skama
Volume VII, Column 1367
Symbol XML file TEI Symbol PDF file PDF Citation symbol Citation

skama f. ō-St. seit dem Ende des 8.
Jh.s in Gl. und in T, B, GB, bei N, Npg:
‚Scham(röte), Schamhaftigkeit, Beschämung,
Schande, Zerknirschung, Bestürzung, Scheu,
Verlegenheit, Zurückhaltung; confusio, con-
spectitudo, ignominia, pudicitia, pudor, pudus,
reverentia, rubor, sobrietas, turpitudo, verecun-
dia‘, auch in zi skamôn werdan ‚zuschanden
werden‘ 〈Var.: sc(h)-; sa-〉. – Mhd. scham,
schame st.f. (neben schamme sw.f., schame
sw.m.) ‚Scham(haftigkeit), Züchtigkeit, Scham-,
Ehrgefühl‘, nhd. Scham f. ‚durch das Bewusst-
sein, (besonders in moralischer Hinsicht) ver-
sagt zu haben, durch das Gefühl, sich eine
Blöße gegeben zu haben, ausgelöste quälende
Empfindung, Schamgefühl, (selten) Schamröte,
(gehoben) Schamgegend‘.

Splett, Ahd. Wb. 1, 831; eKöbler, Ahd. Wb. s. v. skama;
Schützeichel⁷ 285; Starck-Wells 532. 830; Schützeichel,
Glossenwortschatz 8, 276 f.; Seebold, ChWdW8 258.
432. 507; ders., ChWdW9 737. 1104; Graff 6, 492;
Heffner 1961: 126; Lexer 2, 647 f.; Diefenbach, Gl. lat.-
germ. 470 (pudibunda, pudicitia). 612 (verecundia);
Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 133 (confusio). 538 (pudor).
575 (reverentia). 579 (rubor). 701 (verecundia); Dt. Wb.
14, 2107 ff.; Kluge²¹ 634; Kluge²⁵ s. v. Scham; ePfeifer,
Et. Wb. s. v. Scham. – DRW 12, 187 ff.

In den anderen germ. Sprachen entsprechen:
as. skama f. ‚Scham, Beschämung‘, mndd.
schām(e) f. ‚Scham(gefühl), Keuschheit, Sitt-
samkeit, Schande, Unehre, Schamteile, Genita-
lien‘; frühmndl. scame f. ‚Scham, Beschämung,
Schande‘, mndl. schame (scame, schaem) (f.)
‚dss.‘, nndl. (veraltet) schaam (f.) ‚dss.‘ (noch
lebendig als KVG schaam-); afries. skome f.
‚Scham, Schamteile‘, nnordfries. skoom (ohne
Genusangabe) ‚Scham‘; ae. sc(e)amu f. ‚Scham,
Verwirrung, Schande, Beleidigung, Bescheiden-
heit, Schamglieder‘, me. shāme (neben zahlrei-
chen Var.) ‚Scham(gefühl), Schande, Schmach,
Beleidigung‘, ne. shame ‚Scham(gefühl),
Schande, Schmach‘; aisl. (wohl mit expressiver
Gemination) skǫmm f. (neben skǫm; vgl. Noreen
[1923] 1970: § 318, 10) ‚Scham, Schande‘, nisl.
skömm f. ‚dss.‘, fär. skamm, skomm f. ‚dss.‘,
adän. skam ‚dss.‘, ndän. skam ‚dss.‘, nnorw.
skam ‚dss.‘, aschwed. skam ‚dss.‘, nschwed.
skam ‚dss.‘: < urgerm. *skamō-.
Aus dem Nordgerm. stammen lapp.-schwed.
skápmu ‚Dämmerung‘ (wohl < urnord. *skamō)
und skábma ‚Polarnacht‘ (< späturnord.
*skammu) (vgl. dazu Bjorvand, Våre arveord²
964; zur möglichen semantischen Verbindung
s. u.), deren Bed. über ‚Bedeckung‘ vermittel-
bar ist.

Zu einer abweichenden, aber wenig wahrscheinlichen
Ansicht zur Gruppe um aisl. skǫmm s. skanta.

Daneben ist in mhd. schem, scheme st.f.
‚Scham, Beschämung‘ (Lexer 2, 697 f.), mndd.
schēme f. ‚dss.‘, mndl. scheme (f.) ‚dss.‘, afries.
skeme f. ‚Scham, Schamteile‘ eine ablautende
Form (< westgerm. *skemō-) fortgesetzt.
Neben dem Subst. steht ein sw. V. III urgerm.
*skama-/-e/a- ‚sich schämen‘ (s. skamên).
Unklar ist, ob das Verb primär oder eine Ablei-
tung vom Subst. ist (vgl. Casaretto 2004: 459
mit älterer Literatur).

Fick 3 (Germ.)⁴ 452; Kroonen, Et. dict. of Pgm. 439 f.;
Tiefenbach, As. Handwb. 339; Sehrt, Wb. z. Hel.² 469;
Berr, Et. Gl. to Hel. 349; Lasch-Borchling, Mndd.
Handwb. 3, 44. 71; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. 4, 68;
VMNW s. v. scame; Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 7, 275 ff.
417; WNT s. v. schaam; Hofmann-Popkema, Afries. Wb.
443; Richthofen, Afries. Wb. 1032; Sjölin, Et. Handwb.
d. Festlnordfries. XXXV; Holthausen, Ae. et. Wb. 271;
Bosworth-Toller, AS Dict. 823; Suppl. 695; eMED s. v.
shāme n.; Klein, Compr. et. dict. of the Engl. lang. 2,
1430; eOED s. v. shame n.; Vries, Anord. et. Wb.² 512;
Jóhannesson, Isl. et. Wb. 852; Fritzner, Ordb. o. d. g.
norske sprog 3, 416 f.; ONP s. v. skǫmm; Holthausen,
Vgl. Wb. d. Awestnord. 262; Magnússon, Ísl. Orðsb. 884;
Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 2, 983. 1541; Nielsen,
Dansk et. ordb. 370; Ordb. o. d. danske sprog 19, 209 ff.;
Bjorvand, Våre arveord² 964; Torp, Nynorsk et. ordb.
586; NOB s. v. skam; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 2,
925 f.; Svenska akad. ordb. s. v. skam subst. – Ringe-
Taylor 2014: 207.

Urgerm. *skamō- hat (wie die gesamte Wort-
gruppe) keine weiteren Verwandten in den
anderen idg. Sprachen. Aus diesem Grund ist
auch die weitere Etym. unsicher. Vorgeschla-
gen wurden hauptsächlich:
1. Die wenig wahrscheinliche Anbindung an
die Wz. uridg. *()em- ‚bedecken, verhüllen‘ (s.
hamo¹), womit man die semantische Entwick-
lung von lit. kūvtis ‚sich schämen‘ vergleicht,
das man früher mit der Wz. *ske- ‚bedecken‘
verknüpfte. Das lit. Wort gehört aber besser
zu lett. kàuns m. ‚Scham, Schande‘ (vgl.
Smoczyński, Słow. et. jęz. lit.² s. v. kūvtis; Ka-
rulis, Latv. et. vārd.² 392), das sich zur Gruppe
um ahd. hôni adj. ‚schimpflich‘ (s. d.) und somit
zur Wz. uridg. *ka- ‚erniedrigen, demütigen‘
(oder *keh₂u-?) stellt (andere etym. Anbindung
bei Smoczyński, a. a. O.).
2. Schwierig, aber nicht ganz ausgeschlossen
ist die Verknüpfung mit der Wz. uridg.
*(s)kemH- ‚verstümmelt sein‘ (s. ham); zur
semantischen Entwicklung vgl. ahd. smâhi
‚Kleinigkeit, Niedrigkeit‘ : nhd. Schmach f.
‚Schande, Demütigung‘. Jedoch würde man
dann beim Subst. wie beim von dieser Wz. ab-
geleiteten Adj. urgerm. *skamma- ‚kurz‘
eine Form mit Resonantengemination er-
warten. Eine analogische Beseitigung der Ge-
mination ist aber möglich (zu solchen Fällen
vgl. R. Lühr, MSS 35 [1976], 73–92).
3. Lautlich schwierig ist auch der Anschluss an
die Gruppe um ahd. skato m. ‚Schatten‘ (s. d.),
somit Rückführung auf die Wz. uridg. *seh₂()-
‚schimmern, scheinen‘. Dann würde urgerm.
*skamō- auf uridg. *sk̂h₂-méh₂- beruhen. Se-
mantisch ließen sich damit zwar die Bed. der
lapp.-schwed. Wörter skápmu ‚Dämmerung‘
und skábma ‚Polarnacht‘ leicht verknüpfen, je-
doch bleibt die Erklärung der ablautenden Form
westgerm. *skemō- dann unklar.

Walde-Pokorny 1, 387; Pokorny 557.

RS

Information

Volume VII, Column 1367

Show print version
Citation symbol Citation
Symbol XML file Download (TEI)
Symbol PDF file Download (PDF)

Lemma:
Referenced in: