Hs. Karlsruhe, St. Peter 87, die
auch ahd. Elemente aufweist (vgl. Bergmann-
Stricker, Katalog Nr. 324). Die Schreiberhand
ist identisch mit der, die auch die eindeutig ahd.
Glosse 〈binuz〉 geschrieben hat (Information
von A. Nievergelt); auch die Glosse 〈saherai〉
ist demnach wohl ahd.
Für die Formen findet sich in der Literatur
fast ausschließlich das Rekonstrukt urgerm.
*saχaza-, das als Umbildung eines ehemaligen
s-St. gilt. Dies ist jedoch ausgeschlossen, da
sich für das Ostgerm. aus Entlehnungen ins
Rom. sowohl die Entsprechung got. *sahrs m.
‚Segge‘ als auch eine Ableitung got. *sahrjō f.
‚Korb‘ erschließen lassen (s. u.). Die Basis ist
somit urgerm. *saχra- (so in etym. Lit. fast nur
KS Schulze 1934: 372).
Der Ansatz eines ehemaligen s-St. entspringt wohl
dem Wunsch, die beiden Wörter ahd. sahar und sahs
‚Messer‘ (s. d.) näher miteinander in Beziehung zu set-
zen (vgl. etwa W. von Unwerth, PBB 36 [1910], 6. 25;
M. de Vaan, Neerlandistiek, 15 februari 2018 13:00
[http://www.neerlandistiek.nl/2018/02/zegge/]). Ein ehe-
maliger s-St. mit der erwartbaren e-Stufe ist wohl im ahd.
ON Seguste belegt (s. u.).
Die Annahme, dass finn. sara ‚Riedgras, Segge, Carex;
Rohr-, Federgras, Calamagrostis‘ und dessen Entspre-
chungen karel. šara, lüd. sara, weps. šara- (in šarahėin)
aus einer Kontinuante von urgerm. *saχra- entlehnt sind
(so etwa F. Kluge, FUF 11 [1911], 140 mit Hinweis auf
den Ansatz got. *sahrs bei Schade 1882: 2, 735; Ritter
1993: 135–137), ist unzutreffend, da *-χ- als finn. -h- er-
halten wäre (vgl. bereits E. Lidén, FUF 12 [1912], 97 und
Kylstra, Lehnwörter 3, 222 f.). Diese Formen können so-
mit nicht als Begründung für einen Ansatz mit urgerm.
*r herangezogen werden.
Nahe verwandt, aber abweichend gebildet, sind
drei weitere Formen:
1. Im As. ist in Gl. 2,580,53 der Dat.Pl. 〈séon〉
belegt, der zur Glossierung von lat. alga f.
‚Seegras, Seetang‘ dient. Aus dem Beleg kann
man mit angenommenem Ausfall eines zwi-
schenvokalischen -h- (vgl. dazu Gallée 1993:
§ 260 f.) entweder einen m./n. a-St. seh*, einen
m./n. ja-St. sehi* (zum Ausfall von -j- vor Vo-
kal vgl. Gallée 1993: § 301 Anm. 1), einen f.
ō-St. seha*, einen m. i-St. sehi* (zum Dat.Pl.
ohne -j- vgl. die Form Gl. 2,577,41 〈orslecon〉
‚Ohrfeige‘; vgl. Gallée 1993: § 314 Anm. 6), ei-
nen m. n-St. seho* oder einen f. n-St. seha* er-
schließen; als Vorform ist somit entweder west-
germ. *seχa(n)-, *seχō(n)-, *saχi̯a- oder *seχi-
möglich.
Anders als bei Kroonen, Et. dict. of Pgm. 421 steht in der
Hs. nicht 〈in séon〉, sondern nur 〈séon〉, und bei Tiefen-
bach, As. Handwb. 326 nicht 〈seón〉.
Wenig wahrscheinlich ist die Einordnung des Wortes bei
Starck-Wells 513 unter seim ‚Nektar, Honig‘ (s. d.). Der
Ausfall von -m- bliebe dabei unerklärt.
Zum Akzent auf einem Kurzvokal vgl. u. a. Gl. 2,580,56
akk.sg. 〈ápon〉 ‚Affe‘.
2. Zu dieser Wortgruppe gehört wohl auch
der ON ahd. Seguste (zur Überlieferung vgl.
Förstemann [1900–16] 1966–68: 2, 2, 690 f.),
wobei mit KS Neumann 2008: 22 eine Grund-
form *seχaz-/seǥuz- ‚Riedgras‘ vorausgeht.
Wegen des *-e- entfällt aber eine unmittelbare
Verbindung mit ahd. sahar; vgl. W. Meid, in
Beck 1986: 199 Fn. 20.
3. Weiter verbreitet, aber ebenfalls nur west-
germ., ist eine Form, die eine Vernersche Var. mit
*-ǥ- aufweist, nämlich westgerm. *saggi̯a-/-ō-
(< urgerm. *saǥi̯a-/-ō-). Sie ist in andfrk. segga,
segi ‚Segge‘ (ohne Genusangabe) nur als Be-
standteil in ON (u. a. in 〈Zegoltmarca〉, ein un-
bekannter Ort in der Provinz Gelderland, a. 793
[Kopie ca. 1170]), mndl. nur in ON/TN als
Zeg/c-, Seg- (vgl. Schönfeld 1950: 65 f.), nndl.
zegge (f.), dial. fläm. zagge (f.), dial. zeeg(e),
zeg(e), zage, zaaie ‚dss.‘, nwestfries. sigge m./f.
‚dss.‘, saterfries. säg- (in säggäärs n. ‚Segge,
Riedgras, Sumpfgras, Sauergras‘), ae. secg m./n.
‚Ried, Schilf, Binse, Schwertel‘, me. seǧǧe
(segg, seg[e], cegge, frühme. secg) ‚dss.‘, ne.
sedge ‚dss.‘ fortgesetzt.
Aus dem Ndl. ist das Wort als mndd. segge
‚Segge, Schilf‘ (ohne Genusangabe) (vgl.
Teuchert 1972: 63. 210 f.), aus dem Ndd. wie-
derum als nhd. Segge f. ‚Riedgras, Sauergras‘
und nschwed. dial. sägg ‚dss.‘ übernommen.
Daneben findet sich in ndl. Dial. noch eine
Form mit -k, deren Herkunft unklar ist: sek, zek,
sjek, zik, sik ‚Segge‘.
Fick 3 (Germ.)⁴ 424; Kroonen, Et. dict. of Pgm. 420.
421; Tiefenbach, As. Handwb. 320. 326; Wadstein, Kl.
as. Spr.denkm. 216. 217; Lasch-Borchling, Mndd.
Handwb. 3, 184 (segge¹); Schiller-Lübben, Mndd. Wb.
4, 170; ONW s. v. segga, segi; Franck, Et. wb. d. ndl.
taal² 815; Vries, Ndls. et. wb. 638 (sek²). 858 f.; WNT
s. vv. sek, zagge, zegge², zoor³; eFryske wb. s. v. sigge;
Dijkstra, Friesch Wb. 3, 70 f.; Fort, Saterfries. Wb.² 508;
Holthausen, Ae. et. Wb. 288 (secg²); Bosworth-Toller, AS
Dict. 854 f.; eMED s. v. seǧǧe n.¹; Klein, Compr. et. dict.
of the Engl. lang. 2, 1410; eOED s. v. sedge n.¹; Hellquist,
Svensk et. ordb.³ 2, 1145. – E. Rooth, NdM 19/21 (1963–
65), 52.
Die germ. Formen haben in den anderen idg.
Sprachen keine Entsprechungen, gehören aber
sicher zur Wz. uridg. *sek(H)- ‚schneiden, un-
terscheiden‘ (aus ‚abtrennen‘); zur Semantik
vgl. etwa die Bez. einiger PflN mit dem KVG
nhd. Schwertel- (etwa Schwertelgras n. ‚schilf-
artiges Glanzgras‘ und Schwertelried m. ‚De-
genkraut, Knospengras‘; vgl. Dt. Wb. 15, 2586)
zu Schwert n. ‚Hieb- und Stichwaffe mit kur-
zem Griff und langer, relativ breiter, ein- oder
zweischneidiger Klinge‘ (s. swert).
Urgerm. *saχra- geht auf vorurgerm. *sók-ro-,
eine Substantivierung eines Adj. uridg.
*sek(H)-ró- ‚schneidend‘, zurück.
Die Annahme von Kroonen, Et. dict. of Pgm. 421, dass
diese PflN einer Substratsprache entstammen, ist nicht
überzeugend. Er stellt nämlich fälschlicherweise wruss.
osoka f. ‚Segge‘ hinzu (wohl übernommen aus Franck,
Et. wb. d. ndl. taal² 815) und sieht in der Varianz *s- :
*as- den Reflex von Substratwörtern ohne und mit einem
a-Präfix (vgl. zu diesem ‚Kriterium‘ für die Ermittlung
von Substratwörtern P. Schrijver, FS Beekes 1997: 307–
312). Auch wenn man von der generellen Unwahrschein-
lichkeit solcher Doppelformen in einer Substratsprache
absieht (zum dafür angeführten Paradebeispiel ‚Amsel‘
vgl. jetzt S. Neri, FS García Ramón 2017: 566–568), ist
in dieser Wortgruppe keine Form mit *a- vorhanden.
Denn wruss. osoka geht mit anderen slaw. Formen wie
nruss. osóka, osoká f. ‚Riedgras‘, ukrain. osoká f. ‚dss.‘
und verwandten Wörtern im Balt., wie alit. ãšaka, ašakà
f. ‚Gräte, Hülse, Schale‘, lett. asaka f. ‚Gräte‘, vielmehr
auf die Wz. uridg. *h₂ek̂- ‚scharf, spitz (sein/werden/ma-
chen)‘ zurück (vgl. u. a. ALEW 1, 60).
Aus dem got. Fortsetzer *sahrs m. stammt im
frz. Dial. von Cantal das Wort sári m.
‚Schilf(rohr)‘, das sekundär mit dem gallorom.
Suff. -ium erweitert ist. Die Ableitung got.
*sahrjo f. < urgerm. *saχrii̯ōn- ‚Korb aus Bin-
sen‘ (vgl. zum morphologischen und semanti-
schen Verhältnis got. tains* ‚Zweig‘ : tainjo* f.
‚Korb‘) ist die Entlehnungsgrundlage für nfrz.
serron m. ‚Karton, Kiste‘, aprov. sarrias f.pl.
‚Tragekorb mit zwei Fächern‘, katal. sária ‚Art
Korb‘, arag. sarria f. ‚Kohlenkorb ohne Hen-
kel‘, span. sera f. ‚dss.‘, port. seira f. ‚Feigen-
korb‘. Ins Bask. gelangte das Wort als zare
‚Korb‘. Ein Rückgriff auf das Burgund. zur
Erklärung einzelner Formen, wie etwa Brüch
1913: 53 annimmt, ist nicht notwendig (vgl.
Wartburg, Frz. et. Wb. 17, 3); aber auch eine
Herkunft aus dem Burgund. spricht gegen ein
Rekonstrukt mit urgerm. *-z-, da das Burgund.
ebenfalls wohl keinen Rhotazismus kennt.
Für vereinzelte Belege aus dem Italien., in
Aquileja arba (= erba) sārala ‚Art Binse‘, in
Karnien-Venetien sārule ‚dss.‘, in der Toskana
saracchio ‚dss.‘, kann auch langob. Herkunft in
Frage kommen.
Die Form westgerm. *saggi̯a-/-i̯ō- geht auf
uridg. *sok(H)-i̯ó-/-i̯éh₂- zurück, das wohl ein
substantiviertes Adj. ‚die schneidende Pflanze‘
ist (vgl. parallel ahd. beri ‚Beere‘ ← ‚die reife,
rote Frucht‘ [s. d.] < *bhoh₂-s-i̯ó-).
In den anderen idg. Sprachen gibt es Bez. für die
‚Segge‘, die ebenfalls von dieser Wz. abgeleitet
sind: mir. seisc f. ‚Segge, Schilf, Binse‘, nir.
seisg f. ‚Binsen‘, mkymr. hescenn f. ‚Segge‘,
kymr. hesg koll. ‚dss.‘, mbret. hesq koll. ‚dss.‘,
nbret. hesk ‚dss.‘, mkorn. heschen ‚Schilf‘ (glos-
siert canna vel arundo), korn. hesc ‚Segge‘, die
wohl auf einer reduplizierten Form urkelt. *se-
sk-i-/-ā- (< *se-sk[H]-i-/-eh₂-) beruhen.
Für die kelt. Wörter wird auch ein Ansatz urkelt.
*sexski-/-ā- < uridg. *sek(H)-ski-/-eh₂- erwogen (vgl. zu-
letzt etwa Matasović, Et. dict. of Proto-Celt. 331; Byrd
2015: 90); damit würden die kelt. Formen näher an den
in ahd. sahs verbauten s-St. (s. o. und s. d.) rücken.
Walde-Pokorny 2, 475; Pokorny 895; LIV² 524; Körting,
Lat.-rom. Wb.³ Nr. 8275; Meyer-Lübke, Rom. et. Wb.³
Nr. 7518; Wartburg, Frz. et. Wb. 17, 2 f.; Fick 2 (Kelt.)⁴
302; Holder, Acelt. Spr. 2, 1525 f.; Matasović, Et. dict. of
Proto-Celt. 331; Vendryes, Lex. ét. de l’irl. anc. S-75 f.;
eDIL s. v. seisc¹; Dict. of Welsh 2, 1861; Deshayes, Dict.
ét. du bret. 329. – Ulrix 1907: 105 f.; Th. Frings, W. v.
Wartburg, ZRPh 70 (1954), 86–89; de Bernardo Stempel
1999: 503 Fn. 24; Zair 2012: 165.
RS