sant¹
Band VII, Spalte 965
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sant¹ m./n. a/i-St., seit dem 3. Viertel
des 8. Jh.s in Gl. und in T, OT, bei O, N,
Npg: ‚Sand; arena, glarea, marmor, sabulum,
Syrtis, terra‘. Die Deklinationklasse ist unklar.
Der späte Beleg in Gl. 2,618,10 (2. Viertel oder
Mitte 11. Jh., bair.) pl. 〈santi〉 zur Glossierung
von lat. marmora ist wegen des Fehlens des
i-Umlauts kein sicherer Beweis für einen
i-St.; das 〈i〉 ist wohl lediglich Schreibung
für ein abgeschwächtes -a (vgl. dazu Braune-
Heidermanns 2018: § 60). – Mhd. sant, -des
st.m. ‚(Ufer-)Sand, Strand, Ufer, Gestade, san-
dige Fläche, Kampfplatz, Stechbahn‘, nhd.
Sand m. ‚aus verwittertem Gestein, meist aus
Quarz bestehende, feinkörnige, lockere Sub-
stanz, die einen Teil des Erdbodens bildet, (See-
mannssprache) Sandbank‘.
Das -n- scheint, wie die (aber erst später be-
zeugte) Nebenform mit labialem Gleitlaut mhd.
sambt, sampt st.m. ‚(Ufer-)Sand, Strand, Ufer,
Gestade, sandige Fläche, Kampfplatz, Stech-
bahn‘, nhd. dial. schweiz. samb, samt n./m.
‚Sand‘, bair. samb, sambd (ohne Genusangabe)
‚dss.‘, tirol. sąmp m. ‚dss.‘ zeigt, auf älterem
-m- zu beruhen.

Für die Nebenform mit -m- findet sich in der Literatur
auch die Herleitung aus einem Komp. mit labialem An-
laut des Hinterglieds (vgl. Schweiz. Id. 7, 1112). Auch Et.
wb. Ndl. S-Z 650 sieht darin eine Umgestaltung einer äl-
teren Form mit -n-, jedoch ohne weitere Erläuterung der
Umbildung.

Splett, Ahd. Wb. 1, 792; eKöbler, Ahd. Wb. s. v. sant;
Schützeichel⁷ 272; Starck-Wells 508. 829; Schützeichel,
Glossenwortschatz 8, 106 f.; Bergmann-Stricker, Katalog
Nr. 654; Seebold, ChWdW8 249. 431. 468; ders., ChWdW9
707. 1103; Graff 6, 256 f.; Lexer 2, 605; Diefenbach, Gl.
lat.-germ. 47 (arena). 264 (glarea). 506 (sabulum); Götz,
Lat.-ahd.-nhd. Wb. 300 (harena). 661 (terra); Dt. Wb. 14,
1755 ff.; Kluge²¹ 623; Kluge²⁵ s. v. Sand; ePfeifer, Et.
Wb. s. v. Sand. – Schweiz. Id. 7, 1110 ff.; Schmeller,
Bayer. Wb.² 2, 282; Schatz, Wb. d. tirol. Mdaa. 2, 503. –
Lüschen 1979: 308.

In den anderen germ. Sprachen entsprechen: as.
sand n./(m.?) ‚Sand, Ufer‘, mndd. sant n. ‚Sand
(als Stoffname/als Material), Erde, Boden, san-
dige Fläche, Gegend, Gestade, Ufer, Strand‘;
andfrk. sant (sand, zand, zant) n. (seit a. 893 als
[oder als Bestandteil in] TN), frühmndl. sant
(sand[-], zan, zand[-], zant, mit proklitischem
Artikel tsant, im Gen.Sg. auch sans mit Assimi-
lation des Dentals an s) n. ‚Sand (als Material),
Erde, Boden, Bodensorte‘, mndl. sant (zand,
sand, saent) (n./m.) ‚Sand, Strand, Ufer, san-
dige Fläche, Wiese, Sandkorn‘, nndl. zand
(n./m.) ‚dss.‘; afries. sand, saun(d), sān m./n.
‚Sand‘, nwestfries. sân n. ‚Sand (als Stoff-
name/als Material), Sandboden, Sandbank‘,
saterfries. sound n. ‚Sand‘, nnordfries. (helg.,
öömr.) sun n. ‚dss.‘, (bökingh.) säujn n. ‚dss.‘,
(halligfries.) söön n. ‚dss.‘, (karrh.) sönj
‚dss.‘, (wiedingh.) söin n. ‚Sand, Sandbank‘,
(mittelgoesh.) soon m. ‚Sand‘ (die nordfries.
Belege stammen aus unterschiedlichen Quel-
len auf https://www.frisistik-thesaurus. uni-
kiel.de/de/thesaurus-des-nordfriesischen [gese-
hen am 02.10.2018]); ae. sand n. ‚Sand, Kies,
Ufer, Küste‘, me. snd (sande, scand, sond[e],
saund[e], sende) ‚Sand, Sandkorn, sandiger
Boden, trockenes Land‘, ne. sand ‚Sand,
Sand(stein)schicht, (pl.) Sandstrand, Sand-
bank‘; aisl. sandr m. ‚Sand (als Stoffname/als
Material), Asche, (pl.) Sandwüste, Sandstrand‘,
nisl. sandur m. ‚Sand, Sandküste, Strand,
Sandwüste‘, fär. sandur m. ‚Sand, Sandstrei-
fen, sandiger Strand‘, adän. sand ‚Sand, Sand-
korn, Sandboden‘, ält. ndän. sand ‚dss.‘, ndän.
sand ‚dss.‘, nnorw. sand ‚Sand, Sandstrand‘,
norn sand [sānd] ‚Sand‘, älv. sand m. ‚dss.‘,
aschwed. sander m. ‚dss.‘, nschwed. sand ‚dss.‘,
dial. sann, sånn ‚dss.‘: < urgerm. *sanđa-,
wohl < *samđa-.
Die germ. Formen mit neutr. Genus gehen wohl
auf eine ehemalige Koll.bildung urgerm. ur-
germ. *sanđō < *samđō zurück, die als Pl. eines
Neutr. aufgefasst wurden.
Im Got. fehlt eine Entsprechung. Für ‚Sand‘
steht in der Bibelübersetzung got. malma ‚Sand;
ἄμμος‘ (s. melm).
Aus dem Germ. sind wohl zu unterschiedli-
chen Zeiten finn. santa ‚Sand, Sandufer‘,
estn. sand- (in sandauk ‚flacher Sand- oder
Lehmboden‘, sandsavi ‚grauer Lehm‘) und
wohl auch wot. (Dial. von Kukkosi) santA
‚Ort am Unterlauf des Flusses Laukaanjoki
(russ. Luga), wo Baumstämme sortiert wer-
den‘ entlehnt.

Aus der Überlieferung ist das Genus der as. Form nicht si-
cher als Mask. oder Neutr. bestimmbar; so setzt Tiefenbach,
As. Handwb. 323 das Wort als Neutr., Sehrt, Wb. z. Hel
446 dagegen als Mask. an. Der Ansatz als Neutr. liegt
durch das neutr. Genus im Mndd. näher.
Unsicher ist die manchmal angenommene Zugehörigkeit
von ne. dial. samel, das dann auch als zusätzlicher Be-
weis für altes -m- dient. Für das Wort findet sich als
Bed.angabe ‚sandy soil‘ (F. B. J. Kuiper, NOWELE 25
[1995], 67) oder ‚gritty, sandy‘ (Kroonen, Et. dict. of
Pgm. 426). Die Bed. ‚gritty, sandy‘ beruht offenbar un-
mittelbar auf der Angabe in Halliwell 1847: 2, 704; es
sind dort jedoch keine Belegstellen verzeichnet. Das
Wort erscheint nicht im eMED. Laut eOED s. v. samel
adj. (mit Belegstellen seit 1601) hat das Wort dagegen
die Bed. „Of a brick or tile: Imperfectly burnt“ und ge-
hört dann wohl nicht zur Gruppe um Sand; tentativ führt
eOED, a. a. O. das Wort auf ein ae. Komp. „*samǽled
half-burnt“ zurück. Für das ne. Wort in der angesetzten
Bed. ‚Sandgrund‘ erwägen Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb.
2, 950 eine Entlehnung aus lat. sabulum n. ‚Sand‘.
Wegen der me. Form sende setzt das eMED s. v. snd n.
für das Ae. eine Nebenform *sende an, eine Bildung mit
einem j-haltigen Suff.

Fick 3 (Germ.)⁴ 430 f.; Kroonen, Et. dict. of Pgm. 425 f.;
Tiefenbach, As. Handwb. 323; Sehrt, Wb. z. Hel.² 446 f.;
Berr, Et. Gl. to Hel. 330; Lasch-Borchling, Mndd.
Handwb. 3, 26 f. (sant¹); Schiller-Lübben, Mndd. Wb.
4, 24 f.; ONW s. v. sant; VMNW s. v. sant¹; Verwijs-
Verdam, Mndl. wb. 7, 149 ff.; Franck, Et. wb. d. ndl. taal²
811; Suppl. 200; Vries, Ndls. et. wb. 855; Et. wb. Ndl. S-
Z 649 f.; WNT s. v. zand; Hofmann-Popkema, Afries. Wb.
412; Richthofen, Afries. Wb. 1040; eFryske wb. s. v. sân¹;
Dijkstra, Friesch Wb. 3, 54; Fort, Saterfries. Wb.² 566;
Holthausen, Ae. et. Wb. 270 (sand²); Bosworth-Toller, AS
Dict. 815 f.; Suppl. 693; eMED s. v. snd n.; Klein,
Compr. et. dict. of the Engl. lang. 2, 1380; eOED s. v.
sand n.²; Vries, Anord. et. Wb.² 462; Jóhannesson, Isl. et.
Wb. 409; Fritzner, Ordb. o. d. g. norske sprog 3, 181 f.;
ONP s. v. sandr; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord.
237; Magnússon, Ísl. Orðsb. 796; Falk-Torp, Norw.-dän.
et. Wb. 2, 590. 1538; Nielsen, Dansk et. ordb. 360
(sand²); Ordb. o. d. danske sprog 18, 707 ff.; Bjorvand,
Våre arveord² 924 f.; Torp, Nynorsk et. ordb. 567; NOB
s. v. sand; Jakobsen, Et. dict. of the Norn lang. 2, 741;
Hellquist, Svensk et. ordb.³ 2, 886 f.; Svenska akad. ordb.
s. v. sand; Kylstra, Lehnwörter 3, 221 f.

Wenn die Annahme, die auch ohne die mhd.
und nhd. dial. Belege mit -m- lautlich möglich
ist, zutrifft, dass urgerm. *sanđa- auf älteres
*samđa- zurückgeht, kann man die Form mit
gr. ἄμαθος f. ‚Sand‘, ἄμμος f. ‚dss.‘, ψάμαθος f.
‚dss.‘, ψάμμος f. ‚dss.‘ (neben weiteren Var.)
und lat. sabulum n. ‚Sand‘ vergleichen (zu an-
deren hierher gestellten Formen s. u.).
Nach einem Vorschlag von S. Neri (mündlich)
sind die Formen von einer Wz. uridg.
*pseh₂- ‚reiben‘ herleitbar, die in gr. ψῆν ‚rei-
ben, schaben, kratzen, streichen, wischen‘ fort-
gesetzt ist. Uridg. *pseh₂- ist eine Erweiterung
der u. a. in heth. peszi ‚reibt (ein)‘ vorliegenden
Wz. *pes- ‚reiben‘ (zum Wz.erweiterungstyp vgl.
uridg. *bhes- ‚[zer-]kauen‘ [s. besamo] : *bhseH-
‚kauen‘; zur Trennung von *bhes- und *pes-
vgl. u. a. R. S. P. Beekes, Sprache 18 [1972],
126 und Mayrhofer, EWAia 2, 198). Die gr. und
germ. Form beruht dabei wohl auf einem Adj.
uridg. *psh₂-- ‚gerieben‘, das als *ps(e/o)h₂-
meh₂- ‚geriebene Masse‘ substantiviert wurde,
wozu mit *-dho- eine Ableitung *psh₂-mh₂-dho-,
etwa ‚zu einer Reibemasse gemacht‘ → ‚gerie-
ben‘, gebildet wurde.
Die gr. Formen mit -μμ- setzen dagegen eher
die unerweiterte Wz. *pes- (*pos--) fort, wo-
bei der Anlaut an die Formen, die auf *ps- (teils
mit Vereinfachung zu *s-) zurückgehen, ange-
glichen ist.
Lat. sabulum ‚Sand‘ ← ‚zum Reiben gehörig‘
beruht auf einer abweichenden Bildung, entwe-
der uridg. *ps-dhlo- oder uridg. *pseh₂-dh-
mit der Wetterregel (VHKR/ > VKR/; vgl.
dazu Neri 2017: 275–341 mit Beispielen) und
Substantivierung.
Abweichend stellt R. Garnier, Sprache 46
(2006), 81–93 die Wörter zur Wz. uridg. *bhes-
und geht von einer Fügung *bhsh₂-dhh₁-ó- ‚zu
Staub gemacht‘, aus *bhs-m-éh₂ (Koll.) ‚Staub‘
und *dheh₁- ‚setzen, stellen, legen‘, aus. Wäh-
rend dieser Ansatz die gr. Form problemlos er-
klärt, muss für das Germ. dann noch eine ana-
logische Umbildung von *sumđa- zu *samđa-
nach dem Nebeneinander von semantisch na-
hestehendem *mulma- : *malma- ‚Sand‘ an-
genommen werden. Auch mit Ersatz von *bhes-
durch *pes- ist diese Analyse weniger wahr-
scheinlich, da weder das Koll. noch urgerm.
*sumđa- belegt sind und die analogische Um-
bildung eine weitere Zusatzannahme ist.

Die Vermutung etwa von F. B. J. Kuiper, NOWELE 25
(1995), 67 (u. a. übernommen durch Kroonen, Et. dict. of
Pgm. 426 und de Vaan, Et. dict. of Lat. 531), dass es sich
bei den Wörtern um Lehnwörter nicht-idg. Herkunft han-
delt, erübrigt sich.
Unsicher bleibt die Zugehörigkeit (in welcher Form auch
immer) von dem regelmäßig hierher gestellten Wort
arm. awaz ‚Sand, Staub‘ (vgl. etwa Olsen 1999: 24: aus
*sabhadho-, einer Kontamination von *samh₂dho- und
*bhsabh-), das nach Martirosyan, Et. dict. of Arm. 149 f.
aber ein Lehnwort aus dem Iran. (vgl. npers. āwāze
‚Sumpf‘) sein könnte.

Walde-Pokorny 2, 189; Pokorny 145 f.; LIV² 82. 98; Add.
s. vv. *bhes-, *pes-; Frisk, Gr. et. Wb. 1, 84. 92; 2, 1129 f.
1134 f.; Chantraine, Dict. ét. gr.² 66. 73. 1239 f. 1243 f.
1270; Beekes, Et. dict. of Gr. 1, 79 f. 89; 2, 1660 f. 1665 f.;
Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. 2, 458; Ernout-Meillet, Dict.
ét. lat.⁴ 585; de Vaan, Et. dict. of Lat. 531; Martirosyan,
Et. dict. of Arm. 149 f.; Tischler, Heth. et. Gl. 2, 580 f.;
Kloekhorst, Et. dict. of Hitt. 669 f.; CHD P-315. – R.
Garnier, Sprache 46 (2006), 81–93; Ringe 2017: 121. 163.

RS

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