sedal
Band VII, Spalte 1005
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sedal n. a-St., im Abr und weiteren Gl.
sowie im I, in B, GB, MH, T, OT, O, LB, PfB,
MB und NBo: ‚Sitz(en), Thron, (Sitz-)Bank;
discubitus, recubitus, sedes, sedile, thronus,
transtrum, triclinium‘, in sedal gân, zi sedale
gân ‚untergehen (von Himmelskörpern); ca-
dere, radios sub undas condere, ad occasum
gradi, obire, occidere‘, in sedal gangan ‚dss.;
ad occursum ire, mergi‘ 〈Var.: -c-, -dh-, -g-,
-th-; -el, -il〉. – Mhd. sëdel st.m./n. ‚Sessel,
Sitz‘, ze sedel(e) gân ‚sinken, untergehen (von
Himmelskörpern)‘, frühnhd. sedel m. ‚abgaben-
freier Landsitz‘.
Das Wort ist in der nhd. Standardsprache auf-
gegeben, doch finden sich dial. Fortsetzer in
schweiz. sëdel m. ‚Sitzstange für Hühner, Tau-
ben usw.‘, einen auf den sëdel setzen ‚zu Amt
und Würden bringen‘, in ON wie (Ober-)Sëdel,
els. sedel, sëdel m. ‚Sitzstange für Hühner, Tau-
ben‘, bad. sedel, sdl, sdǝl m. ‚dss., Sitzplatz,
Verbindungsstange z. B. an einem Stuhl‘,
schwäb. (veraltet) sedel m. ‚lange Truhe zum
Sitzen und Aufbewahren von Kleidern‘, auch in
sedel-haft ‚sesshaft‘, vorarlb. sedel, sędl m.
‚Sitzstange für die Hühner im Stall, Hühner-
stall‘, bair. KVG in sedel-plätze ‚schöne, geräu-
mige Weideplätze auf den Alpen, Ruheplätze
für das Vieh bei Tag und Nacht auf den Alpen‘,
tirol. sedel m. ‚schöner Weideplatz auf den
Alpen‘, ndl f.(/m.) ‚Viehlager auf Alpen‘,
auch in sedel-haftig ‚ortsansässig‘, lothr. sedel
f. ‚Sitzstange für Vögel, bes. Hühner‘, luxem.
sedel m. ‚Hühnerschlag‘, rhein. sedel, srǝl,
zędəl, sęl m. ‚Hühnerstange, Verlesestuhl, das
höhere Rückenstück des Rückentragekorbs‘,
pfälz. sedel, sędəl, sell m. ‚Sitzstange der Hüh-
ner, Podium der Musikanten‘, thür. siedel f.
(s. sidila), selten m. sedǝl, sędəl, sēdǝl ‚lange,
truhenartige Sitzbank mit hochklappbarem
Sitzbrett‘.

Splett, Ahd. Wb. 1, 796.; eKöbler, Ahd. Wb. s. v. sedal;
Schützeichel⁷ 273 f.; Starck-Wells 510; Schützeichel,
Glossenwortschatz 8, 121 f.; Seebold, ChWdW8 250;
ders., ChWdW9 709 f.; Graff 6, 308; Heffner 1961: 129;
Lexer 2, 843; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 524 (sedile). 593
(transtrum). 595 (triclinium); Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb.
80 (cadere). 128 (s. v. condere). 292 (s. v. gradi). 355
(s. v. ire). 402 (s. v. mergere). 438 (obire). 444 (occasus,
occidere¹). 558 (recubitus). 599 (sedes, sedile). 665 (thro-
nus); Dt. Wb. 15, 2806 f.; Kluge²¹ 707 (s. v. siedeln). –
Schweiz. Id. 7, 296 ff.; Stalder, Versuch eines schweiz. Id.
2, 367; Martin-Lienhart, Wb. d. els. Mdaa. 2, 326; Ochs,
Bad. Wb. 5, 9; Fischer, Schwäb. Wb. 5, 1308; Jutz, Vor-
arlberg. Wb. 2, 1120; Schmeller, Bayer. Wb.² 2, 223 f.;
Schöpf, Tirol. Id. 664; Schatz, Wb. d. tirol. Mdaa. 2, 567;
Follmann, Wb. d. dt.-lothr. Mdaa. 474; Luxemb. Wb. 4,
218; Müller, Rhein. Wb. 8, 6; Christmann, Pfälz. Wb. 6,
6 f.; Spangenberg, Thür. Wb. 5, 1237 f.

Ahd. sedal hat nur in den westgerm. Sprachen
Entsprechungen; vgl. as. sethal, sedal m./n. a-St.
‚Ruheplatz, Sitzen, Sitz‘, in sethal / te sedle gān
‚untergehen (von der Sonne)‘, mndd. sedel
m./n., sēdele, seddele f. ‚Ruhen, Sitzen, Saal,
gezimmerter Stand für die städtischen Wacht-
posten auf der Stadtmauer, Sitzgelegenheit,
Sitz, Sessel des Bürgermeisters im Ratssaal‘,
sēdle gân ‚untergehen (von der Sonne)‘, KVG
in sēdel-gôt ‚freies, nicht zinsbares erbliches
Grundeigentum, Herrengut‘; andfrk. KVG in
sethel-gank m. ‚Sonnenuntergang‘ (s. sedal-
gang
), frühmndl. sedel m. ‚Sessel, Ruheplatz‘,
in sedele gaen ‚untergehen (von der Sonne)‘,
mndl. sedel m. (?) ‚Sitz, Ruheplatz‘, nndl. (ver-
altet, dial.) zedel m. ‚Sessel, Armstuhl‘; afries.
sedel m. ‚Untergang, Sitz, Wohnen‘, efter
sonne seedle ‚nach Sonnenuntergang‘, im KHG
sunna-sedel m. ‚Sonnenuntergang‘ (s. sunnase-
dal
); ae. seđel, setl, seld n./m. (?) ‚Sitz, Thron,
Wohnsitz‘, tō setle gān ‚untergehen (von Him-
melskörpern)‘, me. setl, setle ‚Sitzplatz‘, ne.
(obs.) settle ‚dss.‘: < urgerm. *seþla-.
Im Ae. erscheinen dial. unterschiedliche Var.:
seld, mit Metathese < *seđl, gehört wohl dem
mercischen Sprachgebiet an (Brunner 1965:
§ 183.2 a). Die westsächs. Form setl kann -tl <
*-þl- enthalten (ebd. § 201.3 und Anm. 4).
Dadurch ist sie gleichlautend mit dem Wort
ae. setl, das auf urgerm. *setla- zurückgeht und
eine ähnliche Bedeutung ‚Sitz, Sitzplatz‘ hat.
Etymologisch sind aber urgerm. *seþla- und
*setla- verschieden: während *seþla- in ahd.
sedal fortlebt, ist *setla- die Vorform von ahd.
sezzal (s. d.).

Fick 3 (Germ.)⁴ 427; Kroonen, Et. dict. of Pgm. 434 s. v.
*setla-; Seebold, Germ. st. Verben 397; Tiefenbach, As.
Handwb. 331; Sehrt, Wb. z. Hel.² 447; Berr, Et. Gl. to
Hel. 330 f.; Wadstein, Kl. as. Spr.denkm. 218; Lasch-
Borchling, Mndd. Handwb. 3, 174 f.; Schiller-Lübben,
Mndd. Wb. 4, 163; ONW s. v. sethelgank; VMNW s. v. se-
del(e); Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 7, 850; Franck, Et.
wb. d. ndl. taal² 817 f. s. v. zetel; Vries, Ndls. et. wb. 862
s. v. zetel; Et. wb. Ndl. S-Z 660 s. v. zetel; WNT s. v. zedel;
Hofmann-Popkema, Afries. Wb. 415. 473; Richthofen,
Afries. Wb. 1002; Holthausen, Ae. et. Wb. 291; Bosworth-
Toller, AS Dict. 866 f.; Suppl. 702; eMED s. v. setle.

Urgerm. *seþla- geht wahrscheinlich auf uridg.
*sétlo- < *séd-tlo- zurück, eine Instrumentalbil-
dung mit Suff. *-tlo- von der Wz. uridg. *sed-
‚sich setzen‘ (s. sizzen). Dabei muss die uridg.
Form *sétlo- durch Vereinfachung der Konso-
nantengruppe *-dt- neben *-l- und unmittelbar
nach dem Akzent entstanden sein (F. de Saussure,
MSLP 6 [1889], 246–257; Hill 2003: 7–26; Neri
2017: 205 f. mit Fn. 6; vgl. ferner Byrd 2015:
126). Eine entsprechende Entwicklung setzt auch
urgerm. *maþla- < uridg. *mátlo- < *mád-tlo-
voraus (s. mahal).

Diese i.W. schon von F. de Saussure a. a. O. vorgeschla-
gene Herleitung ist viel diskutiert worden, vgl. die kriti-
sche Zusammenfassung der Forschungsgeschichte bei
Hill 2003: 7–26. Wie Hill betont, erschwert die kleine Zahl
der möglichen Beispiele die Beurteilung der Lautentwick-
lung. Zu beachten ist, dass das Uridg. keine geminierten
Konsonanten kannte. Wenn solche durch Antritt flexivi-
scher oder derivationeller Morpheme entstanden, wurden
sie meist bereits grundsprachlich durch einfache Konso-
nanten ersetzt; so führt z. B. die Verbindung der Wz. *h₁es-
mit der 2.sg. Endung *-si nicht zu *h₁és-si, sondern schon
uridg. zu *h₁ési ‚du bist‘ > ved. ási, jav. ahi ‚dss.‘ (mit -h-
< *-s-, aber nicht < *-ss-).
Trafen jedoch zwei dentale Verschlusslaute zusammen,
so entstand daraus im Uridg. eine Gruppe *-tst-, die ein-
zelsprachlich verschieden fortgesetzt ist; vgl. z. B. *sed-
to- > uridg. *setsto- > urgerm. *sessa- > aisl., ae. sess m.
‚Sitz‘. In Nachbarschaft von *r oder *l ergaben sich noch
kompliziertere Konsonantengruppen wie *séd-tlo- >
uridg. *sétstlo-. Solche Gruppen wurden offenbar zu *sé-
tlo- vereinfacht. Noch nicht völlig geklärt ist die Rolle
des Wortakzents bei der Vereinfachung. Deskriptiv tritt
aber die Entwicklung nur unmittelbar nach dem Akzent
ein, nicht hingegen nach unbetonter Silbe. So hat endbe-
tontes *sed-tló- über uridg. *setstló- ‚Sitzung, Versamm-
lungsplatz‘ die Subst. ved. sattrá- ‚große Somafeier‘, jav.
hastra- ‚Versammlung‘ ergeben (Neri 2017: 179).

Weniger wahrscheinlich ist, dass ahd. sedal und
seine westgerm. Verwandten aus einer anderen
Sprache entlehnt sind. Zwar nennt Seebold,
Germ. st. Verben 397, als mögliche Entleh-
nungsquelle lat. sedile n. ‚Sitz, Sitzplatz‘, spä-
ter auch ‚Thron, Gerichtssitz, Wohnsitz‘, das
formal recht ähnlich ist und auch durch ahd. se-
dal glossiert wird; jedoch bliebe die spezifische
westgerm. Verwendung des Wortes vom Son-
nenuntergang unerklärt. Der Ausdruck ahd. zi
sedale gangan, as. te sedle gān, ae. tō setle gān
alle ‚untergehen (von Himmelskörpern)‘ und
die Komp. andfrk. sethelgank, ahd. sedalgang
(s. d.) und afries. sunnasedel ‚Sonnenunter-
gang‘, ahd. sunnasedal (s. d.) deuten auf ein ge-
meinsames Konzept, das nicht aus dem Lat.
stammt. Wenn aber hier eine einheimische Wen-
dung vorliegt, so dürfte sie auch ein ererbtes
Wort enthalten.

Walde-Pokorny 2, 485; Pokorny 886; LIV² 513 f.; Add.
s. v. *sed-; NIL 590–600; Niermeyer, Med. Lat. lex.² 2,
1244; Du Cange² 7, 395.

S. sizzen.

DSW

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