skarba f. ō-St., seit dem 10. Jh. in Gl.
und bei N: ‚(Kormoran-)Scharbe [Schwimm-
vogel]; genus avis in paludibus, ibis, locuncula,
merga, mergus‘ 〈Var.: sc-, sch-; -e〉. Daneben
steht mit grammatischem Wechsel die Form
ahd. skarfa (s. d.) sowie ein Mask. ahd. skarbo
neben skarfo (s. dd.).
Die Wortpaare ahd. skarba : skarfa und skarbo :
skarfo fehlen bei Schaffner 2001. Bei Schützeichel⁷
286 und ders., Glossenwortschatz 8, 286 f. sind beide
Wörter unter einem Lemma skarba bzw. skarbo zu-
sammengestellt.
Mhd. scharbe sw.f. ‚Schwimmtaucher‘, früh-
nhd. scharbe f. ‚Schwimmtaucher, Kormoran‘,
nhd. Scharbe f. ‚Kormoran‘.
Splett, Ahd. Wb. 1, 833; eKöbler, Ahd. Wb. s. v. skarba;
Schützeichel⁷ 286; Starck-Wells 533. XLVI; Schützeichel,
Glossenwortschatz 8, 286 f.; Graff 6, 541; Lexer 2, 662;
Götze [1920] 1971: 185; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 358
(merga, mergus); Dt. Wb. 14, 2177; Kluge²¹ 635; Kluge²⁵
s. v. Scharbe; ePfeifer, Et. Wb. s. v. Scharbe. – Suolahti
[1909] 2000: 393–396.
Ahd. skarba < westgerm. *skarbō- hat in den
anderen germ. Sprachen keine Entsprechungen.
Ahd. skarbo < westgerm. *skarban- ist eine Er-
weiterung mit *-n- von urgerm. *skarƀa-, das
in ae. scræb m. ‚Scharbe‘, aisl. skarfr m. ‚dss.‘,
nisl. skarfur m. ‚dss.‘, fär. skarvur m. ‚dss.‘,
nnorw. skarv ‚dss.‘, norn skarf ‚dss.‘, nschwed.
skarv ‚dss.‘ fortgesetzt ist.
Für das Ae. wird das Wort in den Wörterbüchern und
sonstiger Literatur häufig als scræf angesetzt, was unzu-
treffend ist (vgl. Liberman 2008: 71).
Aus dem Nordgerm. stammen me. scarf (skarf)
‚Kormoran‘, ne. dial. scarf ‚dss.‘ und lapp.-
norw. skarffa, lapp.-schwed. skarf(f)a ‚dss.‘
(Qvigstad 1893: 292), aus dem Norw. ndän.
skarv ‚Scharbe‘.
Eine erweiterte Bildung, die in ihrer genauen
Analyse aber umstritten ist (s. u.), liegt (mehr-
heitlich offenbar mit Dissimilation von r – r > l
– r) in zwei Ablautstufen vor in: as. skalvar m.
‚Scharbe, Kormoran‘ bzw. mndd. schalver (ohne
Genusangabe) ‚Taucher‘ (nur dat.pl. scaluaron;
2. Hälfte des 12. Jh.s; as. oder mndd.; vgl.
Bergmann-Stricker, Katalog Nr. 49), ae. scealfor
f., scealfra m. ‚Scharbe‘ neben mndd. scholver
(ohne Genusangabe) eine Vogelart, schulver m.
‚Seerabe, Taucher‘, nndl. scholver(d) (m.)
‚Kormoran‘, -scholver (in aalscholver [m.]
‚Kormoran‘) und mndl. (wohl mit Umbildung
nach mndl. aer[n] ‚Adler‘) scholfaren (scolfaren,
scholfern) (m.) Bez. eines Wasservogels, nndl.
(wohl mit Umbildung nach ooievaar ‚Storch‘)
schol(le)vaar (m.) ‚Kormoran‘, nwestfries. skol-
fer m./f. ‚dss.‘, nnordfries. helg. skuáár(e)wer m.
‚dss.‘ (der nordfries. Beleg stammt aus einer
Quelle auf https://www.frisistik-thesaurus.uni-
kiel.de/de/thesaurus-des-nordfriesischen [gese-
hen am 31.05.2019]).
Hierher gehört wohl auch afries. skalvere m.
‚Bettler, Landstreicher‘, dessen Bed. entweder
durch Übertragung des als gefräßig geltenden
Vogels auf einen gefräßigen Menschen mit
Umdeutung der Endung -ere als Nomina agen-
tis bildendem Suff. entstanden ist (vgl. dazu B.
Sjölin, Us Wurk 10 [1961], 3–5) oder eine Ab-
leitung mit eben diesem Suff. von der Basis
*skarƀa(n)- ist.
Der Verweis bei Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 3,
44 (s. v. schalver) auf eine Var. mndd. schelver führt zu
dem nicht zugehörigen Wort mndd. schelver (ohne Ge-
nusangabe) ‚abgelöstes Stück (der Schädeldecke),
Kopfschuppe, Schinne‘.
Die etwa bei Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 2, 988
(skarv¹) vorgenommene Trennung der Gruppe um ahd.
skarba von der in as. skalvar, ist unwahrscheinlich.
Für die Analyse der erweiterten Bildung gibt es
unterschiedliche Auffassungen. So setzen etwa
Suolahti [1909] 2000: 394 und Kluge²¹ 635 als
Vorform *skarƀar- an, dagegen sieht Liberman
2008: 71 f. 73 f. darin eine Bildung mit einem
Suff. (ohne Rekonstrukt), das er in mehreren
Wörtern finden will, wie etwa in der Gruppe um
den VogelN ahd. tifaro, -bero, -boro ,Storch‘
(s. d.) und das urspr. die Bed. ‚gehörend zu‘,
später ‚bewohnend‘ hatte. In beiden Fällen las-
sen sich aber die Ablautunterschiede und der
grammatische Wechsel kaum erklären. Näher
liegt die Rekonstruktion zweier unterschiedli-
cher Bildungen, einerseits urgerm. *skarƀ/fa(n)-
und andererseits *ska/urƀra/ō(n)-.
Fick 3 (Germ.)⁴ 457; Tiefenbach, As. Handwb. 339; Lasch-
Borchling, Mndd. Handwb. 3, 44. 118. 161; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. 4, 150; Verwijs-Verdam, Mndl. wb.
7, 626; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 590; Vries, Ndls. et.
wb. 623; Et. wb. Ndl. A-E 68; S-Z 102 f.; WNT s. vv.
aalscholver, scholver, schollevaar; Hofmann-Popkema,
Afries. Wb. 432; eFryske wb. s. v. skolfer; Dijkstra,
Friesch Wb. 3, 119; Holthausen, Ae. et. Wb. 273. 282;
Bosworth-Toller, AS Dict. 822. 840; Suppl. 695; Suppl.
2, 53; eMED s. v. scarf n.²; eOED s. v. scarf n.⁴; Vries,
Anord. et. Wb.² 484; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 233; Fritzner,
Ordb. o. d. g. norske sprog 3, 292 (skarfr²); ONP s. v.
skarfr¹; Jónsson, Lex. poet. 502 (skarfr¹); Holthausen, Vgl.
Wb. d. Awestnord. 248 (skarfr¹); Magnússon, Ísl. Orðsb.
830 (skarfur¹); Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 2, 988
(skarv¹); Nielsen, Dansk et. ordb. 371; Ordb. o. d. danske
sprog 19, 291 f.; Torp, Nynorsk et. ordb. 588 (skarv³);
NOB s. v. skarv¹; Jakobsen, Et. dict. of the Norn lang. 2,
775; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 2, 929 (skarv¹); Svenska
akad. ordb. s. v. skarv². – P. R. Kitson, ES 78 (1997), 497 f.
Urgerm. *skarƀ/fa(n)- und *ska/urƀra/ō(n)-,
die keine weiteren Verwandten in den anderen
idg. Sprachen haben, stellt man üblicherweise
zur gleichen Wz., die auch in der Gruppe um
ahd. raban, ram ‚Rabe‘ (s. d.) vorliegt; dessen
genaue Etym. ist aber nicht klar, da es mehrere
Rekonstruktionsmöglichkeiten gibt und auch
das zugrunde liegende Benennungsmotiv offen
ist (‚schwarz‘ oder ‚lärmen‘).
Ausgangspunkt für urgerm. *skarƀ/fa(n)- und
*ska/urƀra/ō(n)- können die Wz. uridg. *k(u̯)r/
lepH- ‚jammern‘ (dann also *k[u̯]repH-) oder
*KrepH- ‚krachen‘ (jeweils mit s-mobile; vgl.
aisl. skrafa ‚reden, plaudern‘; Vries, Anord. et.
Wb.² 501) gewesen sein; das Benennungsmotiv
wären in dem Fall die krächzenden Laute des
Vogels. Urgerm. *skarƀ/fa(n)- ginge dann auf
eine sekundäre Substantivierung mit o-Stufe,
und zwar einmal mit Substantivierungsakzent
vorurgerm. *(s)k(u̯)órpH-o-/*(s)KórpH-o- und
einmal ohne Substantivierungsakzent vorurgerm.
*(s)k(u̯)orpH-ó-/*(s)KorpH-ó- zurück; beide sind
Substantivierungen zu einem nicht weiter be-
zeugten Adj. vorurgerm. *(s)k(u̯)pH-ó- bzw.
*(s)KpH-ó- ‚jammernd‘/‚krachend‘ (zu sol-
chen schwundstufigen Adj. vgl. Heidermanns,
Et. Wb. d. germ. Primäradj. 42). Urgerm.
*skurƀra/ō(n)- setzt dagegen ein schwundstufi-
ges, sekundär substantiviertes Adj. vorurgerm.
*(s)k(u̯)pH-ró-/*(s)KpH-ró- fort, während
urgerm. *skarƀra/ō(n)- eine Substantivierung
mittels o-Stufe ist (zu diesem Muster s. reigar);
für weitere Anschlüsse dieser beiden Wz. s.
raban, ram.
Möglich sind auch andere Anschlüsse, wie etwa
an die Wz. uridg. *k̂erH- ‚lärmen‘ (ebenfalls
nach den krächzenden Lauten; vgl. zur Wz. aisl.
hark n. ‚Lärm, Geräusch‘) oder (weniger wahr-
scheinlich) uridg. *(s)(k̂)erH- ‚springen, sich
schwingen‘ (nach dem Eintauchen in das Was-
ser oder nach dem als Sprung gedeuteten Abhe-
ben von der Wasseroberfläche?). Dabei muss
man aber sowohl eine Var. mit einem s-mobile
wie auch eine Erweiterung mit uridg. *-p- an-
nehmen.
Für den Ansatz einer eigenen Wz. für diese Wortgruppe
spricht wenig.
Aus dem Nordgerm. stammen air. scairb f.
‚Scharbe‘ (W. A. Craigie, ANF 10 [1894], 163),
korn. scraw ‚dss.‘ und mbret. scrav ‚dss.‘,
nbret. scraw m. ‚dss.‘.
Walde-Pokorny 1, 415 f.; Pokorny 569; LIV² 370;
Vendryes, Lex. ét. de l’irl. anc. S-29; eDIL s. v. scairb¹;
Deshayes, Dict. ét. du bret. 671.
RS