sintar m./n. a-St., seit dem Ende des 8.
Jh.s in Gl.: ‚(Metall-)Schlacke, Hammerschlag;
cacinia/cadmea ferri, ferrugo, purgamen,
purgamentum ferri, rubigo, scoria, sordes me-
tallorum, spuma, stumagina‘ 〈Var.: sy-; -d-,
-th-; -er, -ere, -ir, -el, -il〉. Bei den Endungsvar.
mit ahd. -el, -il handelt es sich um sekundäre
Angleichungen an die Nomina agentis und No-
mina instrumenti auf -il (s. d.). Die in Gl. ver-
einzelt bezeugte Bed.angabe ‚coliandrum‘, also
‚Koriander‘ (3,228,69. 519,25; 5,45,16), beruht
wohl auf Verwechslung mit scoria. – Mhd. sin-
ter, sinder, sindel st.m./n. ‚Schlacke, Hammer-
schlag‘, frühnhd. sindel m. ‚Schlacke, Ham-
merschlag‘‚ nhd. Sinter m. ‚mineralischer
Niederschlag, Tropfstein, Metallschlacke‘.
Splett, Ahd. Wb. 1, 819; eKöbler, Ahd. Wb. s. v. sintar;
Schützeichel⁷ 282; Starck-Wells 527; Schützeichel, Glos-
senwortschatz 8, 237 ff.; Seebold, ChWdW8 255. 437.
511; ders., ChWdW9 728. 1110; Graff 6, 265; Lexer 2,
928; 3, Nachtr. 365; Götze [1920] 1971: 202; Diefenbach,
Gl. lat.-germ. 231 (ferrugo). 520 (scoria); Dt. Wb. 16,
1215 ff.; Kluge²¹ 710; Kluge²⁵ s. v. Sinter; ePfeifer, Et.
Wb. s. v. Sinter. – Marzell [1943–79] 2000: 1, 605. 1163.
In den anderen germ. Sprachen entsprechen: as.
sinder st.m./n. ‚Sinter, Schlacke‘, mndd. sinder,
sindel, sintel m. ‚Rückstand von Verbranntem,
Schlacke‘; andfrk. sindar m./n.? ‚Metallschla-
cke‘, frühmndl. sinder m. ‚dss.‘, mndl. cindel
m. ‚Hammerschlag‘, sinder m. neben sintel
(wohl aus mhd. sintel entlehnt) ‚Hammer-
schlag, Metallschlacke‘, nndl. sindel, sintel (un-
ter nhd. Einfluss) ‚ausgebranntes Stück Kohle‘,
daneben nndl. sindel, sinder, dial. (fläm.) zinder
‚Hammerschlag, Metallschlacke‘; nwestfries.
sintel, zintel m./f. ‚ausgebrannte Steinkohle‘,
saterfries. sinder m./n. ‚Metallschlacke, ausge-
branntes Stück Steinkohle‘, nnordfries. sünak
‚Schlacke aus der Schmiede‘ (Lehnwort aus
ndd. Sünnerklüt ‚dss.‘); ae. sinder n. ‚Sinter,
Schlacke, Abfall von Metall, Hammerschlag,
Baumfäule‘, me. sinder, sindre cindir etc.
‚Schlacke, Asche‘, ne. cinder ‚glühende Asche,
Schlacke‘ (die engl. Formen mit c- beruhen auf
Einkreuzung von frz. cendre ‚Asche‘); aisl.
sindr n. ‚Sinter, Schlacke, Abfall‘, nisl. sindur
n. ‚dss.‘, fär. sindur n. ‚dss.‘, adän. sindær n.
‚Schlacke‘, ndän. sinder, sinner ‚Schaum oder
Schlacken, die auf geschmolzenem Metall
schwimmen, Hammerschlag‘, nnorw. sinder n.
‚Hammerschlag, Schlacke‘, norn sinter n. ‚eine
kleine Menge‘, aschwed. sinder n. ‚Schlacke‘,
nschwed. sinter ‚Hammerschlag‘: < urgerm.
*senđra-.
Neben dem Erbwort sind noch jeweils aus dem
Nhd. entlehntes ne. sinter ‚Kalksinter, Tropf-
stein, Sinterkohle‘, ndän. sinter ‚Kalksinter,
Tropfstein‘, nschwed. sinter, auch sinner ‚dss.‘
bezeugt.
Fick 3 (Germ.)⁴ 431; Tiefenbach, As. Handwb. 335;
Wadstein, Kl. as. Spr.denkm. 218; Lasch-Borchling,
Mndd. Handwb. 3, 236; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. 4,
210; ONW s. v. sindar; VMNW s. v. sinder; Verwijs-
Verdam, Mndl. wb. 7, 1144. 1164 f. (sinder²); Franck, Et.
wb. d. ndl. taal² 609; Vries, Ndls. et. wb. 641 f.; Et. wb.
Ndl. S-Z 156; WNT s. vv. sindel, sinder, sintel¹, zindel,
zinder; eFryske wb. s. v. sintel; Dijkstra, Friesch Wb. 3,
79; Fort, Saterfries. Wb.² 518; Sjölin, Et. Handwb. d.
Festlnordfries. XXXV. 224; Holthausen, Ae. et. Wb. 294;
Bosworth-Toller, AS Dict. 876; eMED s. v. sinder n.;
Klein, Compr. et. dict. of the Engl. lang. 1, 289; 2, 1449;
eOED s. vv. cinder n., sinter n.; Vries, Anord. et. Wb.²
476; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 787; Fritzner, Ordb. o. d.
g. norske sprog 3, 245; ONP s. v. sindr; Jónsson, Lex. poet.
496; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 244; Magnússon,
Ísl. Orðsb. 817; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 2, 968. 970.
1540; Nielsen, Dansk et. ordb. 366; Ordb. o. d. danske
sprog 18, 1442; Bjorvand, Våre arveord² 950 f.; Torp,
Nynorsk et. ordb. 580; NOB s. v. sinder; Jakobsen, Et.
dict. of the Norn lang. 2, 758; Hellquist, Svensk et. ordb.³
2, 910. 912; Svenska akad. ordb. s. vv. sinder, sinter.
Urgerm. *senđra- kann zunächst auf frühur-
germ. *sendhro- oder *sentró- zurückgehen.
Uridg. *sentró- scheidet aus, da nach allgemei-
ner Meinung die slaw. Wörter serb.-ksl., russ.-
ksl. sędra f. ‚gerinnendes Blut‘, russ. sjádra
f. ‚geronnene Flüssigkeit‘, tschech. sádra f.
‚Gips‘, slowak. sadra f. ‚dss.‘, serb. sȅdra f.
‚Kalksinter‘ urverwandt und nicht aus dem Ur-
germ. ins Slaw. entlehnt sind (nicht gebucht in
Pronk-Tiethoff 2013; anders allein Vaillant
1974: 642). Junge Lehnwörter (19. Jh.) aus dem
Tschech. sind slowen. sȃdra f. ‚Gips‘, kroat.
sȁdra f. ‚dss.‘. Wohl aus dem Mndd. entlehnt
ist poln. zędra, zyndra f. ‚Schlacke, Feilstaub‘.
Möglicherweise ebenfalls Entlehnungen aus
mhd. sinter, sinder bzw. nhd. Sinter oder zu-
mindest Bildungen unter Einfluss des dt. Lexems
sind (mit expressivem? l-Einschub) ndsorb.
šlintro n. ‚Schlacke‘ und slowen. žlȋndra f.
‚Schlacke, Kaffeesatz, Satz in der Pfeife‘ (wo-
bei für beide Wörter auch innerslaw. Etym. vor-
geschlagen werden).
Problematisch an der Zusammenstellung der
germ. und der slaw. Sippe bleibt aber zunächst
der Akzent in serb. sȅdra f. und die Vokallänge
in tschech. sádra f. bzw. die entsprechende
Kürze in slowak. sadra f.: Sie deuten auf
urslaw. Akut und damit entweder auf eine la-
ryngalhaltige Wurzel, alte Dehnstufe oder auf
Dehnung eines urspr. Kurzvokals nach dem
Winterschen Gesetz vor nichtaspirierter Me-
dia. Diese slaw. Formen erfordern mithin ei-
ne Rekonstruktion als uridg. *seh₁nd(h)ro-/
*senh₁d(h)ro-, *sēnd(h)ro- oder *sendro-. Von
den genannten Möglichkeiten lassen sich uridg.
*seh₁ndhro- (> urgerm*sēnđra-) oder uridg.
*sēndhro- mit der urgerm. Form verknüpfen,
falls im Urgerm. eine Kürzung *ēn > *en/_K
(Osthoffsche Regel; so Ringe 2017: 96–98)
stattgefunden hat, sowie ggf. auch uridg.
*senh₁dhro-; der Laryngal müsste dann in der
Viererkonsonanz geschwunden sein (gleichzei-
tig würde aber früher Schwund des Laryngals
diese Vorform für die slaw. Etyma ausschlie-
ßen). Die bezeugten germ. und slaw. Formen
müssen nicht auf eine gemeinsame Vorform zu-
rückgehen, hatten sie aber eine gemeinsame
Vorform, so muss diese vorurgerm./vorurslaw.
*seh₁ndhro- oder *sēndhro- gelautet haben. Da
*seh₁ndhro- eine sehr komplexe Bildung ist, die
kaum zu begründen ist, bleibt vorurgerm./vor-
urslaw. *sēndhro- als einzige Möglichkeit.
Vorurgerm./vorurslaw. *sēndhro- dürfte da-
bei eine sekundäre ro-Ableitung zu einer
dehnstufigen (vielleicht durch Vddhi-Ableitung
entstandenen) Form der Wz. uridg. *sendh-
sein. Doch fehlen dafür weitere Parallelen.
NIL 615 erwägt fragend im Gefolge von J. Katz,
FS Strunk 1995: 105–109 einen Wz.ansatz
uridg. *sendhh₁-, eine Neowz., die Katz auf ein
altes Komp. aus der Lokalpkl. uridg. *s ‚ab-
seits, weg‘ (LIPP 1, 221. 230. 252; 2, 710 ff.)
und uridg. *dheh₁- ‚setzen, stellen, legen‘ (LIV²
136 f.) zurückführt. Die Herleitung der Neowz.
wird aber NIL 615 Anm. 1 aus morphologi-
schen Gründen (o-Vollstufe der Lokalpkl. in
der Komposition, fehlende Parallelen für eine
syntaktische Fügung aus uridg. *s und uridg.
*dheh₁-) verworfen. Umstritten ist weiterhin die
lautlich und semantisch unproblematische Zu-
gehörigkeit von gr. ὄνθος m.(/f.) ‚Mist, Kot von
Tieren‘ < urgr. *(h)ontho- < uridg. *sondh(h₁)o-:
‚Schlacke‘ < ‚was sich bei der Metallgewin-
nung ablagert [und noch heiß ist]‘ : ‚Kot‘ <
‚was Tiere absondern (und noch warm ist)‘.
Walde-Pokorny 2, 497; Pokorny 906; NIL 615 f.; Frisk,
Gr. et. Wb. 2, 394 f.; Chantraine, Dict. ét. gr.² 774. 1335;
Beekes, Et. dict. of Gr. 2, 1083; Trautmann, Balt.-Slav.
Wb. 256; Bezlaj, Et. slov. slov. jez. 3, 213; Snoj, Slov. et.
slov.³ 659; Vasmer, Russ. et. Wb. 3, 63; ders., Ėt. slov.
russ. jaz. 3, 825; Schuster-Šewc, Hist.-et. Wb. d. Sorb.
1458. – Brückner [1927] 1993: 652; Skok 1971–74: 3,
185; Machek 1997: 535; Králik 2015: 518; Rejzek
2015: 615.
HB