sin m. a-St., in Gl. seit dem 2. Viertel des
9. Jh.s, bei O, Ps 138, N, Npg, WH: ‚Sinn, Geist,
Verstand, Absicht; animus, ingenium, intentio,
memoria, mens, sensus, spiritus, voluntas‘, in sin
neman ‚sich dazu verstehen‘, sin habên zi ‚den
Sinn richten auf‘ 〈Var.: -í-, -e-〉. – Mhd. sin,
gen.sg. sinnes st.m., sinne sw.m. ‚Sinn, wahrneh-
mender Sinn, Geist, Verstand, Gedanke, Be-
wusstsein, Besinnung, Weisheit, Kunst‘, zu sinne
nemen ‚überdenken‘, frühnhd. sin m. ‚Gesin-
nung, Besinnung, Temperament, Rat‘, in sin
nemen ‚sich einfallen lassen‘, nhd. Sinn m.
‚Wahrnehmungsfähigkeit, Wahrnehmungsorgan,
Verstand, Verständnis, Denken, Denkungsart,
Bedeutung, folgerichtiger Zusammenhang, Ab-
sicht, Zweck, Ziel‘.
Splett, Ahd. Wb. 1, 818; eKöbler, Ahd. Wb. s. v. sin¹;
Schützeichel⁷ 281; Starck-Wells 523; Schützeichel,
Glossenwortschatz 8, 211; Seebold, ChWdW9 728;
Graff 6, 229 f.; Heffner 1961: 134; Lexer 2, 926; Götze
[1920] 1971: 201; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 36 (ani-
mus). 298 (ingenium). 527 (sensus); Götz, Lat.-ahd.-
nhd. Wb. 42 (animus). 337 (ingenium). 347 (intentio).
400 (mens). 602 (sensus). 624 (spiritus); Dt. Wb. 16,
1103 ff.; Kluge²¹ 709; Kluge²⁵ s. v. Sinn; ePfeifer, Et.
Wb. s. v. Sinn.
In den anderen germ. Sprachen entsprechen:
mndd. sin m. ‚Fähigkeit geistiger Betätigung,
denkender Geist des Menschen, geistige
Kräfte, geistige Klarheit, Verstand, Verständ-
nis, Trachten, Streben, Stimmung, Wahrneh-
mungsfähigkeit, Gedanke, Absicht‘, tô sinne
nēmen ‚zur Kenntnis nehmen, bedenken‘; and-
frk. sin m. ‚Verstand, Denkvermögen‘, früh-
mndl. sin m. ‚Richtung, Weise, Absicht, Ver-
stand, Instinkt, Gefühl, Bewusstsein, Meinung,
Denkungsart, Bedeutung‘, mndl. sin m. ‚Rich-
tung, Verstand, Denkvermögen, Denkart, Ge-
fühl, Sinn, Trachten, Absicht, Bedeutung‘,
nndl. zin m. ‚Richtung, Weise, Absicht, Trach-
ten, Geist, Denkvermögen, Gefühl, Bedeu-
tung‘; afries. sin m./n. ‚Sinn, Verstand, Sinnes-
organ, Bedeutung, Inhalt, Verständnis, Wissen,
Absicht‘, nwestfries. sin m./f. ‚Sinn, Verstand,
Geist, Denkvermögen, Denkart, Gefühl, Mei-
nung, Trachten, Bedeutung‘, saterfries. sin m.
‚Sinn, Zweck, Verstand, Trachten, Denkfähig-
keit, Absicht, Meinung, Gefühl‘: < urgerm.
*sen(þ)na-.
Norw. und dän. sind ‚Sinn‘ sowie schwed.
sinne ‚dss.‘ sind aus dem Dt. entlehnt (Falk-
Torp, Norw.-dän. et. Wb. 2, 967 f.).
Fick 3 (Germ.)⁴ 430; Seebold, Germ. st. Verben 395;
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 3, 233 ff.; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. 4, 208 f.; ONW s. v. sin; VMNW s. vv.
sin, sinne¹; Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 7, 1128 ff.;
Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 822; Vries, Ndls. et. wb.
866 f.; Et. wb. Ndl. S-Z 668; WNT s. v. zin; Boutkan,
OFris. et. dict. 341; Hofmann-Popkema, Afries. Wb.
427; Richthofen, Afries. Wb. 1015; eFryske wb. s. v.
sin; Dijkstra, Friesch Wb. 3, 76; Fort, Saterfries. Wb.²
518.
Urgerm. *sen(þ)na- ist ein Nomen actionis zu
dem st. V. III urgerm. *sen(þ)ne/a- (s. sinnan).
Wenn die ursprüngliche Bedeutung des Verbs
‚gehen‘ gewesen ist, ist die semantische Festle-
gung des Subst. ahd. sin auf den geistigen Be-
reich in etwa mit der Bedeutungsentwicklung
von nhd. erfahren, Erfahrung (ahd. irfaran,
irfarunga, s. dd.) vergleichbar, wo die Kompo-
nente der räumlichen Bewegung ganz hinter die
Verwendung für sensorische und geistige Er-
fahrungen zurückgetreten ist.
Walde-Pokorny 2, 496 f.; Pokorny 908.
S. sinnan.
DSW