seifar¹
Band VII, Spalte 1046
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seifar¹ m. a-St., in Gl. 2,293,57 (in 2
Hss., nach 1000 und 3. Viertel des 11. Jh.s,
bair.). 428,35 (10. Jh., bair. oder alem.). 768,11
(10. Jh., obd.): ‚Schaum, Speichel; saliva,
spuma‘ 〈Var.: -v(a)r, -var, -uar, -ur〉. – Mhd.
seifer st.m. ‚Speichel, Schaum‘ (daneben mit
anderem Suff. auch mhd. seifel st.m. ‚Spei-
chel‘), frühnhd. seifer m. ‚Geifer, (ungerechter)
Gewinn‘, nhd. Seifer m. ‚Geifer, tropfender Spei-
chel‘; nhd. ist das Wort besonders noch dial. obd.
verbreitet; vgl. u. a. schweiz. seifer m. ‚Geifer‘,
bad. seifer m. ‚Regen(schauer)‘, schwäb. seifer
m. ‚Geifer‘, vorarlb. seifer m. ‚aus dem Mund
fließender Speichel, Nikotinsaft‘, bair. saifer,
(denominal zum Verb bair. seifern ‚geifern,
sabbern‘ auch) saiferer m. ‚Geifer, Speichel,
Schaum aus dem Mund‘, kärnt. sâfer m., dimin.
sâferle n. ‚Geifer, Speichel‘, tirol. soafer, sâfer
m. ‚Geifer, aus dem Mund rinnender Speichel‘,
steir. *seifer m. (vorausgesetzt durch seifern
‚aus dem Mund Speichel fließen lassen‘), hess.
seiber, sebber ‚fließender Speichel‘, thür. sei-
ber, seifer m. ‚Speichel, Nieselregen, Pfeifen-
saft‘, seltener auch ndd. (götting.) seiwer ‚der
Menschen und Tieren aus dem Munde flie-
ßende (schaumartige) Speichel, Geifer, auch
der Tabaksaft, der sich beim Rauchen unten in
der Pfeife sammelt‘, schlesw.-holst. sewer,
seber, seiber m. ‚Speichel(fluss)‘.

Splett, Ahd. Wb. 1, 802; eKöbler, Ahd. Wb. s. v. seifar¹;
Schützeichel⁷ 275; Starck-Wells 513; Schützeichel,
Glossenwortschatz 8, 139; Bergmann-Stricker, Katalog
Nr. 383. 579. 637. 665; Graff 6, 172; Lexer 2, 854. 855;
Götze [1920] 1971: 199; Dt. Wb. 16, 190 (Seifel). 195
(Seifer²); ePfeifer, Et. Wb. s. v. Seifer. – Schweiz. Id. 7,
342 f.; Stalder, Versuch eines schweiz. Id. 2, 368; Ochs,
Bad. Wb. 5, 37; Fischer, Schwäb. Wb. 5, 1324; Jutz, Vor-
arlberg. Wb. 2, 1132; Schmeller, Bayer. Wb.² 2, 229 f.;
Lexer, Kärnt. Wb. 230; Schöpf, Tirol. Id. 574; Schatz, Wb.
d. tirol. Mdaa. 2, 501; Unger-Khull, Steir. Wortschatz
592; Vilmar, Id. von Kurhessen 381; Spangenberg, Thür.
Wb. 5, 1148; Schambach, Wb. d. ndd. Mda. 189; Mensing,
Schleswig-holst. Wb. 4, 479 f.

In den anderen germ. Sprachen entsprechen:
mndd. iver, seever, seyver m. ‚Schleim aus
Nase oder Mund, Speichel‘; mndl. sēver m.
‚Speichel, Geifer‘, nndl. ze[e]ver, dial. auch
zeiver, ziever m. ‚Speichel‘; afries. sēver, sāver
m. ‚Speichel, Flüssigkeit der Nase‘, saterfries.
seeuwer m. ‚Schleim aus Nase oder Mund,
Geifer, Speichel, Pfeifenjauche‘, nnordfries.
sääwer m. ‚Speichel‘; ae. *sāfor 〈Hs. sapor〉?
‚Speichel‘: < westgerm. *saf/ƀ-(a)ra-.
Auf einer Vorform westgerm. *saf-(a)ra- be-
ruhen die ahd., mhd. und die nhd. Form sowie
ae. *sāfor. Die ndd., ndl. und fries. Lexeme set-
zen dagegen westgerm. *saƀ-(a)ra- voraus.
Diese Verteilung macht die Existenz der ae.
Form fraglich; ein Zusammenhang mit den
fries. und ndl. Fortsetzern läge näher.

Fick 3 (Germ.)⁴ 440; Lasch-Borchling, Mndd. Handwb.
3, 221; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. 4, 201; Verwijs-
Verdam, Mndl. wb. 7, 1035; Franck, Et. wb. d. ndl. taal²
814; Suppl. 201; Vries, Ndls. et. wb. 863; WNT s. v.
zeever¹; Boutkan, OFris. et. dict. 336 f.; Hofmann-
Popkema, Afries. Wb. 417. 423; Richthofen, Afries. Wb.
1009; Fort, Saterfries. Wb.² 513; Sjölin, Et. Handwb. d.
Festlnordfries. 172; Holthausen, Ae. et. Wb. 268.

Westgerm. *saf/ƀ-(a)ra- setzt urgerm. *saf-ra- :
*saƀ-ra- aus vorurgerm. *p-ro- : *sop--
fort. Bei diesem Ansatz ist eine Verbindung mit
ahd. sib ‚Sieb‘ (s. d.) < urgerm. *siƀ-i-, wenn aus
vorurgerm. *sip-í-, möglich. Für eine Verknüp-
fung spricht auch das Nebeneinander eines i-
Stamms und einer ro-Ableitung von derselben
Wz., wie dies beim Caland-Wackernagel’schen
Suff.system häufig begegnet (wo freilich ro-Ab-
leitungen gewöhnlich die Schwundstufe in der
Wz. aufweisen). Das hier vorliegende Paar vor-
urgerm. *p-ro- : *sop-- zeigt im Falle von
*sop-- sekundäre Substantivierung des -
Adj. durch o-Stufe, aber *p-ro- einen zusätz-
lichen Substantivierungsakzent.
Weiteres zur Herleitung der Wz. vorurgerm.
*sep-, der Etymologisierung der Sippe und zu
Anschlüssen außerhalb des Germ. s. sib.
Da sich so eine Möglichkeit der Rückführung
der Wörter um ahd. seifar und sib auf das
Uridg. ergibt, entfällt Boutkans, OFris. et. dict.
337 und P. Schrijvers apud Boutkan Erklä-
rung: Der in der Sippe von afries. sever vorhan-
dene Wechsel „*a ~ *ai“ (dazu P. Schrijver, FS
Beekes [1997], 303–307) und die Verbindung
des „PIE: *soi-b-ro- [?]“ mit dem FlussN lat.
Sabrina (ne. Severn bzw. kymr. Hafren in Wales)
weise auf Substratherkunft.

Walde-Pokorny 2, 467 f.; Pokorny 894.

S. sib.

HB

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