singôz
Band VII, Spalte 1252
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singôz m. a-St., in Gl. ab dem 11. Jh.:
‚Schelle, Glöckchen; nola, tintin(n)abulum‘.
Der Ansatz als n. a-St. bei Schützeichel,
Glossenwortschatz 8, 235 bleibt unklar, auf
späteren Sprachstufen sind offenbar nur m. und
f. Formen bezeugt. – Mhd. singôʒ, singoʒ st.m.
‚kleine Glocke‘, dimin. singoʒʒel st.n. ‚dss.‘,
nhd. nur dial., meist mit Übergang ins Fem.,
teils auch in die n-St.: schweiz. singess f.
‚kleine Glocke, Kuhglocke‘, schwäb. singeze f.
‚Kuhglocke‘, vorarlb. singess(e), singessa f.
‚Kuhschelle‘, dimin. singesle n. ‚Glöcklein,
Schelle, Ministrantenschelle‘, tirol. singɛs,
singɛz m., mit Metathese im Inlaut auch signɛz,
und mit Aphärese des Anlauts ingɛs (in Hopf-
garten im Defreggen), singɛssɛ, singeis’n f.
‚Kuhschelle‘, bair. mit zinklaissln (Böhmer-
wald) ‚mit Glöckchen, Schellen‘, singôsa
‚Viehschelle‘ (Bregenzerwald), zimbr. singa-
rot, zingarot, zingot, singot ‚Viehschelle‘,
kärnt. singesn f. ‚Glöckchen, Halsglocke der
Kühe (auch Kuhname)‘, steir. singoßel n.
‚Glöckchen‘.

Splett, Ahd. Wb. 1, 1232; eKöbler, Ahd. Wb. s. v. singoz;
Schützeichel⁷ 282; Starck-Wells 526; Schützeichel,
Glossenwortschatz 8, 235; Graff 6, 250; Lexer 2, 931;
Diefenbach, Gl. lat.-germ. 584 (tintinabulum); Dt. Wb.
16, 1092 (singess). 1093 (singossel). – Schweiz. Id. 7,
1207; Fischer, Schwäb. Wb. 5, 1413; Jutz, Vorarlberg.
Wb. 1166; Schmeller, Bayer. Wb.² 2, 290. 314; Lexer,
Kärnt. Wb. 233; Schöpf, Tirol. Id. 675; Schatz, Wb. d.
tirol. Mdaa. 2, 576; Unger-Khull, Steir. Wortschatz 596.

In den anderen germ. Sprachen gibt es keine
Entsprechungen: < westgerm. *singōta(/ō[n])-.
Nach KS Wackernagel 1874: 274 ist das Wort
zu italien. segnuzzo m. ‚Glöckchen‘ (letztlich
eine Weiterbildung zu lat. signum n. ‚Zeichen‘,
sekundär und jünger auch ‚Glocke‘ [s. dazu bi-
sigilen
]) zu stellen und sei sekundär bzw. volks-
etym. an ahd. singan angelehnt worden. Die
Entlehnung müsste nach dieser Hypothese auf
einer rom. Stufe erfolgt sein, als das Wort noch
rom. *se/ignuto o. ä. lautete. Für diese Lösung
könnte die Verbreitung des Worts fast aus-
schließlich im Alpenraum sprechen. Doch
bleibt der Langvokal der zweiten Silbe damit
unerklärt. Dieser dürfte am ehesten analogisch
eingeführt sein. Vielleicht liegt eine volksetym.
Eindeutung von ahd. *gôz (Weiteres zur Etym.
s. unter giozan), mhd. gôʒ m. ‚Guss, Regen-
guss‘, n. ‚Guss, Metallguss‘ (Lexer 1, 1063;
3, Nachtr. 217) vor: Ahd. singoz ‚Glöckchen‘
könnte als *sing-gôz ‚singendes gegossenes
Metallstück‘ reinterpretiert worden sein. Tirol.
singeis’n f. (also Sing-Eisen) ‚Kuhschelle‘ wäre
dazu eine semantische Parallele.
Unklar bleiben in dem ganzen Komplex auch
die unverschobenen Auslaute der zimbr. Be-
lege. Vielleicht liegt diesen eine erst spät über-
nommene Parallelform rom. *se/ignuto mit im
Rom. nicht palatalisiertem Dental zugrunde.
Alternativ sei die Deutung von ahd. singôz als
ein Komp. mit KVG sin- ‚ewig, immer‘ (s. sin-,
simbal) vorgeschlagen. Allerdings bliebe das
KHG unklar, denn zu giozan ‚gießen‘ (s. d.)
kann es semantisch kaum gehören und eine Er-
klärung aus *sin-dôz ‚*dauernd tönend‘ zu dio-
zan
‚rauschen, tosen‘ (s. d.) mit sekundärer An-
gleichung an singan mag zwar semantisch
angehen, bleibt aber letztlich doch eine recht
gezwungene Lösung.

HB

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