seil
Band VII, Spalte 1056
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seil n. a-St., im Abr und zahlreichen
weiteren Gl. sowie bei O, in NBo, Nps, Npg,
Npw: ‚Seil, Tau, Strick, Band, Riemen; funi-
culus, funis, habena, laqueus, lorum, restis,
restis longa, rudens, trica‘. – Mhd. seil st.n.
‚Seil, Strick, Fessel, Schnur‘, nhd. Seil n. ‚aus
Fasern oder auch Drähten zusammengedrehte
dickere, reißfeste Schnur, die gewöhnlich
zum Binden, ferner z. B. zum Klettern verwen-
det wird‘.

Splett, Ahd. Wb. 1, 802; eKöbler, Ahd. Wb. s. v. seil;
Schützeichel⁷ 275; Starck-Wells 513; Schützeichel,
Glossenwortschatz 8, 140 f.; Seebold, ChWdW8 251.
436. 510; ders., ChWdW9 715. 1109; Graff 6, 187 f.;
Lexer 2, 856 f.; 3, Nachtr. 363; Götze [1920] 1971: 199;
Diefenbach, Gl. lat.-germ. 252 (funis). 495 (restis); Götz,
Lat.-ahd.-nhd. Wb. 282 (funis). 573 (restis); Dt. Wb. 16,
209 ff.; Kluge²¹ 700; Kluge²⁵ s. v. Seil; ePfeifer, Et. Wb.
s. v. Seil.

In den anderen germ. Sprachen entsprechen:
as. sēl n. ‚Seil, Schlinge, Zügel‘, mndd. sēl,
sêil, seyl n. ‚Seil, Tau, Strick‘; frühmndl. seel
n. ‚Tau, Seil‘, mndl. seel n. ‚Tau, Band, Strick‘,
nndl. zeel n. ‚Seil, Tau‘; afries. (wind-)sēl n.
‚Windeseil‘, (kai-)sēl n. ‚Schlüsselgehänge‘,
nwestfries. seel n. ‚Seil, Kuhstrick‘, sater-
fries. seel n. ‚Seil, Band, Riemen, Strohseil‘;
ae. sāl m./f. (?) ‚Seil, Strick, Band, Fessel,
Halsband‘, me. sōl, sole, sāl ‚Strick, Kuh-
strick‘, ne. dial. sole ‚Kuhstrick, Holzkragen
zum Anbinden des Viehs im Stall‘; aisl. seil
f. ‚Seil, Band‘, nisl. seil f. ‚Seil, Band, Tau‘,
fär. seil f. ‚Band, Kuhstrick, Schal‘: < ur-
germ. *sala-, *sa-.

Fick 3 (Germ.)⁴ 438; Kroonen, Et. dict. of Pgm. 422;
Tiefenbach, As. Handwb. 327; Sehrt, Wb. z. Hel.² 454;
Berr, Et. Gl. to Hel. 333; Wadstein, Kl. as. Spr.denkm.
217; Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 3, 192 f.; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. 4, 178; VMNW s. v. seel; Verwijs-
Verdam, Mndl. wb. 7, 946; Franck, Et. wb. d. ndl. taal²
813; Vries, Ndls. et. wb. 857; Et. wb. Ndl. S-Z 652; WNT
s. v. zeel¹; Hofmann-Popkema, Afries. Wb. 263. 588;
Richthofen, Afries. Wb. 1004. 1151; eFryske wb. s. v.
seel¹; Dijkstra, Friesch Wb. 3, 60; Fort, Saterfries. Wb
512; Holthausen, Ae. et. Wb. 269; Bosworth-Toller, AS
Dict. 813; Suppl. 693; eMED s. v. sōl n.⁴; eOED s. v.
sole n.³; Vries, Anord. et. Wb.² 468; Jóhannesson, Isl. et. Wb.
771; ONP s. v. seil; Jónsson, Lex. poet. 487; Holthausen,
Vgl. Wb. d. Awestnord. 239; Magnússon, Ísl. Orðsb.
802. – Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 2, 956; Nielsen,
Dansk et. ordb. 363; Bjorvand, Våre arveord² 938 ff.;
Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 294 f.; Lehmann, Gothic Et.
Dict. I-22.

Ahd. seil setzt das neutrale Subst. urgerm.
*sala- fort. Daneben steht im Nordgerm. ein
fem. seil < urgerm. *sa-. Im Got. ist das de-
nominative Verb insailjan ‚anseilen‘ bezeugt,
das von *sala- oder *sa- abgeleitet sein
kann. Verwandte Wörter mit anderer Ablaut-
stufe sind ahd. sila und silo (s. d.).
Urgerm. *sala- ist mit Suff. *-lo- von der Wz.
uridg. *sh₂e- ‚binden‘ gebildet, die im Germ.
zwar nicht in einem st. Verb, aber in einer
Reihe von Subst. bewahrt ist, s. auch seid,
seita, seito; mit m-Suff. gehören as. sīmo m.
‚Strick, Fessel‘, afries. sīm, sīma m. (?) ‚Strick,
Seil‘, ae. sīma m. ‚Band, Strick‘, aisl. sími
m. ‚dss.‘ hierher. Ob *sala- auf eine urspr.
o-stufige Form vorurgerm. *sh₂o-lo- oder auf
e-stufiges *sh₂a-lo- < älterem *sh₂e-lo- mit
Laryngalumfärbung zurückgeht, ist nicht ent-
scheidbar.
Bildungen mit l-Suff. zu dieser Wz. erscheinen
auch in anderen idg. Sprachen. Im Heth. ist der
l-Stamm heth. išhial- n. ‚Band, Schärpe,
Gürtel‘ zum heth. Verb išhai-, išhi- ‚binden,
wickeln, fesseln, auferlegen, verpflichten‘ be-
zeugt (Rieken 1999: 445 f.). Aus dem Balt.
vgl. lit. seĩlas m. ‚Eimerhenkel, Tragschnur‘,
pãsailas m. ‚dss.‘, ãtsailė f. ‚Verbindungsstück
bei der Anspannung am Wagen‘, síelis m. ‚Floß
(aus zusammengebundenen Baumstämmen)‘,
lett. sielains ‚Holzfloß, worauf Wäsche gewa-
schen wird‘. Diese Wörter gehören innerbalt.
zunächst zu den Verben lit. siẽti ‚binden‘, lett.
sìet ‚dss.‘.
Verbal ist die Wz. *sh₂e- noch weiter verbrei-
tet; vgl. auch kluw. hišhia- ‚binden‘, hluw.
hishi- ‚dss.‘, ved. say- ‚fesseln‘, 3.sg.präs. sinti,
av. hi- ‚binden, anbinden‘ mit aav. 3.sg.ind.perf.
ā hišāiiā, jav. 3.pl.konj.präs. hiią̄n und viel-
leicht toch. A se- ‚(unter-)stützen‘, toch. B sai-n-
med. ‚sich stützen auf‘.

Die Wz. wird z.T. abweichend als uridg. *seh₂()- rekon-
struiert, auslautendes *-- wäre dabei urspr. ein Suff. Alle
hier genannten einzelsprachlichen Wörter setzen aber die
-haltige Form voraus.
Unsicher bleibt, ob die Ableitungen mit l-Suff., aber un-
terschiedlichem Wz.ablaut, wie ahd. seil und silo, auf ei-
nen urspr. ablautenden l-Stamm zurückgeführt werden
können, der in heth. išhial- n. ‚Binde, Band, Gürtel‘ noch
direkt fortleben würde. Denn die diversen Subst. zu
*sh₂e- können ebenso gut unabhängige Bildungen sein,
die zunächst semantische Unterschiede, wie z. B. ‚Band‘
und ‚Binde‘, ausgedrückt haben. Die Wz.bedeutung be-
günstigt den Bedarf an solchen Nominalisierungen: in
konkreter Verwendung kann die Handlung ‚binden‘ nicht
ohne ein entsprechendes Mittel ausgeführt werden. Be-
nennungen für das jeweilige Bindemittel wurden deshalb
wiederholt durch Ableitung vom Verb geschaffen.
Kein Suff. *-lo- enthält aksl. silo n. ‚Schlinge‘, das viel-
mehr auf älteres *sidlo mit dem Suff. uridg. *-dhlo- für
Nomina instrumenti zurückgeht; vgl. mit bewahrtem -d-
poln. sidło n. ‚Schlinge, Falle‘.

Walde-Pokorny 2, 463 f.; Pokorny 891 f.; LIV² 544; Add.
s. v. *sh₂e-; Mayrhofer, KEWA 3, 549 f.; ders., EWAia 2,
720 f.; Rastorgueva-Ėdel’man, Et. dict. Iran. lang. 3,
397 ff.; Bartholomae, Airan. Wb.² 1800 f.; Cheung, Et.
dict. of Iran. verb 135 f.; Trautmann, Balt.-Slav. Wb. 253;
Derksen, Et. dict. of Slav. 450; Et. slov. jaz. staroslov.
817; Vasmer, Ėt. slov. russ. jaz. 3, 621 f.; Derksen,
Et. dict. of Balt. 67. 397 f.; Fraenkel, Lit. et. Wb. 2,
755; Smoczyński, Słow. et. jęz. lit.² s. vv. saĩlas, siẽti;
Mühlenbach-Endzelin, Lett.-dt. Wb. 3, 858. 860; Karulis,
Latv. et. vārd.² 812; Friedrich-Kammenhuber, Heth. Wb.
4, 112 ff.; Kronasser, Etym. d. heth. Spr. 1, 323; Tischler,
Heth. et. Gl. 1, 384 ff.; Kloekhorst, Et. dict. of Hitt.
391 ff.; Melchert, Luv. lex. 70; Windekens, Lex. ét. tokh.
108; Adams, Dict. of Toch. B² 766; Malzahn, Toch. Vb.
Sys. 952 ff. – Tiefenbach, As. Handwb. 334; Hofmann-
Popkema, Afries. Wb. 427; Holthausen, Ae. et. Wb. 294;
Vries, Anord. et. Wb.² 476. – Kroonen 2011: 243 f.

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