seita
Band VII, Spalte 1064
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seita f. ōn-St., seit dem 2. Viertel des 9.
Jh.s in zahlreichen Gl.: ‚Saite, Schlinge, Strick,
Fessel; chorda, fides, fidicula, flagella, nervus,
pedica, saeta‘ 〈Var.: -d-; -nte; -e〉. – Mhd. seite,
saite sw.m./f. ‚Saite‘, nhd. Saite f. ‚dünner
Strang aus Darm, Pflanzenfasern, Metall oder
Kunststoff, der auf bestimmte Musikinstrumente
gespannt und durch Zupfen, Streichen oder
Schlagen zum Schwingen gebracht wird, um
Klänge zu erzeugen‘.
Neben seita steht seit Beginn der Überlieferung
der m. n-St. seito ‚Saite, Schlinge‘ (s. d.). Durch
die nhd. Schreibung mit -ai- wird graphischer
Zusammenfall mit Seite (< ahd. sîta, s. d.) ver-
mieden.

Splett, Ahd. Wb. 1, 803; eKöbler, Ahd. Wb. s. v. seita;
Schützeichel⁷ 275; Starck-Wells 513; Schützeichel,
Glossenwortschatz 8, 142 f.; Seebold, ChWdW9 715.
1103; Graff 6, 159; Lexer 2, 859; Diefenbach, Gl. lat.-
germ. 150 (chorda). 233 (fides); Götz, Lat.-ahd.-nhd.
Wb. 102 (chorda). 263 (fides²); Dt. Wb. 14, 1663 ff.;
Kluge²¹ 620; Kluge²⁵ s. v. Saite; ePfeifer, Et. Wb. s. v.
Saite.

Ahd. seita hat Entsprechungen in mndd. seide,
seyde f. ‚Saite, Sehne der Armbrust‘ und
mndl. seide, zeide f. ‚Saite‘. Diese Wörter set-
zen urgerm. *sađōn- voraus. Daneben sind in
ahd. seito m. ‚Saite, Schlinge‘ und ae. sāda m.
‚Strick, Fessel, Schlinge‘ mask. n-Stämme
bezeugt, die auf urgerm. *sađan- weisen.
a-stämmige Bildungen sind: aisl. seiðr m.
‚Band, Gürtel‘ und ahd. seid n. ‚Schlinge‘
(s. d.) < urgerm. *saþa- mit grammatischem
Wechsel.
Aisl. seiðr ‚Band‘ wird in poetischer Sprache
von der Weltschlange, die im Urozean lebt, ver-
wendet. Gleichlautend damit sind seiðr ‚Kohl-
fisch‘ und seiðr ‚Zauber‘. Ob diese Wörter auch
etymologisch identisch sind, wird unterschied-
lich beurteilt. Wenn dies der Fall ist, muss
‚Band‘ die urspr. Bedeutung sein; seiðr ‚Zau-
ber‘ würde dann eine magische Bindung be-
zeichnen. Jedoch gehört seiðr ‚Zauber‘ zu-
nächst zu dem germ. st. V. I *seþe/a-, das in
aisl. síða ‚zaubern‘ vorliegt. Das Verb setzt eine
Wz. *set- voraus, die keine klaren Verwandten
in anderen Sprachen hat. Das Subst. aisl. seiðr
‚Zauber‘ hingegen hat Entsprechungen in lit.
saĩtas m. ‚Band, Fessel, Zauberei‘ und in
mkymr. hud m./f. ‚Zauberei‘, bret. hud m.
‚dss.‘ < älterem *soto-. Möglich ist deshalb,
dass das st. V. *seþe/a- sekundär zu dem Subst.
urgerm. *saþa- hinzugebildet wurde, aber nur
die spezialisierte Bedeutung ‚durch Zauber bin-
den‘ übernahm.

Fick 3 (Germ.)⁴ 438; Lasch-Borchling, Mndd. Handwb.
3, 186; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. 4, 173; Verwijs-
Verdam, Mndl. wb. 7, 917; Jónsson, Lex. poet. 487;
Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 239; Magnússon, Ísl.
Orðsb. 802. – Kroonen, Et. dict. of Pgm. 421; Seebold,
Germ. st. Verben 391 f.; Tiefenbach, As. Handwb. 327;
Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 813; Holthausen, Ae. et. Wb.
266; Bosworth-Toller, AS Dict. 808; Vries, Anord. et.
Wb.² 468; Nielsen, Dansk et. ordb. 362; Bjorvand, Våre
arveord² 934 f.; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 2, 897.

Ahd. seita und die verwandten germ. Wörter
gehören zur Wz. uridg. *sh₂e- ‚binden‘, die
auch in ahd. seil ‚Seil‘ zugrunde liegt (s. d.). Die
n-Stämme seita und seito setzen eine Ablei-
tungsbasis urgerm. *sađa/ō- voraus. Nicht zu
entscheiden ist, ob *sađa/ō- auf vorurgerm. o-
stufiges *sh₂o-/éh₂- oder auf *sh₂a-/áh₂- <
älterem *sh₂e-/éh₂- mit e-Vollstufe zurück-
geht. Im zweiten Fall steht formal lat. saeta f.
‚starkes Haar, bes. der Tiere, Borste‘ am nächs-
ten. Die Entsprechungen im Balt. sind hin-
sichtlich der Wz.ablautstufe ebenso mehrdeu-
tig wie die germ. Substantive; vgl. lit. saĩtas m.
‚Band, Fessel‘, lett. saĩta f., alett. saits m. ‚dss.‘,
apreuß. (larga-)saytan n. ‚Steigleder‘ (die Rie-
men, an denen die Steigbügel hängen). Für ur-
spr. *-o- würden die brit. Wörter für ‚Zauber‘,
wie mkymr. hud, sprechen, falls sie hierher ge-
hören (s. o.).
Die Wz. ist mit t-Suff. noch weiter verbreitet,
jedoch liegen andere Ableitungen vor; vgl.
z. B. ved. (vi-)sita- ‚(los-)gebunden‘, jav. hita-
‚angebunden‘ mit schwundstufiger Wz., ved.
sétu- m. ‚Band, Fessel, Damm, Brücke‘ mit
Suff. *-tu- und aksl. sětь f. ‚Schlinge, Fallstrick,
Netz‘ mit Suff. *-ti-. Zu verbalen Fortsetzern
s. seil.

Walde-Pokorny 2, 463 f.; Pokorny 892. – Mayrhofer,
EWAia 2, 720. 745; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. 2, 462;
de Vaan, Et. dict. of Lat. 533 f.; Derksen, Et. dict. of Slav.
448; ALEW 2, 883; Matasović, Et. dict. of Proto-Celt.
352; Dict. of Welsh 2, 1905.

S. seil.

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