skalc
Band VII, Spalte 1350
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skalc m. a-St., seit dem 3. Viertel des 8.
Jh.s in Gl. und in I, MF, PT, T, OT, MH, B, GB,
BG, O, WB, N, Npg: ‚Knecht, Sklave, Diener,
Jünger; cliens, conducticius, dulos [= dulia],
famulus, fiscalinus, manceps, servus‘ 〈Var.:
sc(h)-; -(h)c(-), -(c)h(-), -gh, -kh-〉. Das Wort ist
auch Bestandteil ahd. PN und ON (u. a. in
Scalco [a. 779, 856] und in Scalchenheim [a.
788]; vgl. Förstemann [1900–16] 1966–68: 1,
1303 f.; 2, 1, 753 ff.). – Mhd. schalc (-kes),
schalch, schalk (pl. schalke, schelke, vereinzelt
auch sw. wie dat.pl. schalken) st.m. ‚Leibeige-
ner, Knecht, Diener, Mensch von niedrigem
Stande, böser, hinterlistiger Mensch‘, frühnhd.
schalk m. ‚Bösewicht‘, nhd. Schalk m. ‚jmd.,
der gerne mit anderen seinen Spaß treibt‘. Die
Bed.entwicklung im Nhd. (im Laufe des 18.
Jh.s) ist mit der von Schelm m. ‚jmd., der gern
anderen Streiche spielt, Spaßvogel, schelmi-
scher Mensch, Schalk‘ (s. skelmo) vergleichbar.

Splett, Ahd. Wb. 1, 830; eKöbler, Ahd. Wb. s. v. skalk;
Schützeichel⁷ 285; Starck-Wells 531; Schützeichel,
Glossenwortschatz 8, 274; Seebold, ChWdW8 258. 431.
468; ders., ChWdW9 736. 1104; Graff 6, 480 f.; Heffner
1961: 126; Lexer 2, 640 f.; 3, Nachtr. 357; Götze [1920]
1971: 184; Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 255 (famulus). 608
(servus); Dt. Wb. 14, 2067 ff.; Kluge²¹ 633; Kluge²⁵ s. v.
Schalk; ePfeifer, Et. Wb. s. v. Schalk. – DRW 12, 171 ff.;
Braune-Heidermanns 2018: §§ 87, 3. 143 (und Anm. 2b,
4a). 144 (und Anm. 5). 145 Anm. 5e. 146. 178. 193 Anm.
4a. 194, 1.

In den anderen germ. Sprachen entsprechen:
lat.-germ. (in PN) -scalc; as. skalk m. ‚Knecht,
Sklave‘, mndd. schalk m. ‚Knecht, Diener,
Mensch von knechtischer, niedriger Gesin-
nung, Schurke, Übeltäter, Missetäter‘; andfrk.
skalk m. ‚Knecht, Diener‘ (auch als Bestandteil
in PN und ON), frühmndl. scalc (scalk-,
schalk-) m. ‚Leibeigener, Knecht, Betrüger,
Verbrecher‘, mndl. schalc (scalc, schallic) (m.)
‚Diener, Knecht, Leibeigener, Sklave, Tauge-
nichts, Schelm, Verbrecher, Bösewicht‘, nndl.
schalk (m./c.) ‚Scherzbold, Schalk‘; afries.
skalk m. ‚Unfreier, Knecht, schlechter Mensch,
Bösewicht‘, nwestfries. skalk m./f. ‚Scherzbold,
Taugenichts‘, saterfries. skalk m. ‚Schalk‘,
nnordfries. (öömrang) skalk m. ‚dss.‘ (der nord-
fries. Beleg stammt aus einer Quelle auf
https://www.frisistik-thesaurus.uni-kiel.de/de/
thesaurus-des-nordfriesischen [gesehen am
12.08.2019]); ae. scealc m. ‚Diener, Gefolgs-
mann, Untertan, Krieger, Mann‘, me. shalk(e)
(shawe, frühme. scalc) ‚Mann, Mensch, Krie-
ger, Knecht, König, Diener, Riese, Monster,
Geist‘, ne. (obs., poet.) shalk ‚Diener, Mann‘;
aisl. skalkr, skálkr m. ‚Diener, Knecht, Schelm‘
(zur Dehnung von a vor lk vgl. Noreen [1923]
1970: § 124, 3), nisl. skálkur m. ‚Gauner,
Schurke‘, fär. skálkur m. ‚Bösewicht, Betrüger,
Schurke‘, adän. skalk ‚Schurke‘, ndän. skalk
‚Schalk, Schelm‘, nnorw. skalk ‚Schelm‘,
aschwed. skalker m. ‚Schurke, Lumpenkerl‘,
nschwed. skalk ‚Schalk, Schelm‘; got. skalks m.
‚Knecht, Diener; δοῦλος, οἰκέτης, παιδάριον‘;
langob. -scalc m. (in marscalc, eigtl. ‚Pferde-
knecht‘; zur Überlieferung und zu Weiterem s.
mar[a]hskalc): < urgerm. *skalka-.
Aus dem Nordgerm. stammen lapp.-norw.
skal’ka, lapp.-schwed. skalk ‚Schalk, Schelm‘
(Qvigstad 1893: 290).

Die Bed. ‚Schelm, Schuft‘ im Nordgerm. gilt allgemein
als aus dem Mndd. entlehnt; offen bleibt, ob das Wort
auch in der Bed. ‚Diener‘ aus dem Mndd. stammt (vgl.
Vries, Anord. et. Wb.² 482).
Vielleicht liegt das Appellativ auch im überlieferten
ascalc vor (Jordanes, Get. 43 228; zu den Schreibungen
in den Hss. vgl. Reichert 1987–90: 1, 77).

Aus den Subst. ist in einigen Sprachen sekundär
ein Adj. geworden: mhd. schalc adj. ‚arglistig,
hinterlistig, boshaft‘ (Lexer 2, 641; Dt. Wb. 14,
2075); mndd. schalk adj. ‚böse, niederträchtig,
nichtswürdig, arglistig, hinterhältig, heuchle-
risch, verschlagen, listig, durchtrieben, schlau,
gerissen‘; frühmndl. scalc adj. ‚verdorben,
schlecht, arglistig, listig, schlau‘, mndl. schalc
(scalc, schallic) adj. ‚unterwürfig, dienstbar,
verdorben, schlecht, nichtswürdig, böse, hin-
terhältig‘, nndl. schalk adj. ‚arglistig, falsch,
schlau, listig‘.
Zwar ist innergerm. auch der Anschluss von
langob.-germ. sculca ‚Spähtrupp, Wachtpos-
ten‘ möglich, wozu die nordgerm. Gruppe um
nschwed. skolka ‚schwänzen‘ gehört (so als
Möglichkeit Rhee, Die germ. Wörter i. d.
langob. Gesetzen 119 Fn. 644); jedoch ist die
Anbindung an die Wortgruppe um mhd.
schûlen sw.v. ‚verborgen sein‘ (Lexer 2, 813),
die selbst wohl zur Sippe um ahd. skûo ‚Schat-
ten‘ (s. d.) gehört, aus semantischen Gründen
näherliegend.

In diesem Kontext erscheint in der (etym.) Literatur
mehrfach (vgl. etwa RGA² 33, 1; Et. wb. Ndl. S-Z 123)
ein Wort ahd. skûlinga ‚Versteck‘. Es ist aus Graff 6, 475
übernommen, der das Wort aber nicht als ahd., sondern als
ndd. angibt (so richtig bemerkt von L. de Grauwe, ABäG
31/32 [1990], 179); in den Wörterbüchern zum Ahd. ist
es zu Recht nicht aufgenommen. Das Wort ist zweimal
im sogenannten Glossarium Bernense (Hs. Bern, Bur-
gerbibl., Cod. 641; zur Auflösung der Angabe bei Graff,
a. a. O. vgl. Scheuerer 1995: 131) aus dem 13. Jh. belegt,
das man heute außer dem Ndd. dem Frühmndl. (Dialekt
von Limburg) zuschlägt (dazu ausführlich samt Edition
Sterkenburg-de Man 1977; VMNW s. v. sculinghe).

Kroonen, Et. dict. of Pgm. 439 verbindet ur-
germ. *skalka- mit der Gruppe um aisl. skelkr
m. ‚Furcht, Schrecken‘, die nach ihm aus nord-
germ. *skalki- stammt; dem stehen aber unüber-
brückbare semantische Differenzen entgegen.
Aisl. skelkr stellt sich besser über eine Zwi-
schenbed. ‚aufspringen‘ zu ahd. skelo ‚Hengst‘
(s. d.; zur Semantik vgl. mhd. schrecken st.v.
‚auffahren, erschrecken‘) und geht somit wohl
auf nordgerm. *skelka- zurück. Auch die wei-
tere bei Kroonen, a. a. O. gebotene Etym. ist
nicht überzeugend, da er als Ausgangspunkt
seiner Überlegungen von der eindeutig erst se-
kundär entstandenen Bed. des Adj. (‚hinterhäl-
tig‘) ausgeht.

Fick 3 (Germ.)⁴ 460; Kroonen, Et. dict. of Pgm. 439;
Tiefenbach, As. Handwb. 339; Sehrt, Wb. z. Hel.² 469;
Berr, Et. Gl. to Hel. 349; Lasch-Borchling, Mndd.
Handwb. 3, 43 (schalk¹, schalk²); Schiller-Lübben,
Mndd. Wb. 4, 40 f.; ONW s. v. skalk; VMNW s. vv. scalc¹,
scalc², scalc³; Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 7, 260 ff.;
Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 572; Suppl. 144; Vries, Ndls.
et. wb. 606; Et. wb. Ndl. S-Z 68; WNT s. vv. schalk¹,
schalk³; Boutkan, OFris. et. dict. 344; Hofmann-Popkema,
Afries. Wb. 431; Richthofen, Afries. Wb. 1020; eFryske
wb. s. v. skalk¹; Dijkstra, Friesch Wb. 3, 89 f.; Fort, Sater-
fries. Wb.² 522 f.; Holthausen, Ae. et. Wb. 273; Bosworth-
Toller, AS Dict. 822; eMED s. v. shalk(e) n.; eOED s. v.
shalk n.; Vries, Anord. et. Wb.² 482 (skalkr¹); Jóhannesson,
Isl. et. Wb. 1156; Fritzner, Ordb. o. d. g. norske sprog 3,
278; ONP s. vv. skalkr¹, skalkr²; Holthausen, Vgl. Wb. d.
Awestnord. 247; Magnússon, Ísl. Orðsb. 827 (skálkur⁵);
Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 2, 980 f. (skalk¹). 1540
(skalk¹); Nielsen, Dansk et. ordb. 369 f.; Ordb. o. d.
danske sprog 19, 191 ff.; Torp, Nynorsk et. ordb. 585
(skalk¹); NOB s. v. skalk¹; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 2,
924 (skalk¹); Svenska akad. ordb. s. v. skalk¹; Feist, Vgl.
Wb. d. got. Spr. 428; Lehmann, Gothic Et. Dict. S-78;
Bruckner, Spr. d. Langob. 209. 211. – Törnqvist 1977:
86; Reichert 1987–90: 2, 607; Casaretto 2004: 65 f.

Urgerm. *skalka- hat keine verwandten Bildun-
gen in den anderen idg. Sprachen. Aus diesem
Grund ist die weitere Etym. unklar. Von den
vielen Vorschlägen in der Literatur (etwa Stam-
mesN eines unterworfenen Volkes, Anbindung
an ahd. skulan [s. d.]) kommt eigentlich nur ein
Vorschlag ernsthafter in Frage. Da nämlich ei-
nerseits bei Wörtern für ‚Holz‘ eine Übertra-
gung auf (junge) Menschen stattfinden kann
(vgl. etwa nhd. Bengel, Flegel), es andererseits
eine Berührung zwischen ‚Knabe‘ und ‚Knecht,
Diener‘ gibt (vgl. ne. boy [eOED s. v. boy]) und
es sogar alle drei Bed. bei einzelnen Wörtern
bzw. Wortgruppen gibt, vgl. aisl. drengr ‚di-
cker Stock, Mann, Knabe, Diener‘ (Vries,
Anord. et. Wb.² 82 f.) oder ahd. kneht (s. d.) :
mndd. knagge ‚dickes Holzstück‘ (vgl. auch
Lühr 1988: 271), kann urgerm. *skalka- ‚Die-
ner, Knecht‘ mit der Gruppe um mndd. schalk
m. ‚kleiner Stützen, worauf ein Sparren oder
Balken ruht‘, fär. skálkur m. ‚Holzstück am
Dachsparren‘, nschwed. skalk ‚abgesägter Bal-
kenstumpf‘ (Schiller-Lübben, Mndd. Wb. 4,
40 f. [Bed. 3]; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 2, 924
[skalk²]; Svenska akad. ordb. s. v. skalk²) in
Beziehung stehen (so wohl zuerst Friesen 1897:
59 f.; vgl. auch K. F. Johansson, ZVSp 36
[1900], 374). Dies ist wohl eine Ableitung von
der Wz. uridg. *(s)kel(H)- ‚spalten‘ (s. skala;
vgl. auch aisl. skalkr m. ‚Schwert‘ [poetisch];
Vries, Anord. et. Wb.² 482 [skalkr²]). Gegen die
Annahme von Kroonen, Et. dict. of Pgm. 439,
dass die Bed. ‚Holzstück‘ zunächst im Mndd.
erst sekundär metaphorisch aus ‚Diener,
Knecht‘ entstanden ist und dann ins Nordgerm.
entlehnt wurde, spricht nhd. dial. bair. schalken
‚zerhauen, behauen‘ (Schmeller, Bayer. Wb.² 2,
412; Dt. Wb. 14, 2076).

In Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. ist mndd. schalk
nicht in der Bed. ‚Stütze‘ angeführt.

Aus dem Germ. (wohl dem Langob.) stammt
italien. scalco m. ‚Speisemeister‘.

Walde-Pokorny 2, 594; Pokorny 929; LIV² 552. 553. –
Gamillscheg 1935: 127.

RS

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